E»- Beilage 511111 „tPaljmi Zacoli" Lr. 170.
wollte sich mit Grillen plagen,
Weil noch der Rückschritt dominirt?
wer wollt' in diesen wintertagcn
^'ch ärgern, wenn es schneit und friert?
Es werden schon die Tage länger,
bald, so ist der Frühling da;
^"d glaubt, des Volkes große Dränger,
Sie sehen schon das Lnde nah.
®cr Miquel fragt in tausend Aengsten:
^oher schaff' Millionen ich.
Eaprivi quälte schon am längsten
Uuf seinem Ranzlerxosten sich.
Glicht bringt er durch, was er empfohlen,
ganzen neunzigtausend Mann;
Er lätzt die Stiefel sich besohlen,
er, wenn nöthig, gehen kann.
._,_£§&S Gr:off. S^3__
Auch mit des Zentrums Glück und Glanze
Ls langsam schon zu Lnde geht;
Zerklüftet, führerlos das Ganze,
Rein neuer windthorst mehr ersteht.
Zu dreist und plump das Volk bethören
Die schwarzen Herren im Talar;
Ins Jenseits, wo sie hingehören,
Verweist sie bald der Wähler Schaar.
Selbst mitten drin, so recht im Kerzen
Der ausgeprägten Reaktion,
Im Junkerthume regen Schmerzen
Der Unzufriedenheit sich schon.
Statt fromm und treu zu konserviren
Des alten Adels Glorienschein,
will es mit Ahlwardt rebelliren,
Und will nicht länger Diener sein.
In Phrasen zu des Reiches Lhren
Das Raxital sich laut ergeht,
Und unterstützt mit Mordgewehren
Den Feind, -er an der Grenze steht;
Der Bismarck selbst fällt in den Rücken
Der Reichsgewalt mit Spott und Hohn —
So wuchern wankelmuth und Tücken
Im Herrschgebiet der Reaktion.
Indessen stehn mit heiterm Muthe
Die Rämxfer einer neuen Welt,
Sie schauen zu mit kaltem Blute —
Das Alte in sich selbst zerfällt.
Sie können auf das Lnde warten,
Die neue Zeit ist ferne nicht.
Ls ragen ihres Heers Standarten,
Die Lahnen wehn im Morgenlicht. M. k.
DaHoniG draußen und drinnen.
f an 50g im Rainen der Kultur
L Rach Dahomey mit web'nöcn Dahnen,
Denn dieser 28ehanzin verfuhr
^ u roh mit seinen Anterthanen.
Die Herrschaft des Rarkaren sank
^nd seine Hauptstadt lieh man stürmen,
Plo so viel 23lut die Erde trank —
Die Hauptstadt mit den Gchäbelthürmen.
Rlan jauchst dir — Rrankreich, iKcifall zu,
Doch würd' es uns noch mehr erheitern,
^erführst in gleicher Weise du
^Üit deinen eignen — Halsabschneidern.
^erführest du nach strengem Recht
^lllt den Hallunken wohlgeboren,
Das Ragno hätte nur zu bald
siine Ricdrigkeit verloren.
käme, die ein Alakel jetzt,
^llmälig zu gewisser Ähre,
Er trugen nie so große Herrn
D>e Düchtlingsjackc der Äalccre.
Denn schaudernd sähen in den Rcihn
Der Kramer und der Herr Dhilistcr
vereint zu Zweien und zu Drci'n
ir-Deputirte, Är-Alinister.
Illach dp»! Iliki-gfiti-istkli
der
lex Oeinze.
ine Verhandlung
vor Gericht.
¥
Pro
I Wir hal
einige
keits-Dl
Grund t
Smannten lex * . Gesetzes,
zunächst den An» zu verhandeln. M
(Es geschieht.) A^kgten. Maler Fludrib
Angeklagter: Otto Emil Fludribus.
Präsident: Sind Sie mit Frau Heinze ver-
wandt oder verschwägert?
Angeklagter: Nein.
Präsident: Aber Sie können nicht leugnen,
Kunstmaler zu sein?
Angeklagter: Allerdings nicht.
Präsident: Sie sind hinreichend verdächtig,
ein Gemälde angefcrtigt und öffentlich ausgestellt
zu haben, welches Anstoß im Sinne des § 184,
Abschnitt Heinze, erregt hat.
Angeklagter: Aber das Gemälde ist ja eine
Landschaft!
Präsident: Ganz recht; cs befindet sich auf
dieser Landschaft ein pudelnackter Felsen, auch ist
die denselben umgebende Vegetation von einer un-
gebührlichen Ueppigkeit.
Angeklagter: Nun, das ist doch nichts Un-
züchtiges.
