1170
Ein Kag im Voltzetdimst^ oder: Die verkehrte Welt. ^
von unserem Mark Twain.
%
f'iu
ch heiße Grob und war
früher auf den Diamanten-
feldern in Brasilien bei
einem Sklavenzüchter als
Werkführer thätig; eines
schönen Tages wurde ich
dort wegen meiner oft be-
währten Schneidigkeit von
den Negern dreiviertels-
todt geschlagen. Deshalb
schien es mir aus Gesundheitsrücksichten räthlich. das Klima zu wechseln,
und ich beschloß, nach Deutschland anszuwandern.
Aber was fängt man in Deutschland an?
„Es giebt dort zweierlei Menschen." sagte man mir. „Nämlich
solche, die einge-
sperrt werden und
solche, die das Ein-
sperren berufs-
mäßig betreiben.
Auf diese Weise
werden nach und
nach Alle versorgt
und die soziale
Frage wird auf die
gemüthlichste Weise
gelöst."
„Schön." sagte
ich. „dann werde
ich mich Denjenigen
anschließen, welche
die Andern ein-
sperren. Das stelle
ich mir amüsanter
vor. als das Ein-
gesperrtwerden."
Ich meldete mich
beim Oberbürger-
meister von Pose-
muckel als Gens-
darm.
„Wollen Sie
zu dem geheimen
Dienst?" fragte er.
Ich lehnte stolz
ab. „Das ist mir
zu dreckig. Ich will
einen ordentlichen
Gensdarm mit
Pickelhaube und
',Jch fesselte den dicken Lehmann und den kleinen Buchhalter kunstgerecht aneinander
und führte Beide auf die Hauptpolizeiwache."
Schleppsäbel spielen, damit mein Schnurrbart zur Geltung kommt
und die Philister Respekt vor mir haben."
Der Oberbürgermeister machte Schwierigkeiten; solche Stellen
seien eigentlich nur für Militäranwärter da; jedoch die guten Zeug-
nisse. welche ich von den Sklavenzüchtern Brasiliens mitbrachte, gaben
zu meinen Gunsten den Ausschlag.
„Sie sind als besonders thatkräftig und schneidig empfohlen,"
sagte der Oberbürgermeister.
„Und ob." meinte ich. nahm Boxerstellung an und gab dem Bürger-
meister einen brillanten Boxerstoß in korrektester Weise unters Kinn,
so daß seine falschen und echten Zähne bunt durcheinander kugelten.
„Schon gut," sagte er. nachdem er seine Zähne wieder sortirt
hatte. „Es bedarf keiner weiteren Probe Ihrer Schlagfertigkeit. Sie
sind engagirt. merken Sie sich nun Ihre Instruktion."
Hinsichtlich dieser Instruktion theilte er mir mit. es treibe sich
viel arbeitsscheues Gesindel in der Stadt herum, gegen welches ener-
gisch eingeschritte» werden müsse. Der Vorwand, daß keine Arbeit
zu finden sei. dürfe nicht beachtet werden, denn wer nur arbeiten
wolle, finde stets Arbeit. Deshalb sei Jedem, der diesen Vorwand
gebrauche, einfach Arbeitsauftrag zu ertheilen. und wenn er dein nicht
Folge leiste, sei er zu verhaften, eventuell auszuweisen. Wer sich
ohne Legitimation müßig herumtreibe, sei gefesselt an die Polizei-
wache einzuliefern. Wenn Jemand gegen solche Maßnahmen mit
Worten opponire. sei er wegen Beamtenbeleidigung zu arretiren;
leiste Einer thätlichen Widerstand, so solle der Gensdarm von seiner
Waffe Gebrauch machen.
„Werd' es besorgen." sagte ich.
„Bei Versammlungs-Ueberwachnngen." bemerkte der Oberbürger-
meister noch, „haben Sie darauf zu achten, daß die Redner nicht zu
,veit gehen; entziehen Sie denselben das Wort und lösen Sie die
Versammlung auf. so bald es Ihnen rüthlich erscheint."
Ich ivar nun nicht wenig stolz auf die mir ertheilten
Machtbefugnisse. Von solcher Exekutivgewalt hat ja der selige
Kaiser von Brasilien nie eine Ahnung gehabt.
„Jetzt zitt're. Byzanz." murmelte ich vor nnch hin. als
ich zum ersten Male mit Helm und Schleppsäbel die Straßen
meines Herrschgebiets durchschritt.
Richtig — da staud an der nächsten Straßenkreuzung
schon ein Trupp von Arbeitern, welche absolut nichts thaten.
„Warum arbeitet
Ihr nicht?" fragte
ich sie streng.
„Wir dürfen ja
nicht." erwiderten
sie. „Der Fabrikant
Lehmann, unser Ar-
beitgeber. will uns
keine Arbeit mehr
geben."
Ich stutzte. Wie
kann sich ein Fabri-
kant erlauben, die
Leute vom Arbeiten
abzuhalten! Das
ist ja ganz polizei-
widrig. „Wo ist
dieser Lehmann?"
fragte ich.
Man bezeichnete
mir das Komptoir;
säbelrasselnd trat
ich ein.
„Hören Sie. Leh-
mann," sagte ich.
