I»7»
n. , Berlin, zu Neujahr.
Lieber Jacob!
Nanu aber mal prost, uu noch mal prost an mit jedämpfter Stimme
noch mal prost! Ach so, hier iS Keeuer, der mir beert. Aber iveeßte,
Jacob, ick frei mir doch immer, wenn wieder so'n Jähreken rum is.
Hab' man noch kecne Bange, dct ick Dir vielleicht mit eenen Rickblick uff
die Verjangenheit bejlickcn werde, bet fallt mir in’it Jeringsten nich in.
Nee, ivenn ick so an den Sylvesterabend ruhig in meine Ofeneckc
sitze, nn puste mir meinen steifen Jrogk kalt, denn sehe ick ain liebsten
'n bisken in de Zukunft. Wat kann Dir nich Alles in so'n neiet Jahr
passiren! Jott, wenn man davon jetzt schon 'ne Ahnung hätte! Aber dazu
jehört mindestens 'ne janz außerjewöhnliche Schlauheit, so wie se zum
Beispiel Eugen Richter besitzt, denn der kann durch een eichenet Brett
sehen, wenn een Loch drin is. Aber wat meenste denn eijentlich woll
zu den Plan, den ick vor bet neie Jahr vorhabe?
Et is in det verjangene Jahr Mode jewesen, det sich hochjeborene Leite
mang dct jewehnliche Volk jemischt haben, det se da sojenannte Studien
verübten un det se denn ihre Erlebnisse in mächtig jelehrte Biecher ver-
öffentlichten. So jicbt et een Buch, „drei Monat Fabrikarbeeter," „S'/a Monat
Fabrikarbeiterin," un een Kandidat der Theologie soll sojar, wie er als
dufter Kunde eenen Spazierjang durch die jesegnete Jesilde von unser
jeliebtet Vaterland machte, eenen Gensdarmen in de Finger jeloofen sein.
Sehstc, lieber Jacob, jerade diese Vorkommnisse jeben mir an den dies-
maligen Sylvester eenen lichtvollen Jedanken in.
Wat meenste also dazu, wenn ick zum Beispiel mal drei Monate
Millionär wirde? Oder hältst De mehr davon, wenn ick drei Monate
Nejieriingspräsident, oder Jeneral, oder Minister, oder Ritterjutsbesitzek,
oder Börseaner, oder jar nationalliberaler Fabrikant wirde? Zn welchen
Stand rathst Du mir janz ufsrichtig? Jloobst Du, dct ick stark jenug
bin, um die Strapazen von sonne Stellung drei Monate lang auszu-
halten? Erstens nämlich von wejen die Dinehs, denn von wejen die
unjewohnten Jetränke, denn von wejen det Rumschwuchten, denn von
wejen een Paar andere Sachen, die ick Dir aber blos in't Ohr flistern kann.
Ick erbitte Drahtantwort, wat Du von meinen Plan hältst.
Also, ivie De siehst, lieber Jacob, habe ick in dct neie Jahr eenen
j nizen Posten Arbeet vor mir. Aber nu nimm Dein vollct Jlas, un stoß
un mal mit mir aus vollen Herzensjrunde uff een verjniegtet, frohet, !
neiet Jahr vor uns nn alle untre Freinde, Leser un Jenossen an, mit welchen
Wunsch nn noch een besonderet „Prost Neujahr" ick verbleibe wie immer
erjebenst nn mit ville Jrieße Dein treier Jgtthilf Nnucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Wir schreiten fort, -sv«-
in Jahr ist wiederum entflohen ! Wir streuten aus mit vollen tzänden
Und scharf bläst noch der rauhe Nord. Der Wahrheit Saat in Schrift und Wort,
wann wird sich wind und Wetter wenden? ! wie lange wohl noch soll es währen,
wann wird des Volkes Llend. enden? — j Bis daß wir ernten goldne Behren? —
Der Wächter ruft: wir schreiten fort! > Der Wächter sagt: wi.r schreiten fort!
wie viele Iahre schon wir steuern So auf des jungen Jahres wiege
Nach dem verheiß'nen schön'ren Port. ! Soll glänzen dieses Losungswort,
wie flott auch unser Niel geflogen, > wie auf des alten Lodtenbahre:
Die ßlulhen feindlich uns umwogen! — j wir schritten fort im alten Iahre
Derwächterspricht:wirschreitensort! ! Und schreiten auch im neuen fort. *
Hobelspähne.
