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Die Mystiker.
Sed ad nonam veniens moritur
ad plenum.
Cum amoris impetus camis rum-
pit frenum.
Felix, quae iam frueris requie
cupita
Inter sponsi brachia dulciter sopita
Eiusque spiritui firmiter unita
Ab eodem percipis oscula mellita.
Doch beim neunten Stundenschlag
nachten ihre Lider,
Ihrer Liebe Ungestüm sprengt
die Haft der Glieder.
Glückliche! Ersehnte Ruh kann
sie nun genießen.
Schlummernd wird des Liebsten
Arm innig sie umschließen,
Ganz vereinigt wird sein Geist in
den ihren fließen,
Ewig fühlt sie seinen Kuß, seinen
honigsüßen.
Wir finden diese mystisch-sinnliche Liebe in den
Schriften des heiligen Johannes Colombino, der 1365
den Orden der Jesuaten stiftete, der heiligen Katharina
von Siena (1347—1380), die sich Christus als Bräutigam
vermählte, des heiligen Bernardin von Siena, der einen
besonderen Kult des Namens Jesu einführte; Lionardo
Giustiniani dichtet etwa 142g weltliche Liebeslieder zu
geistlichen um, ebenso Savonorola. In Spanien finden
wir diese Liebe in den Liedern der heiligen Theresa
und in den glühenden Liebesliedern des heiligen Jo-
hannes vom Kreuz. In Holland zeigt sie uns Ruys-
broeck in der „Zierde der geistlichen Hochzeit“ und im
„Buch von der höchsten Wahrheit“. In Deutschland
spricht sie aus den Offenbarungen der Schwester Mech-
tild von Magdeburg, dem „Fließenden Licht der Gott-
heit“, die zwischen 1250—1265 niedergeschrieben wurden.
Minnesang und Mystik sind seltsam in ihnen verquickt:
Die Seele ist müde vom Lobetanz vor Christus, ihrem
Geliebten. Wo soll sie sich erkühlen? Die Sinne raten
ihr: in den Reuetränen der heiligen Magdalena, im Blut
der Märtyrer, endlich raten sie:
Frowe, went ir vch minekliche külen,
So neigent vch in der jungfrowen schos
Zo dem kleinen kint, und sehent und smekent,
Die Mystiker.
Sed ad nonam veniens moritur
ad plenum.
Cum amoris impetus camis rum-
pit frenum.
Felix, quae iam frueris requie
cupita
Inter sponsi brachia dulciter sopita
Eiusque spiritui firmiter unita
Ab eodem percipis oscula mellita.
Doch beim neunten Stundenschlag
nachten ihre Lider,
Ihrer Liebe Ungestüm sprengt
die Haft der Glieder.
Glückliche! Ersehnte Ruh kann
sie nun genießen.
Schlummernd wird des Liebsten
Arm innig sie umschließen,
Ganz vereinigt wird sein Geist in
den ihren fließen,
Ewig fühlt sie seinen Kuß, seinen
honigsüßen.
Wir finden diese mystisch-sinnliche Liebe in den
Schriften des heiligen Johannes Colombino, der 1365
den Orden der Jesuaten stiftete, der heiligen Katharina
von Siena (1347—1380), die sich Christus als Bräutigam
vermählte, des heiligen Bernardin von Siena, der einen
besonderen Kult des Namens Jesu einführte; Lionardo
Giustiniani dichtet etwa 142g weltliche Liebeslieder zu
geistlichen um, ebenso Savonorola. In Spanien finden
wir diese Liebe in den Liedern der heiligen Theresa
und in den glühenden Liebesliedern des heiligen Jo-
hannes vom Kreuz. In Holland zeigt sie uns Ruys-
broeck in der „Zierde der geistlichen Hochzeit“ und im
„Buch von der höchsten Wahrheit“. In Deutschland
spricht sie aus den Offenbarungen der Schwester Mech-
tild von Magdeburg, dem „Fließenden Licht der Gott-
heit“, die zwischen 1250—1265 niedergeschrieben wurden.
Minnesang und Mystik sind seltsam in ihnen verquickt:
Die Seele ist müde vom Lobetanz vor Christus, ihrem
Geliebten. Wo soll sie sich erkühlen? Die Sinne raten
ihr: in den Reuetränen der heiligen Magdalena, im Blut
der Märtyrer, endlich raten sie:
Frowe, went ir vch minekliche külen,
So neigent vch in der jungfrowen schos
Zo dem kleinen kint, und sehent und smekent,