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Reichstag. -<

Ihr naht euch wieder, würdige Gestalten,

Tie man seit letztem Frühling nicht gesehn!

Nun kann es wieder an ein Haarespalten,

Ans liberale Mückenseigen gehn.

An meinem Ohr, du Schalk, hör" ich dich flüstern:
„Sie kehren wieder, srüher, als es hiest —

So militärsromm, so kanonenlüstern,

So kautschuk-biegsam, wie man sie entlieh."

Wie wohl es doch im innersten Gemüthe,

Wie wohl es doch dem Schelm im Herzen thut,
Wenn aus der holden, mystisch-schwarzen Blüthc
Ter Klerisei sein trunknes Auge ruht!

Er weiht euch dankbar eine Freudenthräne,

Ihr Wortverkünder mit dem Heiligenschein,

Denn unentbehrlich sind die Hetzkapläne:

Man schliese ohne sie im Reichstag ein.

Wir streuen euch des Jahres letzte Rosen
Aus eure Pfade, dustig, bunt und dicht;

Der Schweis von „Welsen, Polen und Franzosen",
Den nach ihr schleisen müht — uns stört er nicht.
Wer dächte noch durchmessner grauer Steppen,
Aus denen Staub der Langeweile schwebt,

Wenn salbungsvoll die Exzellenz aus Meppen
Sich für den Herrn der Christenheit erhebt?

Seid uns gegrüstt, ihr Herrn um Richter-Hagen,
Beklommene Erben sadenschein"gen Ruhms.

Ihr werdet sicher einen Streiszug wagen,

Als Don Quixotes des todten Bürgerthums.

Ihr sammelt da und dort versprengte Rester,

Doch nichts gebiert der Berg, als eine Maus:

Ach mit dem schönen Dogma von Manchester,

Das ihr bekennt, ist es aus immer aus.

Ja, einen Psad voll Dornen müht ihr wandeln,

Bott Mannesmuth in Deutschlands hohem Rath
Um einen — „ausgestopften Hauptmann" handeln
Und stolz euch rühmen solcher Heldenthat.

Wer hat auch Muth, zu streiten aus den Wällen,

Ist in der Stadt man ohne Säst und Kraft?

Gilt's, ein Gesetz, das ihr bekämpft, zu fällen,
Fehlt ihr — aus Angst vor eurer Wählerschaft.

Es wird ein Schauspiel ohne Gleichen geben,

Wenn das sich nochmals an die Arbeit macht!

Nicht allzu lange mehr hat man zu leben —

Kurz ist der Tag und Niemand wirkt bei Nacht.

Und nicht zu wenig wird man aus ihn packen,

Ob es ihn nun bekümmert oder labt,

Und harte Nüsse giebt man ihm zu knacken,

Dem besten Reichstag, den man je gehabt.

Für Kolonie"« war man in schönen Tagen —

Nun ist der Rausch verflogen und verraucht,

Doch darf die Heidensummen man versagen,

Tie Wistmann zur Kulturverbreitung braucht?

Man hat ein Haar in dem Gesetz gesunden,

In dem den Strick man sür die Rothen spann —
Doch soll man Widerspänstigkeit bekunden,

Wenn Er erklärt, dast Er"s nicht missen kann?

So wird man denn, ob auch mit schwerem Herzen,
Den Kelch ergreifen, den man oft geleert,

So wird man denn, wenn auch in stummen Schmerzen,
Ihm Alles zugestehn, was Er begehrt.

Und sieht man s o des Bolkes Recht bewachen
Und so erstreben der Gedrückten Heil —

Man müstte weinen, könnte man nicht lachen,

Und lachen, mein" ich, ist das bess"re Theil!
 
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