Der Weihnachtscngel ist entwichen
Doch tröstet Euch, es ist noch da
Der alte wohlbekannte Engel
Der Polizei von Altona.
Mit Schneefall und mit Regen
Der Winter herrscht bereits,
Es regnet Prcßprozesse,
Und Steuerzettel schneit's.
Die Interpellation im Reichstage über das
Schießen der Wachtposten ist ziemlich erfolglos geblieben, man muß also
dcni Reichstage rathen, dem Kriegsminister Gleiches mit Gleichem zu ver-
gelten. Wenn bei der Etatsberathung der Posten des Kriegs-
minister-Gehaltes vorliegt, soll man diesen Posten so lange schießen
lassen, bis die Posten der Armee nicht mehr schießen.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
er — war Kassirer. Drum erschien er heute bleich
und ruhelos. Sie aber spielte in seinem lockigen
Haar und diktirte ihm ihren Wunschzettel. Der
Bleistift auf dem Smyrnateppich kam ihm gelegen.
Er hob mich ans und schrieb: Durchbrochene, bunt-
seidene Strümpfe, drei Dutzend, eine Mantille,
ein Pronienadenkleid von Gerson rc. Mechanisch
schob er mich in die Westentasche und fuhr davon.
„Unverletzlich sei das Eigenthum," brummte
das Brecheisen.
„Sie sollen zum Chef kommen, ins Privat-
bureau," sagte am andern Tage trocken der Bank-
diener zum Kassirer. Der wurde todtenblaß und
öwg. In nervöser Erregung lief der Bankier
P>f und ab, trommelte an die Fensterscheibe und
überlegte. Eine unvermuthete Revision hatte
Ilnterschleif fcstgestellt, der Betrag >var nicht be-
sonders hoch, aber die Geschichte war peinlich.
Man muß sie vertuschen, der Konkurrenz wegen.
„Gewiß Franenzimmergeschichten," murrte er. Er
wandte sich z„>n Kassirer: „Sie wissen, weshalb
ich Sie rufen ließ. Leugnen ist unnütz. Ich
>vill genau wissen, wie viel Sie unterschlagen
haben. Gestehen Sie rückhaltslos. Vielleicht
werde ich dann die Anzeige unterlassen und Sie
"ur fortschicken. Stellen Sie ein vorläufiges
Verzeichniß der entwendeten Papiere auf!" be-
>ahl der Chef. Zitternd langt der Kassirer in
le Tasche, reißt ein Blatt aus seiner Schrcib-
nimmt mich in die bebenden Finger.
'l1 Bankier wirft einen einzigen scharfen Blick
kfn ^ erkennt mich; die beiden Männer
dai-'^" ^ nn' haßerfüllt, und der Kassirer weiß,
: , ""Mren ist. Er sitzt seit gestern Abenk
kam Untersuchungsgefängniß, und ich
f B den Akten und den anderen bei ihm ge-
fundenen Gegenständen hierher."
" Bu, Pst," rief plötzlich ein Dietrich, „es kommt
jemand." Die Thür zur Registratur öffnete sich,
im Nebenzimmer saß der llntersuchungsrichter
und rief dem Gerichtsdiener zu: „Müller, der
Arrestant auf Zelle 16 (Unterschlagung), der gestern
eingeliefert wurde, hat sich Nachts mit seinem
Schnupftuch am Zellengitter aufgeknüpft. Bringen
Sie mir die Akten und das Uebrige. Die ihm
abgenommenen Sachen sind dem Beschädigten zur
Verfügung zu stellen. Dann gehen Sie hinüber
zu Becker und holen mir eine Flasche Gelbgesiegelten
und ein Gulasch, aber nicht zu sehr gepfeffert."
