Lauban.
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hallt, und nur sein Elend sitzt neben ihm-Da reckt
er sich auf in der furchtbarsten Stunde der Not, am
Abgrund der Verzweiflung stemmt sich sein Selbst-
gefühl zurück, er wagt es, sich und sein Recht zu
behaupten gegen Gott und Welt! Dieser Gott, diese
Welt können ein Betrug, ein Unrecht, eine Täuschung
sein, eher will er aufhören, sie zu bejahen, als sein
Wesen, die Reinheit und Wahrheit seines Willens ver-
neinen! Und so schreibt er jenes Gedicht, das an Ge-
schlossenheit und Unmittelbarkeit des Ausdrucks, an
Gewalt der Leidenschaft das größte Gedicht vor Goethe
genannt werden muß:
Geduld, Gelassenheit, treu, fromm und redlich sein
Und wie ihr Tugenden euch sonst noch alle nennet,
Verzeiht es, doch nicht mir, nein, sondern meiner Pein,
Die unaufhörlich tobt und bis zum Marke brennet:
Ich geb euch mit Vernunft und weisem Wohlbedacht,
Merkt dieses Wort nur wohl, von nun an gute Nacht!
Und daß ich euch gedient, das nenn ich eine Sünde,
Die ich mir selber kaum jemals vergeben kann,
Steckt künftig, wen ihr wollt, mit euren Strahlen an,
Ich schwöre, daß ich mich von eurem Ruhm entbinde.
Ihr Lügner, die ihr noch dem Pöbel Nasen dreht,
Von vieler Vorsicht schwatzt, des Höchsten Gnad erhebet,
Den Armen Trost versprecht, und wenn ein Sünder fleht,
Ihm Rettung, Rat und Kraft, ja mit dem Maule gebet,
Wo steckt denn nun der Gott, der helfen will und kann?
Er nimmt ja, wie ihr sprecht, die gröbsten Sünder an!
Ich will der gröbste sein: ich warte, schrei und leide;
Wo bleibt denn auch sein Sohn? Wo ist der Geist der Ruh?
Langt jenes Unschuldskleid und dieses Kraft nicht zu,
Daß beider Liebe mich vor Gottes Zorn bekleide?
Ha, blindes Fabelwerk! ich seh dein Larvenspiel!
Das geb ich auch noch zu: es ist ein ewig Wesen,
Das seine größte Macht an mir nur zeigen will
Und das mich obenhin zur Marter auserlesen.
Es führt, es leitet mich: doch stets auf meinen Fall,
Es gibt Gelegenheit, damit es überall
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hallt, und nur sein Elend sitzt neben ihm-Da reckt
er sich auf in der furchtbarsten Stunde der Not, am
Abgrund der Verzweiflung stemmt sich sein Selbst-
gefühl zurück, er wagt es, sich und sein Recht zu
behaupten gegen Gott und Welt! Dieser Gott, diese
Welt können ein Betrug, ein Unrecht, eine Täuschung
sein, eher will er aufhören, sie zu bejahen, als sein
Wesen, die Reinheit und Wahrheit seines Willens ver-
neinen! Und so schreibt er jenes Gedicht, das an Ge-
schlossenheit und Unmittelbarkeit des Ausdrucks, an
Gewalt der Leidenschaft das größte Gedicht vor Goethe
genannt werden muß:
Geduld, Gelassenheit, treu, fromm und redlich sein
Und wie ihr Tugenden euch sonst noch alle nennet,
Verzeiht es, doch nicht mir, nein, sondern meiner Pein,
Die unaufhörlich tobt und bis zum Marke brennet:
Ich geb euch mit Vernunft und weisem Wohlbedacht,
Merkt dieses Wort nur wohl, von nun an gute Nacht!
Und daß ich euch gedient, das nenn ich eine Sünde,
Die ich mir selber kaum jemals vergeben kann,
Steckt künftig, wen ihr wollt, mit euren Strahlen an,
Ich schwöre, daß ich mich von eurem Ruhm entbinde.
Ihr Lügner, die ihr noch dem Pöbel Nasen dreht,
Von vieler Vorsicht schwatzt, des Höchsten Gnad erhebet,
Den Armen Trost versprecht, und wenn ein Sünder fleht,
Ihm Rettung, Rat und Kraft, ja mit dem Maule gebet,
Wo steckt denn nun der Gott, der helfen will und kann?
Er nimmt ja, wie ihr sprecht, die gröbsten Sünder an!
Ich will der gröbste sein: ich warte, schrei und leide;
Wo bleibt denn auch sein Sohn? Wo ist der Geist der Ruh?
Langt jenes Unschuldskleid und dieses Kraft nicht zu,
Daß beider Liebe mich vor Gottes Zorn bekleide?
Ha, blindes Fabelwerk! ich seh dein Larvenspiel!
Das geb ich auch noch zu: es ist ein ewig Wesen,
Das seine größte Macht an mir nur zeigen will
Und das mich obenhin zur Marter auserlesen.
Es führt, es leitet mich: doch stets auf meinen Fall,
Es gibt Gelegenheit, damit es überall
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