Präsident: Freilich nicht. Allein das Gesetz
trifft ausdrücklich auch solche Kunstprodukte, welche
ohne an sich unzüchtig zu sein, bei ihrer
öffentlichen Ausstellung Äergerniß erregen.
Ein solches Äergerniß hat laut Anzeige vom
dritten laufenden Monats Ihr Bild erregt bei der
49Vsjührigen Jungfrau Margaretha Bitterlich,
welche laut ihrer Aussage Blatt 73 der Akten beim
Anblick dieser üppigen Mondscheinlandschaft Herz-
klopfen bekam, von unzufriedenen Gedanken be-
stürmt wurde, und wegen dieser Störung im Frieden
ihres Gemttths Äergerniß empfand.
Angeklagter: Was kann ich für die Ge-
danken der Beschauer? Bei jedem andern meiner
Bilder hätte ebenfalls Jemand unzufriedene Ge-
danken haben können.
Präsident: Wohl möglich, aber müssen Sie
denn überhaupt durchaus etwas malen? Die An-
forderungen des neuen Gesetzes sind erfüllt, nach-
dem ein Äergerniß protokollarisch festgestellt wurde.
Sie werden in eine Gefängnißstrafe von zwei
Monaten verurtheilt, doch wird von Verhängung
des Latten-Arrestes für diesmal abgesehen, weil
eine besondere Rohheit in Ihrem Gemälde nicht
erkennbar zu Tage tritt. Punktum! — Man führe den
nächsten Angeklagten vor. (Es geschieht.) Ihr Name?
Zweiter Angeklagter: Friedrich August
Wurm, Sortimentsbuchhändler.
Präsident: Bei der letzten jener wöchentlichen
Haussuchungen, welche auf Grund des neuen Ge-
setzes stattfinden, um festzustellen, ob unzüchtige
Schriften zum Zwecke der Verbreitung vorhanden
sind, ist bei Ihnen eine unzüchtige Schrift vor-
gefunden worden.
Angeklagter: Aber ich bitte! es war Goethe's
„Faust."
Präsident: Ganz recht, so ist der Titel des
schändlichen Werkes. Es wird darin die Ver-
führung eines jungen Mädchens mit absoluter
Deutlichkeit geschildert und obeüdrein von einer mit
dem Namen Mephisto bezeichnten Figur mit zyni-
schen Bemerkungen begleitet. Daran schließen sich
— namentlich im zweiten Theil — die Schilde-
rungen wahrer Höllen-Orgien, welche mit breiter
Behaglichkeit gegeben und obendrein mit anzüglichen
Worten verstärkt werden. Bei Verlesung der in-
kriminirten Stellen wird in Rücksicht ans Sitte
und Moral die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. (Es
geschieht. Nach zwei Stunden wird die Oeffentlichkeit wieder
hergestellt.)
Präsident: Der Angeklagte weiß zu seiner
Entschuldigung nur anzustthren, es handle sich um
ein klassisches Kunstwerk ersten Ranges. Beweis-
führung hierüber mußte abgelehnt werden, weil
das Gesetz klassische oder sonstige literarische „Kunst-
werke" nicht kennt, sondern in seinem klaren Wort-
laut nur von Druckschriften spricht. Daß „Faust"
von Goethe eine Druckschrift ist, wird vom An-
geklagten selbst nicht bestritten.
Angeklagter: Ich kann übrigens Nachweisen,
daß ich kein einziges Exemplar des beanstandeten
Werkes verkauft habe.
Präsident: Dieser Einwand ist irrelevant,
denn nach dem neuen Gesetz ist es schon strafbar,
derartige Werke zum Zwecke der Verbreitung in
Besitz zu haben. — Der Angeklagte wird zu sechs
Monaten Gesängniß, verschärft durch die Latte,
verurtheilt, die nichtperiodische Druckschrift „Faust"
wird eingestampst. Die Motivirung des Urtheils
erfolgt in geheimer Sitzung.
Gendarm (athemlos Herei,«stürmend): Herr Prä-
sident! Draußen steht ein unverschämter Sozial-
demokrat, welcher verlangt, das im Restaurant
„Germania" hängende Porträt Bismarck's solle
augenblicklich konfiszirt werden, weil er über die
Visage dieses Volksfeindes ein lebhaftes Äergerniß
empfinde.
Präsident: Äergerniß empfindet er? Dann
werden wir das Bild wohl konfisziren müssen.
Gut, daß es nur der Bismarck ist!
Grosse Erfindungen.
Hinz: In Frankreich soll wieder eine neue
Flinte erfunden worden sein.