Müller schlüpfte in die Registratur, wo Todten-
stille herrschte. Er nahm das Aktenbündel und
knurrte: „Das kommt davon, wenn man keine
Religion hat." Im Uebrigen trank er zwei Strippen
zu einer kleinen Weißen und roch nach Fusel.
Als er über den Korridor schlenderte, das
j Faszikel lose unterm Arm, schlüpfte der Bleistift
heraus, leise und unbemerkt. Niemand dachte an
| ihn. Seitdem blieb der Bleistift verschollen, g&g
Zwei Fronten.
A>: Caprivi hat ganz Recht — das deutsche
Volk wird von zwei Seiten her in seiner
Existenz bedroht und muß sich in zwei Fron-
ten vcrtheidigcn.
B.: Wie so?
A.: Es wird einerseits von der Bourgeoisie,
- anderseits von derStcuergesetzgebungbis zum
Ruin ausgebeutet. _ _
Der Teufel.
A. : Was halten Sie von Teufels-Atistreib-
! urigen ? Glauben Sie an die Existenz des Teufels?
B. : Gewiß; denn wenn cs keinen Teufel
! gäbe, wer hätte dann den deutschen National-
wohlstand geholt?
Loyaler Mansch.
Bureauvorsteher: Was ist denn das mit
Ihnen, Herr Kriechling — seit Kurzen! sind Sie
den ganzen Tag nicht mehr nüchtern?
Kriechling: Das ist kein Wunder! Die
Sozialdemokraten haben einen Bier-Boykott
in hiesiger Stadt ausgeschrieben, nnd um nicht in
Verdacht zu kommen, daß ich an dieser Aktion
theilnehme, trinke ich jeden Tag z w ö l f L i t er B i e r.
Tafelgespräch.
Dame: Ach, Herr Wamperl, Sie haben wohl
wenig Sinn für das Schöne?
Wamperl: O doch! Ich ffeue mich immer
von Herzen, wenn ich a schönes Schweins-
haxe l derwisch.
WoMciungm aus das Zaßr 1893.
Geheimrath Koch entdeckt den Dummheitsbazillus »nd
erfindet ein Präparat gegen denselben. Große Bestürzung bei
den Ultramontanen.
In Hamburg läßt der Senat an Stelle der choleragefähr-
lichen Wasserleitung eine Bairische Bierleitnng errichten.
In Sachsen wird das Nasenbluten aus öffentlichen Plätzen
oerboten wegen Ausreizung zum Umsturz. Ein Fräulein wird
aus der Briihl'sche» Terrasse zu Dresden schamroth und des-
wegen arretirt.
Im Wupperthal erscheint ein neues Tagblatt „Der Dresch-
flegel," Organ für geistige Bekämpfung der Sozialdemokratie.
Cyesredakteur Pastor Jskraut.
Vereinzelte Fälle non Bismarchitis am l. April. Erneuter
und heftigerer Ausbruch in den Hundstagen. Ersolgreiche
Behandlung derselbe» mit kalten Douchen. Max Bewer, Hans
Blum und Maximilian Harden werde» als geheilt entlassen.
Der Papst sendet den, Grenadier Liick die Tugendrose.
Großer Versöhnungskommers zwischen Regierung »nd Zentrum,
aus welchem Baare »nd FuSangel Bruderschaft trinken.
Die „Gesellschaft für ethische Kultur" erläßt ein Preis,
ausschreiben über „Die Ethik im lg. Jahrhundert," mit beson-
I derer Berücksichtigung gefälschter Depeschen und Schienenstempel.
n. , Berlin, zu Neujahr.
