Die Gelehrtenpoesie.
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Nur Simon Dach und Paul Fleming treten wahr
und unmittelbarer aus dieser Atmosphäre heraus. Und
die schlichte Wahrheit und Ehrlichkeit ist Simon Dachs
fast einziges Verdienst. Eine magere kleinbürgerliche
Ehrlichkeit und Liebenswürdigkeit ist alles, was er uns
zu geben weiß. Die Bestimmung seiner Gedichte, dieser
unzähligen Leichen- und Hochzeitskarmina, zwang ihn
zu einer größeren Schlichtheit und Volkstümlichkeit.
Es ist nicht gerade erstaunlich, daß ihm unter den tau-
send Liedern zwei gelungen sind, deren einfache Innig-
keit uns noch heute anspricht: das „Anke von Tharau“
und „Der Mensch hat nichts so eigen — So wohl steht
ihm nichts an — Als daß er Treu erzeigen — Und
Freundschaft halten kann“. Wo er sich frei ergehen
kann, liebt er auch die Phrase und den Schwulst der
Gelehrtenpoesie, am liebsten hätte er lateinisch gedichtet.
Reicher und leidenschaftlicher ist Paul Fleming. Eine
Reise nach Persien erweiterte seinen Anschauungskreis,
eine unglückliche Liebe löste sein Lebensgefühl. Halten
ihn auch im ganzen noch Form und Inhalt der Gelehrten-
poesie, in einzelnen Strophen bricht seine klare, sym-
pathische Männlichkeit durch, einmal wächst er über
sich selbst hinaus:
„Was klagt, was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke
Ist sich ein jeder selbst. Schau alle Sachen an:
Diß alles ist in dir, laß deinen eiteln Wahn
Und eh du förder gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kan,
Dem ist die weite Welt und alles unterthan.“
Am meisten auf sich selber steht er in seinen Liebes-
gedichten. Ihren einsamen Jubel und Schmerz, den er
wie jeder leidenschaftlich Liebende als ganz persönlich
und einzig empfindet, vermag er nicht mehr unter nur
gegebenen Formen auszusprechen.
Die Lyrik der zweiten schlesischen Schule, die in
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Nur Simon Dach und Paul Fleming treten wahr
und unmittelbarer aus dieser Atmosphäre heraus. Und
die schlichte Wahrheit und Ehrlichkeit ist Simon Dachs
fast einziges Verdienst. Eine magere kleinbürgerliche
Ehrlichkeit und Liebenswürdigkeit ist alles, was er uns
zu geben weiß. Die Bestimmung seiner Gedichte, dieser
unzähligen Leichen- und Hochzeitskarmina, zwang ihn
zu einer größeren Schlichtheit und Volkstümlichkeit.
Es ist nicht gerade erstaunlich, daß ihm unter den tau-
send Liedern zwei gelungen sind, deren einfache Innig-
keit uns noch heute anspricht: das „Anke von Tharau“
und „Der Mensch hat nichts so eigen — So wohl steht
ihm nichts an — Als daß er Treu erzeigen — Und
Freundschaft halten kann“. Wo er sich frei ergehen
kann, liebt er auch die Phrase und den Schwulst der
Gelehrtenpoesie, am liebsten hätte er lateinisch gedichtet.
Reicher und leidenschaftlicher ist Paul Fleming. Eine
Reise nach Persien erweiterte seinen Anschauungskreis,
eine unglückliche Liebe löste sein Lebensgefühl. Halten
ihn auch im ganzen noch Form und Inhalt der Gelehrten-
poesie, in einzelnen Strophen bricht seine klare, sym-
pathische Männlichkeit durch, einmal wächst er über
sich selbst hinaus:
„Was klagt, was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke
Ist sich ein jeder selbst. Schau alle Sachen an:
Diß alles ist in dir, laß deinen eiteln Wahn
Und eh du förder gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kan,
Dem ist die weite Welt und alles unterthan.“
Am meisten auf sich selber steht er in seinen Liebes-
gedichten. Ihren einsamen Jubel und Schmerz, den er
wie jeder leidenschaftlich Liebende als ganz persönlich
und einzig empfindet, vermag er nicht mehr unter nur
gegebenen Formen auszusprechen.
Die Lyrik der zweiten schlesischen Schule, die in