Kilnz: Das ist gar nichts! In Rhcinland-
Westfaleti beim Bcrgarbeiterstreik haben strebsame
Zeitungsschreiber gleich 3000 Revolver er-
füll d c n.
wollte sich mit Grillen plagen,
Weil noch der Rückschritt dominirt?
wer wollt' in diesen wintertagcn
^'ch ärgern, wenn es schneit und friert?
Es werden schon die Tage länger,
bald, so ist der Frühling da;
^"d glaubt, des Volkes große Dränger,
Sie sehen schon das Lnde nah.
®cr Miquel fragt in tausend Aengsten:
^oher schaff' Millionen ich.
Eaprivi quälte schon am längsten
Uuf seinem Ranzlerxosten sich.
Glicht bringt er durch, was er empfohlen,
ganzen neunzigtausend Mann;
Er lätzt die Stiefel sich besohlen,
er, wenn nöthig, gehen kann.
._,_£§&S Gr:off. S^3__
Auch mit des Zentrums Glück und Glanze
Ls langsam schon zu Lnde geht;
Zerklüftet, führerlos das Ganze,
Rein neuer windthorst mehr ersteht.
Zu dreist und plump das Volk bethören
Die schwarzen Herren im Talar;
Ins Jenseits, wo sie hingehören,
Verweist sie bald der Wähler Schaar.
Selbst mitten drin, so recht im Kerzen
Der ausgeprägten Reaktion,
Im Junkerthume regen Schmerzen
Der Unzufriedenheit sich schon.
Statt fromm und treu zu konserviren
Des alten Adels Glorienschein,
will es mit Ahlwardt rebelliren,
Und will nicht länger Diener sein.
In Phrasen zu des Reiches Lhren
Das Raxital sich laut ergeht,
Und unterstützt mit Mordgewehren
Den Feind, -er an der Grenze steht;
Der Bismarck selbst fällt in den Rücken
Der Reichsgewalt mit Spott und Hohn —
So wuchern wankelmuth und Tücken
Im Herrschgebiet der Reaktion.
Indessen stehn mit heiterm Muthe
Die Rämxfer einer neuen Welt,
Sie schauen zu mit kaltem Blute —
Das Alte in sich selbst zerfällt.
Sie können auf das Lnde warten,
Die neue Zeit ist ferne nicht.
Ls ragen ihres Heers Standarten,
Die Lahnen wehn im Morgenlicht. M. k.
DaHoniG draußen und drinnen.
f an 50g im Rainen der Kultur
L Rach Dahomey mit web'nöcn Dahnen,
Denn dieser 28ehanzin verfuhr
^ u roh mit seinen Anterthanen.
Die Herrschaft des Rarkaren sank
^nd seine Hauptstadt lieh man stürmen,
Plo so viel 23lut die Erde trank —
Die Hauptstadt mit den Gchäbelthürmen.
Rlan jauchst dir — Rrankreich, iKcifall zu,
Doch würd' es uns noch mehr erheitern,
^erführst in gleicher Weise du
^Üit deinen eignen — Halsabschneidern.
^erführest du nach strengem Recht
^lllt den Hallunken wohlgeboren,
Das Ragno hätte nur zu bald
siine Ricdrigkeit verloren.
käme, die ein Alakel jetzt,
^llmälig zu gewisser Ähre,
Er trugen nie so große Herrn
D>e Düchtlingsjackc der Äalccre.
Denn schaudernd sähen in den Rcihn
Der Kramer und der Herr Dhilistcr
vereint zu Zweien und zu Drci'n
ir-Deputirte, Är-Alinister.
Illach dp»! Iliki-gfiti-istkli
der
lex Oeinze.
ine Verhandlung
vor Gericht.
¥
Pro
I Wir hal
einige
keits-Dl
Grund t
Smannten lex * . Gesetzes,
zunächst den An» zu verhandeln. M
(Es geschieht.) A^kgten. Maler Fludrib
Angeklagter: Otto Emil Fludribus.
Präsident: Sind Sie mit Frau Heinze ver-
wandt oder verschwägert?
Angeklagter: Nein.
Präsident: Aber Sie können nicht leugnen,
Kunstmaler zu sein?
Angeklagter: Allerdings nicht.
Präsident: Sie sind hinreichend verdächtig,
ein Gemälde angefcrtigt und öffentlich ausgestellt
zu haben, welches Anstoß im Sinne des § 184,
Abschnitt Heinze, erregt hat.
Angeklagter: Aber das Gemälde ist ja eine
Landschaft!
Präsident: Ganz recht; cs befindet sich auf
dieser Landschaft ein pudelnackter Felsen, auch ist
die denselben umgebende Vegetation von einer un-
gebührlichen Ueppigkeit.
Angeklagter: Nun, das ist doch nichts Un-
züchtiges.
