1435
sengest, plünderst, theilest die Beute, daß Du den Löwenantheil
davon kriegst!
„Hei, wie sie Dir zujubeln und rufen: Heil! Heil! wann Du einziehst
in die Stadt. Teppiche und Banner hängen aus Fenster und Balkon,
die Musika spielet, die schönen Frauen grüßen Dich huldselig und im
Münster singen sie Dir zu
Ehren, Dir, dem Sieger,
dem Schlachtenmeister,
ein Tedeum. Hast Ruhm,
Ehr' und Gold: stiftet
der ehrbare Rath Dir
güldne Ketten und eine
Schenkung, ein- oder
zweitausend Dublonen.
Und in ihrer Kemenate,
das Prachtkleid ange-
than, die Perlenkette statt
des HanfZ um den schloh-
weißen Hals, harret
Deine Frau Margerit.
Brauchst Du neue Mann-
schaft, neue Wehren,
Roß und Reisige, der
Rath wird eine neue Um-
lage ausschreiben, eine
Dhmsteuer aufs Getränk,
Wein, Bier und ge-
brannten Wein, eine
Mahl- und Schlacht-
steuer, Umgeld und Bede,
die das gemeine Volk
Zahlet in jedem Krüglein
Bier und Bißchen Brot.
Werden auch das ver-
stucht indianisch Teufels-
womit die Leut
U)reu Hals zmn Höllen-
schlot machen und rauchen
wie die siebenfach ge-
schwänzten Teufel, mit
einer Auflag beschweren
und mit Zoll. Denn
Du bist der Herr der
Heerschaaren, der
Landsknechtsführer wie
Frundsberg, der Held
von Pavia.
„Sieh, Schnapphahn,
uuch auf andere Art
vermagst Du zu Macht
Zu gelangen und ein ansehnlicher, hochgebietender Herr zu werden.
Biel wüste Hufen liegen brach, hol ein Pergament herfür, ist der
Rdelsbrief, daß Dir all das Land gehört und die Bauern zu eigen
sind. Sitz fest und spiel' den Herrn, treib' den Landmann von der
Scholle, nimm, nimm, nimm, laß den armen Konz Dir frohnden.
Reit' fein zu Hof, werden sie sagen: da kommt er, der Graf
von Schnapphahn, der große Grundherr. Schreiber und Pfaffen
beurkunden, daß Acker und Wald und Wiese Dir gehört seit unvor-
denklicher Zeit, und Du glaubst es selbst. Das heißt geschichtliches
^echs, so lehre der Herr Professor zu Altars auf der Universität.
Eine Edelfrau wäre Dein Margritlein-
„Oder kann's Dir sonst fehlen? Nun wohlan, lauer' auf, wenn
dw reicher Handelsherr nach Venetia zieht, frisch, faß ihn mit
etwelchen Gesellen, hau' die Wägen auf, schneid' auf die Geldkatz'
Und heidi, fort mit dem Kaufmannsgut! Ein wohlmögender Mann
bist Du itzt, zeuchst in der reichen Stadt sichren Frieden, wirst ein-
gebürgert, wenn die Dukaten im Sack klingen. Handelst und wandelst,
s>ast Theil an den Gesellschaften Monopolia, treibst hoch die Preise
von Zimmet und Holz, Korn und Quecksilber, läßt die Meister und
Unechte vom Handwerk in Deinem Lohn spinnen und weben, wirken
und schnitzen. Greif zu, Schnapphahn! Dein Margritlein wäre ein
stattlich Patrizierweib, das nit mit des römischen Kaisers Weib
tauschen thät!"
Schnapphahn's Stirn röthete sich, grollend Hatto er dem Ein-
siedler zugehört. Nun bändigte er den Zorn nicht mehr. „Vermaledeieter
Kerl," schrie er, „willst
einen ehrlichen Jauner,
der auf des Kaisers
Straße fährt und ein
Weniges aus dem Steg-
reif lebt, -zum großen
Schelrnen machen!"
Sprach's, sprang auf
und verschwand im Dun-
kel der Nacht.
Heiser krächzten die
Raben, die von der lecke-
ren Mahlzeit am Raben-
stein kamen.
Der Hofmeister oder
Zivilgouverneur des jun-
gen Prinzenhörtezu lesen
auf, schöpfte tief Athem
und begann:
„Euer Durchlaucht
sehen aus diesem Probe-
stück der Vaganten-Lite-
ratur vom Ausgang des
sechzehnten Jahrhun-
derts, wie sie im Kopse
solch eines Ausgestoße-
nen die Ordnung der
Dinge malte. Sie er-
kennen daraus, mein
Prinz, daß die sittliche
Weltordnung im Hirn des Verkommenen zu einer wüsten
Fratze verzerrt, daß die Einrichtungen der Gesellschaft zu ab-
scheulichen Schreckbildern entstellt werden. Die Vertreter des
Großgrundbesitzes, des Großhandels, des Großgewerbes,
diese idealen Gestalten, werden zur Karikatur. Freuen wir uns,
Durchlaucht, daß heutzutage die Trusts, die Kartelle, die großen
Ringe die Grundpfeiler des öffentlichen Interesses geworden sind."
„Aber," fragte das fürstliche Kind, „was ist aus dem
Schnapphahn geworden?"
„Wie ich aus einer alten Chronik ersehe," erwiderte der kluge
Hofmeister, „ist er nach kurzer Frist aus einem Saulus ein Paulus
geworden, er hat die Lehren des Einsiedlers beherzigt und ist als
Handelsfürst gestorben. Seine Nachkommen sind geadelt worden. Einer
ist Bankier, der Andere Gesandter bei den Turkomanen, und der Dritte
ist Chefredakteur des Kuhschnappler Staats- und Jntelligenzblattes."
sengest, plünderst, theilest die Beute, daß Du den Löwenantheil
davon kriegst!