„gegen Sie liegt
Ein Kag im Voltzetdimst^ oder: Die verkehrte Welt. ^
von unserem Mark Twain.
%
f'iu
ch heiße Grob und war
früher auf den Diamanten-
feldern in Brasilien bei
einem Sklavenzüchter als
Werkführer thätig; eines
schönen Tages wurde ich
dort wegen meiner oft be-
währten Schneidigkeit von
den Negern dreiviertels-
todt geschlagen. Deshalb
schien es mir aus Gesundheitsrücksichten räthlich. das Klima zu wechseln,
und ich beschloß, nach Deutschland anszuwandern.
Aber was fängt man in Deutschland an?
„Es giebt dort zweierlei Menschen." sagte man mir. „Nämlich
solche, die einge-
sperrt werden und
solche, die das Ein-
sperren berufs-
mäßig betreiben.
Auf diese Weise
werden nach und
nach Alle versorgt
und die soziale
Frage wird auf die
gemüthlichste Weise
gelöst."
„Schön." sagte
ich. „dann werde
ich mich Denjenigen
anschließen, welche
die Andern ein-
sperren. Das stelle
ich mir amüsanter
vor. als das Ein-
gesperrtwerden."
Ich meldete mich
beim Oberbürger-
meister von Pose-
muckel als Gens-
darm.
„Wollen Sie
zu dem geheimen
Dienst?" fragte er.
Ich lehnte stolz
ab. „Das ist mir
zu dreckig. Ich will
einen ordentlichen
Gensdarm mit
Pickelhaube und
',Jch fesselte den dicken Lehmann und den kleinen Buchhalter kunstgerecht aneinander
und führte Beide auf die Hauptpolizeiwache."
Schleppsäbel spielen, damit mein Schnurrbart zur Geltung kommt
und die Philister Respekt vor mir haben."
Der Oberbürgermeister machte Schwierigkeiten; solche Stellen
seien eigentlich nur für Militäranwärter da; jedoch die guten Zeug-
nisse. welche ich von den Sklavenzüchtern Brasiliens mitbrachte, gaben
zu meinen Gunsten den Ausschlag.
„Sie sind als besonders thatkräftig und schneidig empfohlen,"
sagte der Oberbürgermeister.
„Und ob." meinte ich. nahm Boxerstellung an und gab dem Bürger-
meister einen brillanten Boxerstoß in korrektester Weise unters Kinn,
so daß seine falschen und echten Zähne bunt durcheinander kugelten.
„Schon gut," sagte er. nachdem er seine Zähne wieder sortirt
hatte. „Es bedarf keiner weiteren Probe Ihrer Schlagfertigkeit. Sie
sind engagirt. merken Sie sich nun Ihre Instruktion."
Hinsichtlich dieser Instruktion theilte er mir mit. es treibe sich
viel arbeitsscheues Gesindel in der Stadt herum, gegen welches ener-
gisch eingeschritte» werden müsse. Der Vorwand, daß keine Arbeit
zu finden sei. dürfe nicht beachtet werden, denn wer nur arbeiten
wolle, finde stets Arbeit. Deshalb sei Jedem, der diesen Vorwand
gebrauche, einfach Arbeitsauftrag zu ertheilen. und wenn er dein nicht
Folge leiste, sei er zu verhaften, eventuell auszuweisen. Wer sich
ohne Legitimation müßig herumtreibe, sei gefesselt an die Polizei-
wache einzuliefern. Wenn Jemand gegen solche Maßnahmen mit
Worten opponire. sei er wegen Beamtenbeleidigung zu arretiren;
leiste Einer thätlichen Widerstand, so solle der Gensdarm von seiner
Waffe Gebrauch machen.
„Werd' es besorgen." sagte ich.
„Bei Versammlungs-Ueberwachnngen." bemerkte der Oberbürger-
meister noch, „haben Sie darauf zu achten, daß die Redner nicht zu
,veit gehen; entziehen Sie denselben das Wort und lösen Sie die
Versammlung auf. so bald es Ihnen rüthlich erscheint."
Ich ivar nun nicht wenig stolz auf die mir ertheilten
Machtbefugnisse. Von solcher Exekutivgewalt hat ja der selige
Kaiser von Brasilien nie eine Ahnung gehabt.
„Jetzt zitt're. Byzanz." murmelte ich vor nnch hin. als
ich zum ersten Male mit Helm und Schleppsäbel die Straßen
meines Herrschgebiets durchschritt.
Richtig — da staud an der nächsten Straßenkreuzung
schon ein Trupp von Arbeitern, welche absolut nichts thaten.
„Warum arbeitet
Ihr nicht?" fragte
ich sie streng.
„Wir dürfen ja
nicht." erwiderten
sie. „Der Fabrikant
Lehmann, unser Ar-
beitgeber. will uns
keine Arbeit mehr
geben."
Ich stutzte. Wie
kann sich ein Fabri-
kant erlauben, die
Leute vom Arbeiten
abzuhalten! Das
ist ja ganz polizei-
widrig. „Wo ist
dieser Lehmann?"
fragte ich.
Man bezeichnete
mir das Komptoir;
säbelrasselnd trat
ich ein.
„Hören Sie. Leh-
mann," sagte ich.
„gegen Sie liegt