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Nr. 123.

Preis pro Nummer 1© Pf.

1891.

Erscheint monatlich zweimal.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Kolporteure, sowie durch die Post (eingetragen unter Nr. 6491).

Blitzdrahtmeldungen.

Berlin. Die Ultramontanen haben Aussicht, aus ihrer Verlegen-
heit um einen Führer befreit zu werden. Fürst Bismarck hat sich
nämlich über den Lauf der Dinge schon so völlig schwarz geärgert,
daß er die Führung der Schwarzen recht gut übernehmen kann.

Hamburg. Die Hamburger Tabakfabrikanten haben zu ihrem
Sieg über das reichsgesetzliche Koalitionsrecht aus Afrika vom König
von Dahomey eine Anerkennungsdepesche erhalten. Der besagte König
freut sich, daß die bei ihm übliche radikale Durchführung des absolutisti-

schen Herrscherprinzips auch in der deutschen Tabakindustrie eingeführt
wird.

München. Gegen die Nonnen-Gefahr werden in verschiedenen
bayrischen Gemeinden Gebete veranstaltet. Besonders vorsichtige Ge-
meinden schließen in das Gebet gegen die Nonnen auch die Mönche
und den gesammten übrigen Clerus ein.

Paris. Heinrich Heine hat sich, als er hörte, daß sein Weber-
lied in Deutschland noch heute als strafbar befunden wird, vor Ver-
wunderung im Grabe umgedreht.

Der neue LmK.

Was auch der Mann im Sachfenwald mag sagen -
Es geht doch vorwärts in der neuen Zeit.

Die jetzt regieren — nennt ihr sie geschlagen
Etwa mit Trägheit, mit Unfruchtbarkeit?

Ist nicht der grösste Theil von ihren Tagen
Gesetzentwürfen jeder Art geweiht?

Und eine Lüge ist's, — bei meiner Seele! —
Datz der „verbindende Gedanke" fehle.

Ob ste nun ein Patentgefetz verlangen
Zu Schutz und Schirm für jegliches Genie,

Ob ste auf andre Branntweinsteuer drangen,

Im Hinblick auf die Schnaps-Epidemie,

Ob man durch Paragraphen sucht zu sangen
Die Kellrrkünstlrr in der Wein-Chemie —

Das Handwerk sucht aus allen diesen Wegen
Doch nur den — Volksversührern man zu legen.

Ob man dir Zuckrrsteuer resormire,

Wennschon dir Meute der Agrarier bellt.

Ob jedem der Herrn Unteroffiziere
Man mild in Aussicht eine Prämie stellt —
Zweck ist, datz sich das Volk emanzipire
Und sich zu den Verführten nicht gesellt.

Es schirmt sogar dir Schlacht- und Aussallsstottr
In letzter Linie uns — vor Bebels Rotte.

Ob jeden Zwist mit England klug man schlichtet
Durch den Erwerb der Insel Helgoland,

Ob eine deutsche Truppe man errichtet
Aus schwarzem Volk am afrikanischen Strand,
Ob man durch Pump sich finanziell verpflichtet
Für Kamerun und ob als Unterpfand
Man den Ertrag der Zölle Angeboten —

Der Abwehr gilt es wider unsre Rothen.

Datz international fortan geregelt
Der Frachtverkrhr auf allen Bahnen sei;

Datz ungestört der biedre Deutsche segelt
Und dampft in jeden Hafen der Türkei,

Und datz der Türke mit dem Deutschen kegelt
Und einen Anlauf nimmt zur Kneiperei —

Man spielt, wenn die Verträge abgeschlossen,
Dem Wilhelm Liebknecht einen bösen Possen.

Gewiss, die Herren sind profunde Denker
Von freiem, klarem, unbeirrtem Geist.

Das ist es ja, wofür die Staatrnlrnker
Am Höchsten man in unfern Tagen preist»

Wenn er des Volksgemüths frivolem Henker
Das Handwerk legt und ihm die Zähne weist.
Hier macht der Staatsmann feine grossen Treffer,
Hier liegt der Hasse eigentlich im Pfeffer.

Der Staatsmann braucht des weiten Blickes Gabe,
Wenn wieder er Gesetzentwürfe schreibt,

Damit er ab den Volksbet Hörern grabe
Das Waffer all, das ihre Mühlen treibt;

Damit man einst an feinem stillen Grabe
Mit Fug und Recht bei diesem Lobe bleibt:

„Bei seinem Tod war Jedermann zufrieden
Und froh des Loses, das ihm Gott befchiedrn."

Ist es erlaubt vielleicht, datz man bescheiden
In dieser Hinsicht einen Vorschlag macht?

Man weitz, es wird nur an des Volkes Leiden
Und ihre Lindrung in Berlin gedacht —

Hier könnte man den Lebensnerv durchfchneiden
Der Hetzerei, die so viel Hatz entfacht.

In dem Gesetz — der Kornzoll ist sein Titel —
Liegt das patenteste der Abwehrmittel!

R. L.
 
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