Lieber Jacob!
Nanu aber mal prost, uu noch mal prost an mit jedämpfter Stimme
noch mal prost! Ach so, hier iS Keeuer, der mir beert. Aber iveeßte,
Jacob, ick frei mir doch immer, wenn wieder so'n Jähreken rum is.
Hab' man noch kecne Bange, dct ick Dir vielleicht mit eenen Rickblick uff
die Verjangenheit bejlickcn werde, bet fallt mir in’it Jeringsten nich in.
Nee, ivenn ick so an den Sylvesterabend ruhig in meine Ofeneckc
sitze, nn puste mir meinen steifen Jrogk kalt, denn sehe ick ain liebsten
'n bisken in de Zukunft. Wat kann Dir nich Alles in so'n neiet Jahr
passiren! Jott, wenn man davon jetzt schon 'ne Ahnung hätte! Aber dazu
jehört mindestens 'ne janz außerjewöhnliche Schlauheit, so wie se zum
Beispiel Eugen Richter besitzt, denn der kann durch een eichenet Brett
sehen, wenn een Loch drin is. Aber wat meenste denn eijentlich woll
zu den Plan, den ick vor bet neie Jahr vorhabe?
Et is in det verjangene Jahr Mode jewesen, det sich hochjeborene Leite
mang dct jewehnliche Volk jemischt haben, det se da sojenannte Studien
verübten un det se denn ihre Erlebnisse in mächtig jelehrte Biecher ver-
öffentlichten. So jicbt et een Buch, „drei Monat Fabrikarbeeter," „S'/a Monat
Fabrikarbeiterin," un een Kandidat der Theologie soll sojar, wie er als
dufter Kunde eenen Spazierjang durch die jesegnete Jesilde von unser
jeliebtet Vaterland machte, eenen Gensdarmen in de Finger jeloofen sein.
Sehstc, lieber Jacob, jerade diese Vorkommnisse jeben mir an den dies-
maligen Sylvester eenen lichtvollen Jedanken in.
Wat meenste also dazu, wenn ick zum Beispiel mal drei Monate
Millionär wirde? Oder hältst De mehr davon, wenn ick drei Monate
Nejieriingspräsident, oder Jeneral, oder Minister, oder Ritterjutsbesitzek,
oder Börseaner, oder jar nationalliberaler Fabrikant wirde? Zn welchen
Stand rathst Du mir janz ufsrichtig? Jloobst Du, dct ick stark jenug
bin, um die Strapazen von sonne Stellung drei Monate lang auszu-
halten? Erstens nämlich von wejen die Dinehs, denn von wejen die
unjewohnten Jetränke, denn von wejen det Rumschwuchten, denn von
wejen een Paar andere Sachen, die ick Dir aber blos in't Ohr flistern kann.
Ick erbitte Drahtantwort, wat Du von meinen Plan hältst.
Also, ivie De siehst, lieber Jacob, habe ick in dct neie Jahr eenen
j nizen Posten Arbeet vor mir. Aber nu nimm Dein vollct Jlas, un stoß
un mal mit mir aus vollen Herzensjrunde uff een verjniegtet, frohet, !
neiet Jahr vor uns nn alle untre Freinde, Leser un Jenossen an, mit welchen
Wunsch nn noch een besonderet „Prost Neujahr" ick verbleibe wie immer
erjebenst nn mit ville Jrieße Dein treier Jgtthilf Nnucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Wir schreiten fort, -sv«-
in Jahr ist wiederum entflohen ! Wir streuten aus mit vollen tzänden
Und scharf bläst noch der rauhe Nord. Der Wahrheit Saat in Schrift und Wort,
wann wird sich wind und Wetter wenden? ! wie lange wohl noch soll es währen,
wann wird des Volkes Llend. enden? — j Bis daß wir ernten goldne Behren? —
Der Wächter ruft: wir schreiten fort! > Der Wächter sagt: wi.r schreiten fort!
wie viele Iahre schon wir steuern So auf des jungen Jahres wiege
Nach dem verheiß'nen schön'ren Port. ! Soll glänzen dieses Losungswort,
wie flott auch unser Niel geflogen, > wie auf des alten Lodtenbahre:
Die ßlulhen feindlich uns umwogen! — j wir schritten fort im alten Iahre
Derwächterspricht:wirschreitensort! ! Und schreiten auch im neuen fort. *
Hobelspähne.
