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1387

jewickelt, denn bet is der eenzije Punkt, wo ick verwundbar bin. Ick bin
sonst een reenet Lämmchen, weiß wie Schnee, aber ebenso wie der olle
Grieche Achilles et nich verdragen konnte, bet ihm Eener uff de Hacken
hut von wejen seine Achillesferse, so kann ick et durch den Doot nich
verdragen, wenn mir det, ivat ick vor beit rechtlichen Menschen an jcistije
Jetränke jeden Dag vor nothwendig ästimire, verkimmert wird! Wenn
se den Tobak versteiern wollen, so finde ick det hart, aber weeßte, Jacob,
det Roochcn kann sich schließlich schon Eener verkneifen, wenn et ihm
ooch schwer fallt — aber den Menschen de Jetränke verdheiern oder ver-
schlechtern, Jacob, det is 'ne Sinde, um mit de Bibel zu sprechen, die
zuni Hinimel stinkt. Ick habe mir bis jeßt de Rejierung ieberhaupt noch
sarnich mal in meine janzc richtije Berserkcrwuth jezcigt, aber ick sage Dir,
Jacob, — nee de Wehmuth erfaßt mir, ick möchte beinah' meenen! Jloobe
mir, Jacob, mir klukkern beinahe de Thränen ufs det Papier, ivähreud
ick Dir jetzt hier schreibe, wenn ick mir vorstelle, wenn meine rothe Räse,
die ick mit Ehren so hoch wie möglich als een äußeret Zeichen meiner
innersten lleberzeijung mit mir rum drage, wenn ick mir also vorstelle,
det mein Knrsunkelstccn, mein Stolz un meine Zierde so nach un nach
erblassen soll, bis sc schließlich so uichtern un jämmerlich ausseht wie
irjeud een Riechorjan von irjeud eenen ollen ausraujirten Stöckerschen
Kirchendiener, der sich wejen sein jeistlichet Amt nie so richtig Eenen ab-
zubcißen jetraut hat. So'n Schindluder will man mit mir dreiben?
Heilstes Kreiz, Schockschwerenoth »ich noch mal, ick sage Dir, Jacob, mir
packt de Wuth schon iviedcr, un ick hätte wirklich Lust auszuwandern,
wenn ick blos erst mißte wohin?!

Ick ziehe et aui Ende doch vor, als een Opfer unserer steiersiskalischen
Zustände lieber zu sterben, als wie vielleicht als Antialkoholiker een uu-
ivirdijet Dasein zu sichren. Un denn, lieber Jacob, wenn ick denn wie
eene jeknickte Lilie in meinen schecu ausjestatteten Nasenguctscher ruhe,
denn sei ooch so jut un weihe mir eene Thräne, un sage denn wenijstens
die anderen Leidtragenden, det ick in meinen Berus jcstorben bin un det
ick als Dooter noch eenen lebendsten Protest bilde jejen unsere janzeu
heilsten Zustände. Lachende Erben hinterlasse ick weiter nich.

Det, lieber Jacob, is unjesähr det, wat ick ieber de neie Biersteier
denke. JA jloobe in Dir een mitsiehlcndet Herz jesunden zu haben, un
>u diesen Sinne bejrießc ick Dir, indem ick verbleibe erjebenst un mit
v'cke Jrieße Dein kreier Jotthils Nauckc.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.


Hobelspähne.

Jch habe gehobelt so manches Jahr,

Die Spähne rollen und gleiten,
lind dennoch niemals ein Mangel war
An allerlei Unebenheiten.

Da sehet die konservativen Herrn,

Die glatten, die seinen, die nobeln —

Der Ahlwardt als Knoten sitzt mitten drin,
Wer könnte heraus ihn hobeln?

Wenn die Antisemiten konsequent wären,
müßten sie es als eine große patriotische That
preisen, daß die Firma Löwe ihre Judenflinten
an die Franzosen verkaufen und damit die
französische Armee wehrlos machen wollte.

Nach Panama mit Jnt'resse schau'n
Unsere biederen Kapitalisten.

Sic fanden — wie schab'! — keinen Beute-Anthcil,

Sie dürfen dafür sich entrüsten.

Unter die lex Heinze werden auch diejenigen Theaterstücke fallen,
welche sich mit den Sitten der bessersituivten Klassen beschäftigen.

„Die Stunde zum Handeln ist gekommen!" rief der ultra-
montane Rcichsbote, da feilschte und handelte er um die Bewilligung der
Militärvorlage. * *

Vom Teufel besessen im Reichstag
Ist Zentrum und rechter Flügel —

Bei den Junkern kommt er als Ahlwardt,

Beim Zentrum gar bald wohl als Sigl.

