Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1428

Wie sieht'F au^7

Von

Max Lehmann.

m Faschingshimmel des beschlußunfähigen deut-
schen Parlaments war ein neuer Stern auf-
getancht, der sich durch neugieriges Fragen be-
sonders hervor that — der Stern hieß Bachem.

„Den muß ich interviewen," sagte ich mir
und trat in sein Arbeitszimmer, als Bachem
gerade damit beschäftigt war, ein provisorisches
Zivilgesetz für den Zukunftsstaat auszuarbeiten,
weil — wie er sehr richtig bemerkte — das
seit 1874 in Arbeit befindliche bürgerliche Ge-
setzbuch im Zukunftsstaatc noch nicht fertig sein würde.

„Was wünschen Sie?" fragte Bachem.

„Ich wünsche etwas über unsere Zukunft zu erfahren," jagte ich.

Bachem machte Ausflüchte; er habe den Zukunftsstaat mit heißem Be-
mühen studirt, aber bei allem Studiren nie etwas gelernt.

„Sie mißverstehen mich," sagte ich. „Sie vertreten die Tendenzen des
Klerus, welcher dem Volke lehrt, die Erde sei nur ein Jammerthal, im Jen-
seits erwarte uns Lohn und Strafe, man müsse daher in allem Thun und
Denken nur auf das Jenseits bedacht sein — nun möchte ich fragen: Wie
ist dieses Jenseits? Woraus besteht es? Wie sind die Einrichtungen dort?
Giebt es da Juristen? Giebt es einen Reichstag? Ist das Militär oder
das Zivil vorherrschend? . . ."

„Halten Sie ein!" schrie Bachem. „Sie fragen zu viel auf einmal.
Das Jenseits besteht zunächst aus dem Himmel, der Hölle . . ."

Hier blieb er schon stecken.

„Gut," sagte ich, „bleiben wir bei der Hölle stehen. Wo liegt sie?"

Bachem war unsicher. „Wahrscheinlich unten," sagte er.

„Sie wissen, daß die Erde eine Kugel ist, welche sich um sich selbst
dreht. Was ist bei einer solchen Kugel oben und was unten?" fragte ich.
„Und dreht sich die Hölle mit herum oder bleibt sie stehen?"

Bachem bekannte, er wisse es nicht.

„Sie lehren immer," fuhr ich fort, „daß in der Hölle ein Feuer brennt,
aber nie erfährt man, welcher Art dieses Feuer ist? Kohlen, Holz oder
Koaks? Und wohin wird die Asche befördert?"

Bachem wußte es nicht.

„Sie sagen, die Seelen der Bösen kommen ins Höllenfeucr. Sind
Seelen brennbar? Wenn ja, warum verbrennen sie nicht? wenn nein, was
thut ihnen das Feuer?"

Bachem wußte nicht einmal diese einfache Frage zu beantworten.

„Sie scheinen über die Zukunft, die Sie dem Volke predigen, sehr
schlecht unterrichtet zu sein," tadelte ich. „Sagen Sie mir nun wenigstens,
wer in der Hölle Leiter und Direktor ist?"

„Der Teufel," meinte Bachem.

„Schön. Er hat also die Höllenstrafen zu vollziehen. Sie wissen, daß
dies ein Amt ist, welches Weisheit und Gerechtigkeit, Milde und Leiden-

schaftslosigkeit erfordert. Besitzt der Teufel diese Tugenden, warum schmäht
man ihn als Inbegriff alles Bösen? Besitzt er sie nicht, wie kann er bis in
alle Ewigkeit ein solches Amt verwalten?"

Bachem wußte schon wieder keine Antwort.

„Unter solchen Umständen," erklärte ich, „will ich Sie nicht erst nach
dem Himmel fragen, da Sie in der Hölle, die dem Juristen doch viel näher
liegt, so wenig Bescheid wissen. Ich will auch nicht verlangen, daß Sie
mir die Hausordnung in den einzelnen Höllcn-Abthcilungen nennen und
mir sagen, ob den Journalisten dort Selbstbeschäftigung gewährt wird. Nur
noch eine Frage: Glauben Sie, daß bei solcher Unkenntniß über die Zu-
kunft, die Sie predigen, Ihre geehrte Leiche, mit welcher Sie im Reichstag
renommirten, dauerhaft genug sein wird, um den Ansturm des Zeitgeistes
lange aufzuhaltcn?"

Bachem blieb auch auf diese Frage die Antwort schuldig. »Er ist eben
ein Mann, der nur fragen, aber nicht antworten kann.

