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142«

I)ic kranke Vmirgemsie.

Arzt: Nun, wo fehlt's Ihnen?

Patient: Ach, im Leibe Hab' ich's; ich las unvorsichtiger Weise Gregorovius' Buch: „Der Himmel auf Erden".*

Arzt: Legen Sie umschichtig Stumm's und Richter's Reden über den Zukunftsstaat auf den Bauch, dann wird Ihnen wieder wohl werden.

* In dem Buch wird beschrieben, daß in dem Zukunftsstaat bei einer ausbrechenden Hungersnoth Menschen gefangen, geschlachtet und gefressen werden.

Menschen ruiniren! Freilich brauchten dann die
Leute weniger Steuern zu zahlen, könnten dafür
ihre nothwcndigen Lebensbedürfnisse besser befrie-
digen, und es folgte hieraus ein wirthschaftlicher
Aufschwung — aber was nützte mir das, mir, dem
Rentier, der jetzt vom Staate mittels der Staatsschuld
ernährt wird, und hernach vielleicht arbeiten müßte!

Mit der Industrie wäre es gleichfalls nicht
besser, die ist im heutigen Staate so schön ein-
gerichtet, wie sie gar nie schöner sein kann.

Wenn ich mich jetzt an der nationalen Arbeit
betheiligen will, da gehe ich auf die Börse und
kaufe mir Industrie-Aktien. Die Aktien lege ich
in meinen Geldschrank, zünde mir eine Zigarre an
und trinke Chokolade. Nun arbeiten draußen im
Fabrikviertel die Maschinen, die Schlote rauchen,
die Direktoren kommandiren, die Schreiber und
Kassirer sind thätig, die Geschäftsreisenden ziehen
im Lande herum, die Arbeiter rackern sich ab bis
aufs Blut und eines schönen Tages kommt die
Generalversammlung; da lasse ich mir vorrechnen,
was wir eingenommen haben, bewillige den Direk-
toren ihre Tantieme und was nun von all' der
rastlosen Arbeit als Reingewinn hergeschafft worden
ist, das theilen wir Aktionäre unter uns und nennen
es Dividende, die uns rechtmäßig zukommt.

Man nennt den heutigen Staat auch einen
Polizeistaat, aber das ist eigentlich ein Ehrentitel,
denn was giebt es wohl praktischeres in der Welt,
wie die Polizei?

Die Polizei arretirt die Handwerksburschen,
giebt Arbeitslosen den Stadtverweis, damit sie
Handwerksburschcn werden und als solche wieder
zum Arrctiren geeignet sind, überwacht die Sozial-
demokraten, löst Versammlungen auf und sperrt die
Redner ein. Man kann also beruhigt schlafen.

Dumme Leute sagen nun freilich, das wäre
ganz schön für die Kapitalisten, aber wo bliebe
denn die große Masse, das arbeitende Volk, das
doch eigentlich die Mehrzahl bilde und die größten
Lasten trüge? Hierauf müsse man Rücksicht nehmen
und Reformen herbeiführen.

Ja, das ist eben die Umstürzerei. Wir müssen
alle Reformen unterdrücken und alle Zukunftspläne
lächerlich niachen; wenn die Arbeiter am Arbeits-
ertrag ihren Theil haben sollen, was fällt denn
dann auf uns, die wir nicht arbeiten? Da nehmen
uns ja die Arbeiter den Kaviar vom Brote und
den Champagner aus dem Keller! lind wenn die
große Masse in Staat und Gesellschaft als gleich-
berechtigt anerkannt werden soll, was sind dann
wir? Etwa die Aktiengigerl mit den verfallenen
Koupons und den geplatzten Glacehandschuhen?
Gegen einen solchen Zukunstsstaat möchte ich mich
entschieden verwahren!

Aber die Bäume Pflegen nicht in den Himmel
zu wachsen. Noch haben wir Bachems Leiche, die
den Klerus beschützt, noch lebt die Spar-Agnes;
noch haben wir die Armee, die meiner Meinung
nach gar nicht stark genug vermehrt werden kann,

noch haben wir die Polizei, die Alles aufs Zweck-
mäßigste einrichtet, — es ist also für Alle gesorgt,
für die Zufriedenen und die Unzufriedenen.

Peter Graupenmüller, Rentier.

Höchste Kultur.

Ilun giebt es babd ein neu Gewehr.
Gefaßt ist darauf ein Jeder,

And das Kaliber hat nicht mehr
Als nur fünf Millimeter.

Der Kugck, allerliebst und kbcin.

Musi hohes -Lok gebühren;

F,liegt sie dir in den Manch hinein,

So wirst du's biauin verspüren.

Sie macht ein Lochbein nett und rund,
Kaum konnnt da Mlnt gesbossen;

Du meinst, du seist noch ganz gesund
And bist doch schon erschossen.

Leicht stirbst du so fürs Vaterband
And gehst ins Jenseits über,

Drum sei anch dankbar anerkannt
Sobch treffbiches Kaliber!
 
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