„Hei, wie sie Dir zujubeln und rufen: Heil! Heil! wann Du einziehst
in die Stadt. Teppiche und Banner hängen aus Fenster und Balkon,
die Musika spielet, die schönen Frauen grüßen Dich huldselig und im
Münster singen sie Dir zu
Ehren, Dir, dem Sieger,
dem Schlachtenmeister,
ein Tedeum. Hast Ruhm,
Ehr' und Gold: stiftet
der ehrbare Rath Dir
güldne Ketten und eine
Schenkung, ein- oder
zweitausend Dublonen.
Und in ihrer Kemenate,
das Prachtkleid ange-
than, die Perlenkette statt
des HanfZ um den schloh-
weißen Hals, harret
Deine Frau Margerit.
Brauchst Du neue Mann-
schaft, neue Wehren,
Roß und Reisige, der
Rath wird eine neue Um-
lage ausschreiben, eine
Dhmsteuer aufs Getränk,
Wein, Bier und ge-
brannten Wein, eine
Mahl- und Schlacht-
steuer, Umgeld und Bede,
die das gemeine Volk
Zahlet in jedem Krüglein
Bier und Bißchen Brot.
Werden auch das ver-
stucht indianisch Teufels-
womit die Leut
U)reu Hals zmn Höllen-
schlot machen und rauchen
wie die siebenfach ge-
schwänzten Teufel, mit
einer Auflag beschweren
und mit Zoll. Denn
Du bist der Herr der
Heerschaaren, der
Landsknechtsführer wie
Frundsberg, der Held
von Pavia.
„Sieh, Schnapphahn,
uuch auf andere Art
vermagst Du zu Macht
Zu gelangen und ein ansehnlicher, hochgebietender Herr zu werden.
Biel wüste Hufen liegen brach, hol ein Pergament herfür, ist der
Rdelsbrief, daß Dir all das Land gehört und die Bauern zu eigen
sind. Sitz fest und spiel' den Herrn, treib' den Landmann von der
Scholle, nimm, nimm, nimm, laß den armen Konz Dir frohnden.
Reit' fein zu Hof, werden sie sagen: da kommt er, der Graf
von Schnapphahn, der große Grundherr. Schreiber und Pfaffen
beurkunden, daß Acker und Wald und Wiese Dir gehört seit unvor-
denklicher Zeit, und Du glaubst es selbst. Das heißt geschichtliches
^echs, so lehre der Herr Professor zu Altars auf der Universität.
Eine Edelfrau wäre Dein Margritlein-
„Oder kann's Dir sonst fehlen? Nun wohlan, lauer' auf, wenn
dw reicher Handelsherr nach Venetia zieht, frisch, faß ihn mit
etwelchen Gesellen, hau' die Wägen auf, schneid' auf die Geldkatz'
Und heidi, fort mit dem Kaufmannsgut! Ein wohlmögender Mann
bist Du itzt, zeuchst in der reichen Stadt sichren Frieden, wirst ein-
gebürgert, wenn die Dukaten im Sack klingen. Handelst und wandelst,
s>ast Theil an den Gesellschaften Monopolia, treibst hoch die Preise
von Zimmet und Holz, Korn und Quecksilber, läßt die Meister und
Unechte vom Handwerk in Deinem Lohn spinnen und weben, wirken
und schnitzen. Greif zu, Schnapphahn! Dein Margritlein wäre ein
stattlich Patrizierweib, das nit mit des römischen Kaisers Weib
tauschen thät!"
Schnapphahn's Stirn röthete sich, grollend Hatto er dem Ein-
siedler zugehört. Nun bändigte er den Zorn nicht mehr. „Vermaledeieter
Kerl," schrie er, „willst
einen ehrlichen Jauner,
der auf des Kaisers
Straße fährt und ein
Weniges aus dem Steg-
reif lebt, -zum großen
Schelrnen machen!"
Sprach's, sprang auf
und verschwand im Dun-
kel der Nacht.
Heiser krächzten die
Raben, die von der lecke-
ren Mahlzeit am Raben-
stein kamen.
Der Hofmeister oder
Zivilgouverneur des jun-
gen Prinzenhörtezu lesen
auf, schöpfte tief Athem
und begann:
„Euer Durchlaucht
sehen aus diesem Probe-
stück der Vaganten-Lite-
ratur vom Ausgang des
sechzehnten Jahrhun-
derts, wie sie im Kopse
solch eines Ausgestoße-
nen die Ordnung der
Dinge malte. Sie er-
kennen daraus, mein
Prinz, daß die sittliche
Weltordnung im Hirn des Verkommenen zu einer wüsten
Fratze verzerrt, daß die Einrichtungen der Gesellschaft zu ab-
scheulichen Schreckbildern entstellt werden. Die Vertreter des
Großgrundbesitzes, des Großhandels, des Großgewerbes,
diese idealen Gestalten, werden zur Karikatur. Freuen wir uns,
Durchlaucht, daß heutzutage die Trusts, die Kartelle, die großen
Ringe die Grundpfeiler des öffentlichen Interesses geworden sind."
„Aber," fragte das fürstliche Kind, „was ist aus dem
Schnapphahn geworden?"
„Wie ich aus einer alten Chronik ersehe," erwiderte der kluge
Hofmeister, „ist er nach kurzer Frist aus einem Saulus ein Paulus
geworden, er hat die Lehren des Einsiedlers beherzigt und ist als
Handelsfürst gestorben. Seine Nachkommen sind geadelt worden. Einer
ist Bankier, der Andere Gesandter bei den Turkomanen, und der Dritte
ist Chefredakteur des Kuhschnappler Staats- und Jntelligenzblattes."