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1472

„Oho," sagte ich, „die Polizei ist soeben damit beschäftigt, das
müßig hernmlungernde Pack einzufangen und ins Arbeitshaus zu
sperren oder hinaus auf die Landstraße zu jagen. Wer keine Arbeit
Nachweisen kann, ist als Vagabond anzusehen, und ich wüßte nicht,
warum ich mit Dir eine Ausnahme machen sollte."

Bei diesen Worten packte ich den Burschen am Kragen. Sein
Spießgeselle hatte sich mittlerweile aus dem Staube gemacht. Der
Arretirte aber
schrie wie ein
Ferkel im
Schlachthause,
riß sich los und
versuchte, sich
gegen die er-
neute Fest-
nahme mit dem
Billardqueue zu
wehren.

„Thätlicher
Widerstand ge-
gen die Staats-
gewalt," kon- |j. r.
statirte ich, zog
meinen Säbel,
und mit dem

ersten Hiebe zerschlug ich das Queue, mit dem zweiten dem Wider-
spenstigen das rechte Ohr ab.

Nun fügte er sich; aber ich vermuthe, er that es nicht aus Staats-
raison, sondern nur aus Besorgniß für sein anderes Ohr.

Als ich ihn mit gebundenen Händen in das Polizeihaus ein-
führte, brachte ein anderer Gensdarm gerade zwei sehr geschminkte
„Damen" der Halbwelt.

„Servus, Franzl!" riefen diese meinem Gefangenen vertrau-
lich zu; ein Beweis, wie solches Gesindel untereinander Gemein-
schaft pflegt.

Für den Abend hatte ich eine Versammlung zu überwachen. Sie
war von den Ultramontanen einberufen, und der Polizei-Inspektor
meinte, man würde von der Ueberwachung ganz abgesehen haben,
wenn nicht zu befürchten stände, daß Sozialdemokraten erscheinen und
das Wort verlangen könnten.

Ich erwiderte: „Ich kenne meine
Instruktion; wenn ein Redner zu weit
geht, dann —" Zur Vollendung des
Satzes schlug ich an meinen Säbel, daß
er mächtig klirrte.

Die Versammlung war zahlreich be-
sucht und fing sehr langweilig an. Der
Referent redete allerlei dummes Zeug
von Wehrhaftigkeit und Kriegsgefahr, als
ob in jedem deutschen Walde ein Volk
von Indianern hause, die den Ein-
wohnern jeden Augenblick die Häuser
niederbrennen und die Skalps rauben
könnten. Endlich kam der Redner auf
die Kosten zu sprechen, die seine gerühmte
Wehrhaftigkeit den biedern Deutschen
verursachen sollte, und er meinte, so an
fünfzig bis siebzig Millionen Mark jähr-
lich könnte man der Regierung dazu recht
gut bewilligen.

„Halt!" rief ich dazwischen. „Der
Redner geht entschieden zu weit! Wie
kann er sich erdreisten, eine solche Forde-
rung zu stellen. Ich entziehe dem Redner
das Wort!"

Der Vorsitzende klingelte, die anwesenden Sozialdemokraten
applaudirten.

Ich fuhr fort: „Die ganze Versammlung scheint mir überhaupt
nur den Zweck zu haben, dem Publikum Sand in die Augen zu
streuen. Der Redner faselt fortwährend von Krieg, und es ist gar
kein Krieg; der Redner behauptet, unser Militär sei nicht stark genug,
das Land zu schützen. Das ist eine Schmähung von Staatseinrichtungen,

eine Verleum-
dung der Armee.
Der Redner will
viele Millionen
bewilligen und
es sind gar keine
Millionen da!
Solchen boden-
losen Leichtsinn
dulde ich nicht!
Die Versamm-
lung ist aufge-
löst."

Der Vor-
sitzende prote-
stirte. Ich entriß
ihm die Klingel
und schlug ihm
mit derselben ein
Loch in den
Kopf. Dann zog
ich den Säbel
und räumte den
Saal mit kräf-
tigen Hieben in
drei Minuten.

Die Sozialdemokraten brachten vor dem Hause noch ein Hoch auf
mich aus.

So endete mein erster Tag im Polizeidienst mit einem wohl-
verdienten Triumph.

Leider wußten meine Vorgesetzten aber meine Verdienste nicht
zu würdigen. Ich erhielt am anderen Tage ein Schreiben vom Ober-
bürgermeister, welches meine sofortige
Dienstentlassung verfügte, da ich eine
Reihe ganz unerhörter Mißgriffe an den
angesehensten Personen von Posemuckel
begangen hätte.

Als ich dies gelesen, überlegte ich,
ob ich wohl den Herrn Oberbürgermeister
kurzer Hand wegen Gensdarmen-Be-
leidigung verhaften oder die Sache dem
Ministerium für Volksaufklärung über-
geben solle.

Ich entschloß mich für Letzteres, wies
in meinem Bericht haarscharf nach, daß
ich lediglich den Instruktionen folgte, die
der Oberbürgermeister mir selbst gegeben
hatte. Auf mein gutes Recht pochend,
verlangte ich eine entsprechende Beförde-
rung, eventuell Pensionirung mit vollem
Dienstgehalt.

Ueber die schneidige Art und Weise
meiner Amtsführung gab ich eine ge-
naue Schilderung und wenn ich nun
nicht mindestens dreitausend Mark Pen-
sion und das allgemeine Ehrenzeichen
bekomme, dann giebt es keine Gerechtig-
keit mehr auf Erden.

Ich erhielt am anderen Tage ein Schreiben'vom Oberbürgermeister,
welches meine sofortige Dienstentlassung verfügte, da ich eine Reihe
ganz unerhörter Mißgriffe begangen hätte.

Der Vorsitzende protestirte. Ich ent-
riß ihm die Klingel uitb schlug ihm
mit derselben ein Loch in den Kopf.
Dann zog ich den Säbel und räumte
den Saal mit kräftigen Hieben in
drei Minuten. Die Sozialdemokraten
brachten vor dem Hause noch ein
Hoch auf mich aus. So endete mein
erster Tag im Polizeidienst mit einem
wohlverdienten Triumph.
 
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