Angelus Silesius.
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Weg, weg ihr Seraphim, ihr könnt mich nicht erquicken:
Weg, weg ihr Heiligen und was an euch tut blicken:
Ich will nun eurer nicht: ich werfe mich allein
Ins ungeschaffne Meer der bloßen Gottheit ein.
Niemals wieder ist ein scheinbar didaktischer, theoreti-
scher Spruch, eine bloße Erklärung und Anweisung so
aus den tiefsten Gründen des Gefühls heraufgeführt,
daß noch alle Geheimnisse des Abgrundes ihn umdun-
keln, alle Schauer der Tiefe ihn durchzittern:
Nichts ist, das dich bewegt, du selber bist das Rad,
Das aus sich selbsten laufft und keine Ruhe hat.
Mensch werde wesentlich: denn, wann die Welt vergeht,
So fällt der Zufall weg, das Wesen das besteht.
und Schefflers vielleicht tiefster Spruch:
Ich selbst muß Sonne sein, ich muß mit meinen Strahlen
Das farbenlose Meer der ganzen Gottheit malen.
Scheffler ist der erste deutsche Lyriker, der sich
bewußt aus der Enge seiner Erziehung löste und zu
einer persönlichen Weltanschauung durchzudringen
suchte. Aber er war keine genügend schöpferische
Natur, um sich in der Gebundenheit seiner Zeit frei zu
behaupten. In seinem Leben wie seiner Kunst über-
wiegt die reproduktive Kraft. Er besitzt die Fähigkeit,
die Anschauungen seiner Umgebung zu ergreifen, sie
tief und leidenschaftlich sich zu einen und rücksichtslos
zu Ende zu denken. Aber da er diese Anschauungen
erfahren und nicht erzeugt hat, so besitzen sie nicht
genügend Kraft, sich in sich selbst, auf ihrer einsamen
Höhe zu behaupten. Sobald er die eigenen Spannungen
nicht mehr durch die Spannungen seiner Umgebung
gestützt fühlt, sinkt er zurück, um erst an den Span-
nungen einer neuen Umwelt sich wieder aufzurichten.
Wir dürfen annehmen, daß der Cherubinische Wan-
dersmann bei oder kurz nach Franckenbergs Tode ab-
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Weg, weg ihr Seraphim, ihr könnt mich nicht erquicken:
Weg, weg ihr Heiligen und was an euch tut blicken:
Ich will nun eurer nicht: ich werfe mich allein
Ins ungeschaffne Meer der bloßen Gottheit ein.
Niemals wieder ist ein scheinbar didaktischer, theoreti-
scher Spruch, eine bloße Erklärung und Anweisung so
aus den tiefsten Gründen des Gefühls heraufgeführt,
daß noch alle Geheimnisse des Abgrundes ihn umdun-
keln, alle Schauer der Tiefe ihn durchzittern:
Nichts ist, das dich bewegt, du selber bist das Rad,
Das aus sich selbsten laufft und keine Ruhe hat.
Mensch werde wesentlich: denn, wann die Welt vergeht,
So fällt der Zufall weg, das Wesen das besteht.
und Schefflers vielleicht tiefster Spruch:
Ich selbst muß Sonne sein, ich muß mit meinen Strahlen
Das farbenlose Meer der ganzen Gottheit malen.
Scheffler ist der erste deutsche Lyriker, der sich
bewußt aus der Enge seiner Erziehung löste und zu
einer persönlichen Weltanschauung durchzudringen
suchte. Aber er war keine genügend schöpferische
Natur, um sich in der Gebundenheit seiner Zeit frei zu
behaupten. In seinem Leben wie seiner Kunst über-
wiegt die reproduktive Kraft. Er besitzt die Fähigkeit,
die Anschauungen seiner Umgebung zu ergreifen, sie
tief und leidenschaftlich sich zu einen und rücksichtslos
zu Ende zu denken. Aber da er diese Anschauungen
erfahren und nicht erzeugt hat, so besitzen sie nicht
genügend Kraft, sich in sich selbst, auf ihrer einsamen
Höhe zu behaupten. Sobald er die eigenen Spannungen
nicht mehr durch die Spannungen seiner Umgebung
gestützt fühlt, sinkt er zurück, um erst an den Span-
nungen einer neuen Umwelt sich wieder aufzurichten.
Wir dürfen annehmen, daß der Cherubinische Wan-
dersmann bei oder kurz nach Franckenbergs Tode ab-