- -

XanbUitvtfjschriftlicher Nolhfland.

A. : Worin besteht denn eigentlich die Noth der deutschen Großgrundbesitzer?

B. : Es sticht sie fortwährend der Hafer.

Bitterer Nachgeschmack.

König Milan beabsichtigt, sich wieder scheiden zu lassen, da der Inhalt
von Nataliens Kasse seinen Erwartungen nicht entsprach.

Vom Neichskagc.

A. : Das Zentrum ist jetzt die eigentliche Bergpartei.

B. : Wie so?

A.: Es stehen den Zentrumsmännern aus Angst vor der Reichstags-
Auflösung die Haare zu Berge.

Auf dem Exerprrplahr.

Korporal: Kerl, Du hängst ja in der Luft, als ob Du nicht st e h e n und
nicht umsallen könntest! Bildest Dir wohl gar ein, Du seiest der
Deutsche Reichstag?

Gefährlicher Redner.

A. : Gehen Sie heute in die Versammlung, in welcher Stöcker über1 die
Sozialdemokratie spricht?

B. : Werde mich hüten! Der Saal könnte einstürzen.

A. : Warum?

B. : Weil der Stöcker stets derartig die Wahrheit sagt, daß sich die
Balken biegen.

Novitäten aus I. I). w. Dietz' Verlag in Stuttgart.

AuF

Letzen und Wissenschaft

Gejammetie Vorträge und Aufsätze
von

Dr. Arnold Dodel

Ordentl. öffentl. Professor an der Universität Zürich.

Erste Lieferung:

Sauer. Kßeiter und WissensDafter.

Drei gemeinverständliche Vorträge

gehalten

im Vereinshaus des deutschen Arbeiterbildungs-
Vereins in Zürich

(November und Dezember 1892).

136 Seiten Oktav. Preis 75 Pfg.

Mit diesem Heft beginnt der in weiten Kreisen bekannte
und hochgeschätzte Verfasser der Streitschrift: „Moses oder
Darwin, eine Schulfrage," eine Serie von allgemeinverständ-
lichen Vorträgen herauszugeben, die allen Freunden der geistigen
Entwicklung deS Volks hochwillkommen sein dürften.

Der

ufsifche

auer

Von

Skrxniak.

Autorisirte Uebersetzung von Dr. Viktor Adler.

XVI und 212 Seiten.

(93b. 15 der Internationalen Bibliothek.)

Preis brosrh. MK. 1.60, gebd. Mk. 2.—

Wer sich über die heutige Lage der russischen Bauern
unterrichten will, dem ist die Stepniak'sche Schrift zu empfehlen.


Max Uegel's

AoMldmMtWs LiMMch.

Zünfte

durchgesehene und korrigirte Auflage.

Prri» 40 Pfennig.

Der Freie Sänger.

Lieder für vierstimmigen Mannerchor.

Im Verfolg des Inserats in Nr. 164 des „Wahren Jacob"
werden hiermit die nachträglich erschienenen Hefte des „Freien
Sängers" angezeigt:

Heft 51. Steht fest! Von Carl Laquai. Musik von Rudolf
Brenner. — Willkommgrust. Von Carl Laquai. Musik
von Rudolf Brenner.

Heft 52. Dev Morgen. Von Eh. I. v. Schmidt. Musik von
Friedrich Silcher. — Still steht das Herz (Grablied). Von
I. Stern. Musik von R. Brenner. — Wiedersehn. Musik
von E. Lier.

Heft 53. Der König von Hukapetabank. (Humoristisch.)
Von W. Müller. Musik von Moritz Friedrich. — Am Abend.
Musik von A. Bergt.

Heft 54. Den Krug zur Hand! Von Fritz Treugold. Musik
von E. Gramm. — Wahre Weisheit. Von Ludwig Wolt-
mann. Musik von C. Gramm. — FriihlmgSreigen. Von
W. Müller. Musik von Franz Otto.

Heft 55. Bnndeslied. Von L. Kreymann. Musik von W. A.
Mozart. Satz von L. Kreymann. — Arbeiter-Hymne.
Von Dr. Rüdt. Nach dem Ambrosiamschen Lobgesang. Satz
von L. Kreymann. — Fahr' wohl! Von Emanuel Geibel.
Musik von L. Kreymann. — Auf den Bergen in Tyrol.
Musik von L. Kreymann.

Um vielfach ausgesprochenen Wünschen nachzukommen,
sollen demnächst die Einzelstimmen zu der Partitur erscheinen.
Das Erscheinen wird seiner Zeit bekannt gemacht werden.

Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
 
Annotationen