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«as Beilage zum „Mahren Zacaü" Or. 175. Ls-^

UrülZling.

Erwartungsvoll, ob schon Sie Amsel pfeife,

Vb nach dein Regen Grün hervorgekommen,
Lsab' ich gemächlich schlendern- eine Streife
Im kahlen Laubwald einsam vorgenommen.

Ich sah ihn kürzlich noch in Schnee und Life,

Als rauh daher von Nord die winde fuhren:

Nun träumt' er noch und athmete noch leise,

Doch überall fand ich des Lrühlings Spuren.

In alle Zweige war der Saft gestiegen,

Man sah, daß Blättchen in den Knospen schliefen;
Ls schien ein röthlich-warmer Ton zu liegen
Auf all' den Stämmen in des Waldes Tiefen;

Ls grüßte mich herüber aus den Auen
Das matte Gelb, das freundliche, der weide
Und jeder Busch am Wasser war zu schauen
voll silbergrauer Kätzchen, weich wie Seide.

Und da und dort hob aus dem dunklen Grunde
Bescheiden sich des Schnees Sterbeglöckchen
Und grüßte lieb und schüchtern in die Runde
In seinem weißen, grüngestreiftcn Röckchen;

Und datz im stillen, wintermüden Reiche

Auch nicht der Klang, auch nicht die Stimme fehle,

Sang in dem höchsten Wipfel einer Liche

Lin Vogel, weiß von Brust und weiß von Kehle.

Die Sieger.

Äs schallt ein Siegruf jauchzend durch das Land
kioria l Die Feinde sind vernichtet,

J* "ro% Drache" fiel von unsrer Hand,
^cyau hin, o Volk! Gott selber hat gerichtet!"

Und die so riefen, sitzen nun daheim
Und zählen heimlich, zitternd die Banknoten;
Was bringt so ihre Fassung aus dem Leim? —
Ein wenig Angst nur vor den todten — Rothen.

Th. Hau.

Wliemchen an öen Kriegsminijter.

Mei Lieber!

Ich Hab mir immer gedachd, Sie duhn dem Kriegsgodd, den,
Marsch huldigen, derweile huldigen Sie dem Boygodd. In Ihren Werk-
schdell'n duhn Se geene Sozialdemograden beschäftigen, un in Bezug uff's
Gneibcn duhn Se druff achden, daß Geener ä soziales Däbbel Bier
hinder seine miledärische Binde gießd.

Na, da Ham Se gans rcchd; jeden was ihm schmeckd, un daß Sie
der Sozialisinus nich munded, das gloob ich ungeschworen.

Aber Eens muß ich Sie schon sagen: wenn Se so schdols sein, daß
Se und de Roden nischd zu duhn Ham woll'n, da derfen Se ooch von
de Roden nischd annehmen, weder Geld noch Dienst, denn das is Sie
gar nich nobel, wenn mer und Jemanden muckschd, un läßd sich doch
was von ihm schenken, un so ä scheenes blankgebußtes schwarz-weiß-roth
angeloofenes Reich, wie Sie's verdräden, das muß doch wceß Gnebbchen
ä glecnes Bissel nobel sein.

Also wenn ä sozialdemogradscher Regrud gommd — naus dcrmid,
der derf nich bei's Miledär dienen. Wenn ä Sozialer seine Schdeiern
bezahlen will, muß es Heeßen: Ford! von Eich nahm mer gee Geld! Das
Fund Brod muß 'n Sozialen um fünf Fenge billiger gcgäin wern, wie
andern Leiden, weil die fünf Fenge doch blos indirekde Schdeiern sein,
^e in das Loch fließen, was mer Moloch des Miledärismus nennt. Bier,
Schnabs un alles Beschdcierde muß den Sozialen unverschdeierd gegäm
wern, nachher is der Boygodd vollschdändig un de Noblesse gewahrd,
wozu Ihnen dringend raded -rgr

Bliemchen.

Prolelarrer und Agrarier.

Man spricht gewöhnlich von drei Ständen: Nährstand, Lehrstand,
Wehrstand. Um nun aber die Arbeiter und die Agrarier genauer zu
unterscheiden, schlagen wir vor, jene den Entbehrstand und diese den
Begehr st and zu nennen.

Lr saß so recht in, warmen Sonnenscheine
Auf schwankem Aestchen, mit den kleinen Lützen
Ls fest umklammernd, und der tapfre Kleine
Schien mir den Frühling jubelnd zu begrüßen.

Ihm war vor wintersturn, und wintergrimme
Beim warmen Sonnenkuß nicht länger bange
Und immer Heller, lauter ward die Stimme,

Und seiner schlichten weise lauscht' ich lange.

Und als ich heimwärts schritt im Abendgrauen,
verloren sich von meiner Stirn die Falten.

Ich sagte mir: „Ist wenig auch zu schauen —

Der Lenz ist dennoch nicht mehr aufzuhalten!
Sieghaft und glorreich wird es sich vollenden,

Das jetzt beginnt, das Knospen und das Sprießen,
Bis die belaubten Kronen aller Lnden
Zu grünem Dome sich zusammenschließen."

Und rastlos weiter Hab' ich dann gesonnen:

„Bis Frühlingsanfang find auch wir gediehen.

Der große völkerlenz — er hat begonnen
Und sieghaft, glorreich wird er sich vollziehen;

Denn Grimm und Tücke wird an ihm zu Schanden;
wie sie sich stemmen auch — wir werden's zwingen
Und in gewalt'gem Lhor in allen Landen
Das Hohelied des Rechts, der Freiheit singen!" n. £.

Der Staatssekretär im Nothstand.

ie Soiree beim Kommerzienrath Z. war glänzend
verlaufen; exquisite Speisen und schwere Weine
waren in unerschöpflicher Fülle dargeboten worden.

Nun war Mitternacht vorüber; der Staatssekretär von H., einer
der illustrer, Gäste des Kommerzienraths, fühlte eine ungewöhnliche
Schwere im Kopfe, eine große Müdigkeit in den Gliedern; er ent-
schloß sich daher nach Hause zu fahren.

Leider war die Equipage nicht zur Stelle; Johann, der treue
Rosselenker, ahnte nicht, daß sein Herr schon so früh ausbrechen würde.
Aber der Weg war nicht weit und heroisch entschloß sich der Herr
Staatssekretär, zu Fuß zu gehen.

Das war ein Wagniß, denn es schien, als ob die kalte Nacht-
luft jene Geister des Weines, die im Kopfe des Herrn von £. spukten,
erst richtig entfesseln wollte. Sein Schritt wurde unsicher, er taumelte,
und da — in einer Nebenstraße, fiel er über einen dunklen Körper,
der im Wege lag. Nun blieben beide Körper friedlich neben ein-
ander liegen.

„Halloh, was liegt da?" fragten sich einige Arbeiter, die aus
einer benachbarten Destille kamen.
 
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