Der Weihnachtscngel ist entwichen
Doch tröstet Euch, es ist noch da
Der alte wohlbekannte Engel
Der Polizei von Altona.
Mit Schneefall und mit Regen
Der Winter herrscht bereits,
Es regnet Prcßprozesse,
Und Steuerzettel schneit's.
Die Interpellation im Reichstage über das
Schießen der Wachtposten ist ziemlich erfolglos geblieben, man muß also
dcni Reichstage rathen, dem Kriegsminister Gleiches mit Gleichem zu ver-
gelten. Wenn bei der Etatsberathung der Posten des Kriegs-
minister-Gehaltes vorliegt, soll man diesen Posten so lange schießen
lassen, bis die Posten der Armee nicht mehr schießen.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
er — war Kassirer. Drum erschien er heute bleich
und ruhelos. Sie aber spielte in seinem lockigen
Haar und diktirte ihm ihren Wunschzettel. Der
Bleistift auf dem Smyrnateppich kam ihm gelegen.
Er hob mich ans und schrieb: Durchbrochene, bunt-
seidene Strümpfe, drei Dutzend, eine Mantille,
ein Pronienadenkleid von Gerson rc. Mechanisch
schob er mich in die Westentasche und fuhr davon.
„Unverletzlich sei das Eigenthum," brummte
das Brecheisen.
„Sie sollen zum Chef kommen, ins Privat-
bureau," sagte am andern Tage trocken der Bank-
diener zum Kassirer. Der wurde todtenblaß und
öwg. In nervöser Erregung lief der Bankier
P>f und ab, trommelte an die Fensterscheibe und
überlegte. Eine unvermuthete Revision hatte
Ilnterschleif fcstgestellt, der Betrag >var nicht be-
sonders hoch, aber die Geschichte war peinlich.
Man muß sie vertuschen, der Konkurrenz wegen.
„Gewiß Franenzimmergeschichten," murrte er. Er
wandte sich z„>n Kassirer: „Sie wissen, weshalb
ich Sie rufen ließ. Leugnen ist unnütz. Ich
>vill genau wissen, wie viel Sie unterschlagen
haben. Gestehen Sie rückhaltslos. Vielleicht
werde ich dann die Anzeige unterlassen und Sie
"ur fortschicken. Stellen Sie ein vorläufiges
Verzeichniß der entwendeten Papiere auf!" be-
>ahl der Chef. Zitternd langt der Kassirer in
le Tasche, reißt ein Blatt aus seiner Schrcib-
nimmt mich in die bebenden Finger.
'l1 Bankier wirft einen einzigen scharfen Blick
kfn ^ erkennt mich; die beiden Männer
dai-'^" ^ nn' haßerfüllt, und der Kassirer weiß,
: , ""Mren ist. Er sitzt seit gestern Abenk
kam Untersuchungsgefängniß, und ich
f B den Akten und den anderen bei ihm ge-
fundenen Gegenständen hierher."
" Bu, Pst," rief plötzlich ein Dietrich, „es kommt
jemand." Die Thür zur Registratur öffnete sich,
im Nebenzimmer saß der llntersuchungsrichter
und rief dem Gerichtsdiener zu: „Müller, der
Arrestant auf Zelle 16 (Unterschlagung), der gestern
eingeliefert wurde, hat sich Nachts mit seinem
Schnupftuch am Zellengitter aufgeknüpft. Bringen
Sie mir die Akten und das Uebrige. Die ihm
abgenommenen Sachen sind dem Beschädigten zur
Verfügung zu stellen. Dann gehen Sie hinüber
zu Becker und holen mir eine Flasche Gelbgesiegelten
und ein Gulasch, aber nicht zu sehr gepfeffert."
