1383
Heber die Zugbrücke des Stadtgrabens trieb
Wolf sein Ochsengespann, das beladen war
mit Korn, Obst und Wolle.
Der thörichte Wolf war derselbe, das sah er, und doch fühlte
er, daß er verwandelt, daß er ein anderer geworden. Nicht mehr
fällte er im Eichenhain zur mitternächtigen Stunde, wenn der Voll-
mond den Drudenstein beglänzte, das wiehernde Roß den alten
Göttern, er, der leibeigene Kriegsgefangene, zu willenlosem Ge-
horsam dem Sieger verstrickt, der ihn als Antheil der Kriegsbeute
empfangen. Neue Götter waren ins Land gekommen, Männer in
braunen Kutten, Stricke um die Hüften, einen Rosenkranz an der
Seite, hatten sie gebracht. Zum Gekreuzigten betete er.
Doch schwer drückten auf ihn wie einst
des Dienstes Bürden und Lasten. Nur daß
der Herr auf geschriebene Urkunden, auf
Weisthümer und Pergamente sich stützte,
und daß auch Wolf gemessene Dienste zu
leisten hatte. Hart und vielfältig waren sie,
was jedoch darüber hinausging, deß durfte
er sich weigern, wenn er es vermochte.
Aber der Grundherr war der Stärkere, und
beliebte es ihm, ihm mehr als sich gebührte
aufzuerlegen, wer konnte es hindern?
Zwischen Hörigen und Herrn gab es
leinen andern Richter, so hieß es, als Gott,
jenen Gott, der an das Kreuz geschlagen
worden war und der trotzdem über Völker
und Könige und Kaiser herrschte. So sagten
bie Priester.
Langsam fraß der Ingrimm in Wolf's
Brust, er ballte die Faust gegen die Burg
und schwieg.
dem Kloster und Ritter jetzt schier Alles nahmen.
Und Druck erzeugt Gegendruck. Der Strom des
Geistes der Wahrheit ging vorwärts und Bürger
und Bauersmann wurden davon ergriffen. Die
Idee der Mündigkeit und Selbständigkeit der
Völker war nicht mehr hintanzuhalten und
gleich einem Vulkan brach es aus mit dem Rufe
nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.
Die Herrschenden dachten anders. Wenn
die Bauern frei werden, wer soll dann Korn
und Wein bauen, wovon sollen Ritter und Abt
leben? Der Bauer war ihnen hörig, so wollte
es die Ordnung seit Menschengedenken, so müsse
es bleiben. Und als die Bauern mit ihren vier-
zehn Artikeln kommen, die sie aus der Bibel be-
weisen konnten, da ertönt ein Schrei der Ent-
rüstung und der Kampf beginnt.
Von den Bergen, aus den Thälern zogen
die Bauern, mit Spießen und Stangen- mit
Morgenstern und Axt. Dröhnend stürmte die
Glocke, Feuerzeichen flammten auf den Gipfeln
der Berge. Dichter schloß sich der Helle Hause, mit
munterem Ton ihnen voran Jäcklin Rohrbach,
den Rittern den Kehraus ausspieleud. Von
Schloß zu Schloß flog der rothe Hahn, in
Trümmer sank manch stolzer Bau, und die
Herren mußten den Bauern in die Speere
laufen. Mitten unter den Aufständischen Wolf,
die Pike so sicher führend wie sonst die Egge,
lieber ihnen flog das Panier, der Bundschuh.
Dann kam das Ende, ein Meer von Bauern-
blut, Schnellgalgen und Richtbeil, Rad und
Scheiterhaufen. Schiver nrußteli die Bauern büßen für ihren
Glauben, daß die schöne Welt auch für sie da sei. Und in dem
dreißigjährigen Morden zwischen Päpstlichen und Lutherischen ging
vollends Alles verloren, ivas noch an Freiheitsgedanken beim Bauern
vorhanden war.
Geduldig beugt auch der thörichte Wolf seinen Nacken; nur
selten erinnert er sich daran, daß er einstmal wehrhaft war und
dem Herrn keck in die Augen blickte.
„Wandle weiter," raunte die Alte.
Ein Unglauben war über das Volk ge-
ommen. Wanderprediger kamen auf die
Dörfer und predigten von neuen Rechten,
non einer neuen Auslegung des Evan-
geliums. das keine Herren und keine Knechte
annte. Frei sollte der Bauersmann sein.
Dann kam das Ende.
