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Nr. 112

Preis pro Nummer I« Pf.

1890.

Erscheint monatlich zweimal.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Kolporteure, sowie durch die Post (eingetragen unter Nr 6826 a).

Die letzte Hoffnung nun verblich
In diesen trüben Zeiten,

Die Hoffnung, daß in Halle sich
Die Rothen arg entzweiten.

Die „Alten", die kein Hemd bisher
Im offnen Lampf bezwungen
Erliegen sollten sie nunmehr
Dem Ungestüm der „Jungen".

Doch die Partei war nicht gesinnt,
Iich selber aufzureiben,

Lie bleibt die alle immer nur.
Um immer jung zu bleiben.

Nach dem Kongreß.

In strenger Haft habt ihr den Aar gehalten,

Der lang gewöhnt an freie Sonnenstiche
Und der auf federn seiner Sirgeszüge
Die Wolkenwände stügelstarb gespalten.

Ihn, der gewöhnt, auf ungehemmten Krisen
Das Reich der Lüfte saufend zu durchmrffrn
Und stundenlang im rw'gerr Blauzu Kreisen,
Zwangt ihr, ans Gitter seinen Kopfzu pressen.

Er war rin Bild des Kummers und der Trauer;
Im königlichen Blick die stumme Klage,
Verträumte brütend er die langen Tage
Und griff ans Her; deur kältesten Beschauer.
Kein Laut entrang stch der gepreßten Kehle,
Doch war dem stolzen Dulder anzusrhrn»

Daß ihm der Freiheit reiner Odem fehle
Und daß er schweigend werde untergehen.

Doch las man deutlich auch in feinen Augen,
Daß aller Gram der Jahre und der Wochen
Den Trotz und Stolz der Seele nicht gebrochen
Und daß zum Sklaven nie er werde taugen.

Ihr habt versucht, mit ausgewähltrn Brocken
Den Grollenden, der finster da geseffen.

Zu euch herüber allgemach zu locken,

Doch hat er niemals aus der Hand gefreffen.

Gefangenschaft macht kirre zwar gewöhnlich.
Doch sucht umsonst ihr aus dem Adlrrherzen
Den Durst nach Freiheit listig auszumrrzen —
Untröstlich bleibt er stets und unversöhnlich.

Ihr bändigt nie sein inn'res Widerstreben,

Ob ihr ihn schlagen mögt, ob ihr ihm lchmrichelt;
Den Raub der Freiheit kann er nicht vergeben
Und hackt nach eurer Hand, ioenn ihr ihn streichelt.

Nun ist er frei nach langem Harren wieder;
Halb zweifelnd noch, ob er zur Freiheit führe,
Betritt den Weg er durch des Käfigs Thüre
Und bläht im Hauch des Nordwinds fein Gefieder.
Er schreitet aus, als ob auf feinen: Sitze
Er lahm geivorden und das Gehen lerne;

Aus halb erlofch'nrm Auge zucken Blitze
Und forschend späht er in die Höh' und Ferne.

Nur ein Erinnern blieb aus alten Tagen
Und will verwirren ihn und übermannrn;

Dir Schwingen ivill, wir ehedem, er spannen,
Doch matt und ungelenk noch ist ihr Schlagen.
Durch alle Poren Hauch der Freiheit witternd.
Verzehrt von wildem, fieberndem Verlangen
So fammelt sich, in jeder Fiber zitternd,

Zum ersten Flug der Adler» der gefangen.

Kennt ihr ihn iviedrr noch, den stummen» trägen'?
Mit einem Mal hat er dir Kraft gefunden
Und fich den: Bann des Sklaventhums entwunden
Mit nervigen, gewalt'grn Flügrlschlägenl
Er schießt empor, rin Pfeil, geschnellt vom Bogen»
Er schwimmt im Blau mit Fittichen von Eisen
Und hat bereits den Blicken stch entzogen
In immer rngern regelrechten Kreisen.

Nur einen Schrei habt ihr von ihm vernommen —
Den Schrei der Freiheit, hell und fitzarfund klingend,
Bevor, fich hoch und immer höher schwingend,
Als Punkt im Blau allrnälig er verschwommen.
Und wer den Schrei gehört, den Flug gesehen,
Wird keinen Aar durch's Sklavrnjoch mehr zerren;
Däfern er iorife, hat er ringrsehen,

Daß Thorhrit es, die Adler einzusprrren.

er. u.
 
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