Müller schlüpfte in die Registratur, wo Todten-
stille herrschte. Er nahm das Aktenbündel und
knurrte: „Das kommt davon, wenn man keine
Religion hat." Im Uebrigen trank er zwei Strippen
zu einer kleinen Weißen und roch nach Fusel.
Als er über den Korridor schlenderte, das
j Faszikel lose unterm Arm, schlüpfte der Bleistift
heraus, leise und unbemerkt. Niemand dachte an
| ihn. Seitdem blieb der Bleistift verschollen, g&g
Zwei Fronten.
A>: Caprivi hat ganz Recht — das deutsche
Volk wird von zwei Seiten her in seiner
Existenz bedroht und muß sich in zwei Fron-
ten vcrtheidigcn.
B.: Wie so?
A.: Es wird einerseits von der Bourgeoisie,
- anderseits von derStcuergesetzgebungbis zum
Ruin ausgebeutet. _ _
Der Teufel.
A. : Was halten Sie von Teufels-Atistreib-
! urigen ? Glauben Sie an die Existenz des Teufels?
B. : Gewiß; denn wenn cs keinen Teufel
! gäbe, wer hätte dann den deutschen National-
wohlstand geholt?
Loyaler Mansch.
Bureauvorsteher: Was ist denn das mit
Ihnen, Herr Kriechling — seit Kurzen! sind Sie
den ganzen Tag nicht mehr nüchtern?
Kriechling: Das ist kein Wunder! Die
Sozialdemokraten haben einen Bier-Boykott
in hiesiger Stadt ausgeschrieben, nnd um nicht in
Verdacht zu kommen, daß ich an dieser Aktion
theilnehme, trinke ich jeden Tag z w ö l f L i t er B i e r.
Tafelgespräch.
Dame: Ach, Herr Wamperl, Sie haben wohl
wenig Sinn für das Schöne?
Wamperl: O doch! Ich ffeue mich immer
von Herzen, wenn ich a schönes Schweins-
haxe l derwisch.
WoMciungm aus das Zaßr 1893.
Geheimrath Koch entdeckt den Dummheitsbazillus »nd
erfindet ein Präparat gegen denselben. Große Bestürzung bei
den Ultramontanen.
In Hamburg läßt der Senat an Stelle der choleragefähr-
lichen Wasserleitung eine Bairische Bierleitnng errichten.
In Sachsen wird das Nasenbluten aus öffentlichen Plätzen
oerboten wegen Ausreizung zum Umsturz. Ein Fräulein wird
aus der Briihl'sche» Terrasse zu Dresden schamroth und des-
wegen arretirt.
Im Wupperthal erscheint ein neues Tagblatt „Der Dresch-
flegel," Organ für geistige Bekämpfung der Sozialdemokratie.
Cyesredakteur Pastor Jskraut.
Vereinzelte Fälle non Bismarchitis am l. April. Erneuter
und heftigerer Ausbruch in den Hundstagen. Ersolgreiche
Behandlung derselbe» mit kalten Douchen. Max Bewer, Hans
Blum und Maximilian Harden werde» als geheilt entlassen.
Der Papst sendet den, Grenadier Liick die Tugendrose.
Großer Versöhnungskommers zwischen Regierung »nd Zentrum,
aus welchem Baare »nd FuSangel Bruderschaft trinken.
Die „Gesellschaft für ethische Kultur" erläßt ein Preis,
ausschreiben über „Die Ethik im lg. Jahrhundert," mit beson-
I derer Berücksichtigung gefälschter Depeschen und Schienenstempel.