Heber die Zugbrücke des Stadtgrabens trieb
Wolf sein Ochsengespann, das beladen war
mit Korn, Obst und Wolle.
Der thörichte Wolf war derselbe, das sah er, und doch fühlte
er, daß er verwandelt, daß er ein anderer geworden. Nicht mehr
fällte er im Eichenhain zur mitternächtigen Stunde, wenn der Voll-
mond den Drudenstein beglänzte, das wiehernde Roß den alten
Göttern, er, der leibeigene Kriegsgefangene, zu willenlosem Ge-
horsam dem Sieger verstrickt, der ihn als Antheil der Kriegsbeute
empfangen. Neue Götter waren ins Land gekommen, Männer in
braunen Kutten, Stricke um die Hüften, einen Rosenkranz an der
Seite, hatten sie gebracht. Zum Gekreuzigten betete er.
Doch schwer drückten auf ihn wie einst
des Dienstes Bürden und Lasten. Nur daß
der Herr auf geschriebene Urkunden, auf
Weisthümer und Pergamente sich stützte,
und daß auch Wolf gemessene Dienste zu
leisten hatte. Hart und vielfältig waren sie,
was jedoch darüber hinausging, deß durfte
er sich weigern, wenn er es vermochte.
Aber der Grundherr war der Stärkere, und
beliebte es ihm, ihm mehr als sich gebührte
aufzuerlegen, wer konnte es hindern?
Zwischen Hörigen und Herrn gab es
leinen andern Richter, so hieß es, als Gott,
jenen Gott, der an das Kreuz geschlagen
worden war und der trotzdem über Völker
und Könige und Kaiser herrschte. So sagten
bie Priester.
Langsam fraß der Ingrimm in Wolf's
Brust, er ballte die Faust gegen die Burg
und schwieg.
dem Kloster und Ritter jetzt schier Alles nahmen.
Und Druck erzeugt Gegendruck. Der Strom des
Geistes der Wahrheit ging vorwärts und Bürger
und Bauersmann wurden davon ergriffen. Die
Idee der Mündigkeit und Selbständigkeit der
Völker war nicht mehr hintanzuhalten und
gleich einem Vulkan brach es aus mit dem Rufe
nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.
Die Herrschenden dachten anders. Wenn
die Bauern frei werden, wer soll dann Korn
und Wein bauen, wovon sollen Ritter und Abt
leben? Der Bauer war ihnen hörig, so wollte
es die Ordnung seit Menschengedenken, so müsse
es bleiben. Und als die Bauern mit ihren vier-
zehn Artikeln kommen, die sie aus der Bibel be-
weisen konnten, da ertönt ein Schrei der Ent-
rüstung und der Kampf beginnt.
Von den Bergen, aus den Thälern zogen
die Bauern, mit Spießen und Stangen- mit
Morgenstern und Axt. Dröhnend stürmte die
Glocke, Feuerzeichen flammten auf den Gipfeln
der Berge. Dichter schloß sich der Helle Hause, mit
munterem Ton ihnen voran Jäcklin Rohrbach,
den Rittern den Kehraus ausspieleud. Von
Schloß zu Schloß flog der rothe Hahn, in
Trümmer sank manch stolzer Bau, und die
Herren mußten den Bauern in die Speere
laufen. Mitten unter den Aufständischen Wolf,
die Pike so sicher führend wie sonst die Egge,
lieber ihnen flog das Panier, der Bundschuh.
Dann kam das Ende, ein Meer von Bauern-
blut, Schnellgalgen und Richtbeil, Rad und
Scheiterhaufen. Schiver nrußteli die Bauern büßen für ihren
Glauben, daß die schöne Welt auch für sie da sei. Und in dem
dreißigjährigen Morden zwischen Päpstlichen und Lutherischen ging
vollends Alles verloren, ivas noch an Freiheitsgedanken beim Bauern
vorhanden war.
Geduldig beugt auch der thörichte Wolf seinen Nacken; nur
selten erinnert er sich daran, daß er einstmal wehrhaft war und
dem Herrn keck in die Augen blickte.
„Wandle weiter," raunte die Alte.
Ein Unglauben war über das Volk ge-
ommen. Wanderprediger kamen auf die
Dörfer und predigten von neuen Rechten,
non einer neuen Auslegung des Evan-
geliums. das keine Herren und keine Knechte
annte. Frei sollte der Bauersmann sein.
Dann kam das Ende.