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Der Au^gesperrte.

Von Jakob Audorf.

I.

„Die Sache drängt mit Ernst zu einem Ende.
Der Arbeitsnachweis muß in unsre Hände.

Wir müssen Herren unsrer Leute sein.

Nur dann kann wirklich unser Werk gedeihn;
Nicht, daß man uns hersendet Hans und Peter.
In erster Reihe nur Familienväter.

Die zwar in mancher Arbeit wohl erfahren.
Jedoch für uns schon meist zu hoch an Jahren;
Wir haben keinen Raum für Invalide!

Zum Formen. Drehn. vor Allem in der Schmiede
Braucht's in der ersten Reihe junge Kräfte;

Nur dann steh' ich dafür, daß die Geschäfte
Sich mehr und mehr zu unfern Gunsten wenden
Und. daß im nächsten Jahr die Dividenden
Der Aktionäre zeigen bessern Stand.

Wir müssen sehn zu sprengen den Verband
Der Arbeiter! Es ist der reine Hohn.

Daß mitbestimmen wollen sie den Lohn.

Verkürzen gar die Arbeitszeit am Ende!

Wo bleibt, ihr Herren, da die Dividende?

Nein, lieber wollen wir die Werke sperren.

Und ihnen zeigen, daß wir sind die Herren!"

Des Aufsichtsralhes und es wird beschlossen.
Daß man sofort ans Werk geh' unverdrossen.
Sich mit den andern Werken zu verbünden
Und dann durch Anschlag nächstens zu ver-
künden:

„Daß nur noch Leute werden angenommen.
Die von der Herren Arbeitsnachweis kommen
Und Alles das. was herstammt vom Verband
Der Arbeitnehmer, nicht wird anerkannt."

So. oder strenger noch war der Ukas.

Den eines Tags man an der Pforte las.

Die Leute sahen ihn zuerst mit Staunen.

Es ging von Mund zu Mund ein leises

Raunen.

Dann aber schwoll es an zur grimmen Wuth
Und schäumend sprengt die Däinme bald die

Fluth;

„Streik. Streik!" hört man es überall erschallen,
„Wir lassen den Ukas uns nicht gefallen."

Es wurde drauf Versammlung abgehalten.
Zur Vorsicht mahnten weise wohl die Alten,
Jedoch die Jungen überschrie'n sie: „Nein,
Wir woll'n nicht Dividendenknechte sein!"

So ward der große Ausstand denn beschlossen.

Es wurde appellirt an die Genossen

Und mancher gab sein Scherflein gern und

willig;

Ja. Jeder meint', es sei nur recht und billig.
Daß man. dem Ring der Arbeitsherrn zum

Trutz.

Nehm' seine Arbeitsbrüder treu in Schutz.

II.

Die Fabrikanten nahmen an den Krieg,
Sie hofften zuversichtlich auf den Sieg
Und auf die größ're Dividende.

Wenn erst zur Ruh' gebracht die „Hände".

Agenten wurden zahlreich ausgesandt

Von Stadt zu Stadt, ja selbst in fremdes Land;

Ja, wer als Vagabond schon halb verdorben.

Der ward sofort zur Arbeit angeworben.

Auch wenn er in der That nicht war zu brauchen.

Es sollten nur zum Schein die Essen rauchen!

So ward der Ausstand künstlich in die Länge
Gezogen von den Herrn.

Die große Menge
Hielt über alles Lob erhaben aus.

War auch der Schmalhans längst schon Koch im Haus.
Stets sah man auf dem Bahnhof „Streiker" stehen,

Es galt, die „Angeschleppten" zu erspähen.

Und fremde Arbeitsbrüder zu verwarnen.

Daß sie nicht fälschlich lassen sich umgarnen.

Doch wie's zu gehen pflegt, die Polizei vertrieb
Die „Streiker" bald, den Arbeitsherrn zu Lieb,

Und wenn just einer böse Miene machte.

Man hurtig ihn in das Gefängniß brachte.

Dort konterfeite ihn die Polizei

Für das Verbrecher-Album ab ganz nebenbei.*

Als dann ins Land gegangen viele Wochen.
War Hans und Kunz zu Kreuz gekrochen.

Kein Wunder, daß die „Herren" Sieger blieben
Und triumphirend sich die Hände rieben.

So spricht der Herr Direktor. Erst nur leise.
Dann lauter schallt der Beifall rings im Kreise

* Ist in Hamburg thatsächlich vorgekommen.
 
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