Als größten Knalleffekt des Karnevals 1893 bereitet das
Zentrum seinen Uuifall vor, bei welchem es durch einen Purzelbaum aus
dem oppositionellen ins militärfromme Lager fliegen wird.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Dasein, die Leioen und Freuden unserer deut-
schen Arbeiterschaft kennen zu lernen (die Frucht
dieses Studiums war bekanntlich das viel-
besprochene Buch „Drei Monate Fabrikarbeiter"),
so hat es jüngst der Pastor Wangemann von
Bielefeld unternommen, in der Gestalt eines
reisenden Handwcrksburschen Rheinland, West-
falen und Hannover zu durchstreifen in der
Absicht, die Lage der ,armen Reisenden', die
Einrichtung und Wirksamkeit der Verpflegungs-
stationen, die Thätigkeit der Aufsichtsbehörden
gründlich zn erforschen."

»Jetzt geht mir ein Seifensieder auf," unter-
wnch hier der Schuster und der Schreiner be-
tätigte, daß er der Frau von Muckerich, in deren
-daus er vor einigen Monaten öfters Arbeiten
a.uszufiihren hatte, wobei er ihre Schwärmerei
!ur die Pastoren kennen lernte, einen Brief ge-
schrieben habe, worin er ihr die Maskerade des
Pastors Wangemanu berichtete und hinzufügte,
er habe erfahren, der Pastor befinde sich in der
rvr0 r' ^ und so aus und werde wahrschein-
W*' fechten gehen, um zu erfahren, wie die
^ ohlhabeuden die Handwerksburschen behandeln
O?', nr .Frau von Muckerich mar auf des
für lemcr^ f^un gegangen und hielt den Kürschner
Steckt,"' ?a^or' dn der vom Schreiner uütgetheilte

<j5tef vollständig stimmte,
zog dre^^ste kommt noch," sagte der Kürschner,
Dame .f; ter aus der Tasche, die er von der
den Koll}a(tm datte, und theiltc sie redlich mit


ZUIN Fall Löwe.

Erster Bourgeois: Was sagen Sie zu dem
Angebot der Berliner Waffenfabrik au den fran-
zösischen Kriegsminister Boulangcr?

Zweiter Bourgeois: Es verletzt mein
Nationalgefühl aufs Tiefste — daß Bou-
langer die schätzbare deutsche Offerte keiner Ant-
wort würdigte.

Das liebe Geld.

lind siehst d» leer deinen Lentel mit Schreck,

Dann ist dir der Spruch des Denkers erhellt.

Der heißt: Gewiß, das Geld ist nur Dreck,

Iedoch der Dreck ist nicht wiederum Geld.

Vorbereitung.

Rentier Meyer: Ich spalte jeden Tag Holz,
damit ich magerer werde.

Rentier Müller: lind ich säge Holz, um
nur einigermaßen mich zu entfetten.

Meyer: Man schivitzt sehr dabei, aber es hat
sein Gutes. Wenn wir später im sozialistischen
Staat arbeiten müssen, sind wir wenigstens
einigermaßen daran gewöhnt.

Die Math.

Die Noth in ihrer Schwere
Nllil in Erscheinung fvitt,

An jammern dir Aktionäre
Allüberall such mit;

Sie jammern auch, ton die Dividende
Sich liest nur steigern ans breilehn Pro;e»ie.

Im ZoMildungs-Zerein.

^las ist der vortreffliche Bilöungsverein,
Gegründet von Professoren,

Ls ist ein geheimer Aommerzienrath
Zum Lhrenpräses erkoren.

Gesprochen wird da nicht von Politik,
Denn die verdirbt den Charakter,

Don Sozialismus und Religion
Auch nicht, das war' noch vertrakter.

Ls soll in diesem traulichen Areis
Die wahre Bildung nur walten;
Am liebsten darum über den Mond
Läßt dort Vorträge man halten.

Lin Herr Handelskammersekretär,

Gelehrt, auch bebrillt, weil kurzsichtig,

Der schleppt die Bildung in Scheffeln herbei
And thut mit dem Monde gar wichtig.

vatz auf dem Mond es kein waffer giebt.
Scheint sehr das Männlein zu quälen,

Und auch die Ringe vom Monögebirg
Chat er gewissenhaft zählen.

Lr hat den Mond gar gründlich studirt,

In allen Sternen gelesen,

Ich glaub', er forscht auch noch einmal aus,
wer der Mann im Monde gewesen.

So kennt man dort ganz genau den Mond,
Doch nichts, was pasfirt auf Lrden;

Man könnte vor lauter Bildung dort
Beinah schon mondsüchtig werden.

Ach, könnt' so ein armer Mensch sich nur
Mal wärmen im Mondenscheine,

Das wär' viel besser als der Aohl
In solch einem Bildungsvereinel
 
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