Präsident: Freilich nicht. Allein das Gesetz
trifft ausdrücklich auch solche Kunstprodukte, welche
ohne an sich unzüchtig zu sein, bei ihrer
öffentlichen Ausstellung Äergerniß erregen.
Ein solches Äergerniß hat laut Anzeige vom
dritten laufenden Monats Ihr Bild erregt bei der
49Vsjührigen Jungfrau Margaretha Bitterlich,
welche laut ihrer Aussage Blatt 73 der Akten beim
Anblick dieser üppigen Mondscheinlandschaft Herz-
klopfen bekam, von unzufriedenen Gedanken be-
stürmt wurde, und wegen dieser Störung im Frieden
ihres Gemttths Äergerniß empfand.
Angeklagter: Was kann ich für die Ge-
danken der Beschauer? Bei jedem andern meiner
Bilder hätte ebenfalls Jemand unzufriedene Ge-
danken haben können.
Präsident: Wohl möglich, aber müssen Sie
denn überhaupt durchaus etwas malen? Die An-
forderungen des neuen Gesetzes sind erfüllt, nach-
dem ein Äergerniß protokollarisch festgestellt wurde.
Sie werden in eine Gefängnißstrafe von zwei
Monaten verurtheilt, doch wird von Verhängung
des Latten-Arrestes für diesmal abgesehen, weil
eine besondere Rohheit in Ihrem Gemälde nicht
erkennbar zu Tage tritt. Punktum! — Man führe den
nächsten Angeklagten vor. (Es geschieht.) Ihr Name?
Zweiter Angeklagter: Friedrich August
Wurm, Sortimentsbuchhändler.
Präsident: Bei der letzten jener wöchentlichen
Haussuchungen, welche auf Grund des neuen Ge-
setzes stattfinden, um festzustellen, ob unzüchtige
Schriften zum Zwecke der Verbreitung vorhanden
sind, ist bei Ihnen eine unzüchtige Schrift vor-
gefunden worden.
Angeklagter: Aber ich bitte! es war Goethe's
„Faust."
Präsident: Ganz recht, so ist der Titel des
schändlichen Werkes. Es wird darin die Ver-
führung eines jungen Mädchens mit absoluter
Deutlichkeit geschildert und obeüdrein von einer mit
dem Namen Mephisto bezeichnten Figur mit zyni-
schen Bemerkungen begleitet. Daran schließen sich
— namentlich im zweiten Theil — die Schilde-
rungen wahrer Höllen-Orgien, welche mit breiter
Behaglichkeit gegeben und obendrein mit anzüglichen
Worten verstärkt werden. Bei Verlesung der in-
kriminirten Stellen wird in Rücksicht ans Sitte
und Moral die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. (Es
geschieht. Nach zwei Stunden wird die Oeffentlichkeit wieder
hergestellt.)
Präsident: Der Angeklagte weiß zu seiner
Entschuldigung nur anzustthren, es handle sich um
ein klassisches Kunstwerk ersten Ranges. Beweis-
führung hierüber mußte abgelehnt werden, weil
das Gesetz klassische oder sonstige literarische „Kunst-
werke" nicht kennt, sondern in seinem klaren Wort-
laut nur von Druckschriften spricht. Daß „Faust"
von Goethe eine Druckschrift ist, wird vom An-
geklagten selbst nicht bestritten.
Angeklagter: Ich kann übrigens Nachweisen,
daß ich kein einziges Exemplar des beanstandeten
Werkes verkauft habe.
Präsident: Dieser Einwand ist irrelevant,
denn nach dem neuen Gesetz ist es schon strafbar,
derartige Werke zum Zwecke der Verbreitung in
Besitz zu haben. — Der Angeklagte wird zu sechs
Monaten Gesängniß, verschärft durch die Latte,
verurtheilt, die nichtperiodische Druckschrift „Faust"
wird eingestampst. Die Motivirung des Urtheils
erfolgt in geheimer Sitzung.
Gendarm (athemlos Herei,«stürmend): Herr Prä-
sident! Draußen steht ein unverschämter Sozial-
demokrat, welcher verlangt, das im Restaurant
„Germania" hängende Porträt Bismarck's solle
augenblicklich konfiszirt werden, weil er über die
Visage dieses Volksfeindes ein lebhaftes Äergerniß
empfinde.
Präsident: Äergerniß empfindet er? Dann
werden wir das Bild wohl konfisziren müssen.
Gut, daß es nur der Bismarck ist!
Grosse Erfindungen.
Hinz: In Frankreich soll wieder eine neue
Flinte erfunden worden sein.
Kilnz: Das ist gar nichts! In Rhcinland-
Westfaleti beim Bcrgarbeiterstreik haben strebsame
Zeitungsschreiber gleich 3000 Revolver er-
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