Friedrich von Spee.
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Spees Gedichte entstanden etwa um 1630. Erschie-
nen sind sie erst 1649, vierzehn Jahre nach seinem Tode
mit dem Titel „Trutznachtigall“. „Trutznachtigall wird
das Büchlein genand, weil es trutz allen Nachtigallen
süß und lieblich singet, und zwar auff recht Poetisch.
Also daß es sich auch wohl bey sehr guten lateinischen
und andern Poeten dörffe hören lassen“. Während die
Gelehrten in Ohnmacht und Abhängigkeit die deutsche
Poesie neu zu begründen suchten und in erlogenen
Liebesliedern eingebildete Liebchen feierten, dichtete
Spee, „auf daß auch Gott in Teutscher Spraach seine
Sänger und Poeten hette, die sein Lob und Namen
eben also künstlich und Poetisch als andere in andern
Sprachen singen und verkünden köndten“. Selbst
Opitzens verdienstliche Wiederentdeckung, die Über-
einstimmung von Wort- und Versaccent hat Spee unab-
hängig von ihm aus dem mittelalterlichen lateinischen
Kirchengesang übernommen und in die deutsche Lyrik
eingeführt: „Die Quantitet aber, das ist die Länge und
Kürtze der Syllaben, ist gemeiniglich vom Accent ge-
nommen, also daß diejenigen Syllaben, auf welche in
gemeiner Ausspraach der Accent feilt, für Lang gerech-
net seind, und die andern für Kurtz“. Einzig in Einem
ist Spee von der Gelehrtenpoesie abhängig: dem Schäfer-
kostüm kann auch er sich nicht ganz entziehen. Da
von allen Gestalten, unter denen Jesus erscheint, die
des guten Hirten seine Natur wohl stets besonders
gerührt haben mag, so führt er Jesus häufig als den
Hirten Daphnis in seine Dichtung ein. Aber die
Schlichtheit und Kindlichkeit dieses Kostüms quillt so
natürlich aus seinem innersten Wesen, daß er auch
hierin wahr und frei und persönlich wirkt.
Gewiß ist diese Freiheit und Persönlichkeit keine
letztbestimmte und selbstgewurzelte. Intellektuell steht
Spee ganz im Boden der Kirche. Aber eben diese
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Spees Gedichte entstanden etwa um 1630. Erschie-
nen sind sie erst 1649, vierzehn Jahre nach seinem Tode
mit dem Titel „Trutznachtigall“. „Trutznachtigall wird
das Büchlein genand, weil es trutz allen Nachtigallen
süß und lieblich singet, und zwar auff recht Poetisch.
Also daß es sich auch wohl bey sehr guten lateinischen
und andern Poeten dörffe hören lassen“. Während die
Gelehrten in Ohnmacht und Abhängigkeit die deutsche
Poesie neu zu begründen suchten und in erlogenen
Liebesliedern eingebildete Liebchen feierten, dichtete
Spee, „auf daß auch Gott in Teutscher Spraach seine
Sänger und Poeten hette, die sein Lob und Namen
eben also künstlich und Poetisch als andere in andern
Sprachen singen und verkünden köndten“. Selbst
Opitzens verdienstliche Wiederentdeckung, die Über-
einstimmung von Wort- und Versaccent hat Spee unab-
hängig von ihm aus dem mittelalterlichen lateinischen
Kirchengesang übernommen und in die deutsche Lyrik
eingeführt: „Die Quantitet aber, das ist die Länge und
Kürtze der Syllaben, ist gemeiniglich vom Accent ge-
nommen, also daß diejenigen Syllaben, auf welche in
gemeiner Ausspraach der Accent feilt, für Lang gerech-
net seind, und die andern für Kurtz“. Einzig in Einem
ist Spee von der Gelehrtenpoesie abhängig: dem Schäfer-
kostüm kann auch er sich nicht ganz entziehen. Da
von allen Gestalten, unter denen Jesus erscheint, die
des guten Hirten seine Natur wohl stets besonders
gerührt haben mag, so führt er Jesus häufig als den
Hirten Daphnis in seine Dichtung ein. Aber die
Schlichtheit und Kindlichkeit dieses Kostüms quillt so
natürlich aus seinem innersten Wesen, daß er auch
hierin wahr und frei und persönlich wirkt.
Gewiß ist diese Freiheit und Persönlichkeit keine
letztbestimmte und selbstgewurzelte. Intellektuell steht
Spee ganz im Boden der Kirche. Aber eben diese