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Witkop, Philipp
Die Anfänge der neueren deutschen Lyrik — Heidelberg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.73240#0061
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Günthers Leben.

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gen krank und müde, faßt ihn das Heimweh. Sein
Vater weist den vagabundierenden Poeten von seiner
Tür. Er eilt zu Leonore, sammelt all sein Leben in
der Liebe zu ihr und begibt sich nach Breslau, um
dort seine Studien zu vollenden und sie dann heim-
zuführen. Freunde und Landsleute unterstützen den be-
rühmten Dichter. Einer der angesehensten Männer der
Stadt, Ludwig von Breßler zieht ihn in sein Haus. Ob
Günther in der Freundschaft zur Frau von Breßler zu
hitzig wird, ob Neid und Verleumdung ihn verdächtigen:
Breßler schlägt ihn dem Grafen Schaffgotsch als Er-
zieher vor, wohl mehr, um ihn aus seinem Hause zu
entfernen, als weil er ihn für diese Stelle geeignet
fände. Es ist fraglich, ob Steinbach, der Biograph
Günthers recht hat, wenn er berichtet, daß Günther,
da er dem Grafen vorgestellt werden soll, „wie gewöhn-
lich im Wein schon was übernommen“ gewesen sei.
Jedenfalls ist Günthers Stellung im Hause Breßler un-
haltbar geworden, Breslau ist ihm verleidet. Und als
ihn sein Freund Schubart auffordert, mit nach seinem
Geburtsort Lauban zu gehen und sich dort als Arzt
niederzulassen, geht er mit leichtsinniger Bereitwillig-
keit darauf ein. Die Patienten bleiben aus, eine schwere
Krankheit bringt ihn an den Rand des Grabes. All
sein Geld ist aufgezehrt. Und wenn seine Wirtin ihn
nicht krank auf die Straße wirft, so tut sie es nur, um
nicht jede Aussicht auf Bezahlung zu vernichten. Schu-
bart stirbt. Verlassenheit und Verzweiflung zermartern
ihn. Er fühlt sich als ein Verstoßener, vom Schicksal
Gezeichneter, der kein Leben an das seine binden dürfe:
Er gibt Leonore ihr Wort zurück. Diese, die ihm fünf
Jahre lang treu geblieben, widersteht nun nicht länger
den Bitten eines Freiers und vermählt sich. Mit Leo-
nore schwindet Günthers bester Halt. Vergebens sucht
er aufs neue eine Versöhnung mit seinem Vater, da ihn
 
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