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1474

Lin Exilog.

ott sei Dank, der erste Mai,

Den des Teufels List erfunden,
2st nun endlich auch vorbei —

Ach, das waren bange Stunden!
Hab' ich doch zum Mittagsmahl
Line Taube kaum genossen
Und es schmeckten von der (Anal
Bitter mir die Zpargelsprossen.

Sollt' ich sehen fort und fort
Sie zum Wäldchen ziehen munter?
Rein, der ganzen Welt zum Tort
Zog ich die Rouleaux herunter.
Schlafen wollt' ich, doch es trog
Mich des milden Schlummers Hoffen;
Line große Fliege flog
Summend um mich wie besoffen.

Seufzend stand ich wieder auf
von dem Uanapee, dem weichen.
Und der fernere Verlauf
War ein träges Stundenschleichen.
Die verdammte Fliege sah
An der Decke ich spazieren —
Doch, was draußen auch geschah,
Lins blieb aus — das Attaquiren!

Dieses Volk und seine Kier,

Daß sie doch der Teufel hole!

Herb wie Kalle schmeckte mir
Die geliebte Maitrank-Bowle.
Selber hatt' ich sie gemischt
In des Vormittages Stunden
Und mit Selters sie erfrischt —
Doch kein Tropfen wollte munden.

Mich zu necken macht' ihr Spaß
Und sie brachte mich in Hitze —
Wieder, immer wieder saß
Sie auf meiner Aasenspitze.

King nicht fehl mir jeder Streich,
King es sicher ihr ans Leben —
Zähnefletschend hätt' ich gleich
Meinem Laubfrosch sie gegeben!

Abends seufzt' ich schwer und tief
Und ich dachte: (S> wie schade!
Dieser erste Mai verlief
Wieder ohne Füsillade!

Anlaß gaben jedenfalls
Sie zu keinem Flintenknattern,

Und ich wünschte an den Hals
Ihnen Pest und schwarze Blattern.

Abends zogen froh sie heim;
Niemand suchte zu entfernen.

Die doch schon des Aufruhrs Reim,
Diese rothen (hört!) Laternen.
Allwärts haben sie gestrahlt
Freudig in der Straßen Mitten;
Line 8 war draufgemalt —

Und kein Mensch ist eingeschritten!

Unsrer hohen Tbrigkeit
Scheint's, zum Kram loyaler Seelen,
Ganz und gar an Lchneidigkeit
Und an Lnergie zu fehle».

Beiter hat sie und Kewehr,

Denen sie doch Arbeit schuldet —

Ich verstehe sie nicht mehr,

Leit sie solche — „Feste" duldet!

Die Leiche des Kommerzienraths.

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war tobt.

Auf einem Spaziergange in heißer Mittagszeit, un-
fern der Villa, welche ihm zum Landsitz diente, war der
Herr Kommerzienrath plötzlich leblos umgesunken und
lag nun steif und starr im Grase. Dorfkinder trugen
die Schreckensnachricht zu den Landhäusern, wo die
fremden Herrschaften wohnten.

Das war ein Aufsehen! Die spindeldürre Frau Kommerzienräthin
mit den kunstvoll gedrehten Schmachtlocken und dem gepuderten Antlitz
wollte das Schreckliche gar nicht glauben und fuhr die Boten grob
an, sie seien wohl närrisch! Als weitere Zeugen den Unfall bestätigten,
fiel sie in eine Art von Ohnmacht und ihre beiden Dienstboten hatten
alle Hände voll mit ihr zu thun, um sie durch scharf riechende Essenzen
zu erfrischen.

Die Leiche lag noch immer draußen im grünen Rasen.

Endlich übernahmen es unaufgefordert mehrere Waldarbeiter, den
Herrn Kommerzienrath auf einer Tragbahre herbeizubringen.

Die ganze Fremdenkolonie war in Aufregung. Man wollte ihn
sehen und wich doch wieder scheu zurück, als die Bahre nebst der mit
Blättern und Zweigen nur unvollkommen bedeckten Leiche vor der Thür
des Landhauses niedergestellt wurde.

„Nicht ins Haus!" schrie ein Fraulein mit nervöser, mißtönender
Stimme. „Ich kann mit keiner Leiche unter einem Dache bleiben."

Es war die älteste der drei Nichten des Kommerzienraths, welche
ihre Verwandtschaft mit dem reichen Manne geschickt ausgenutzt und
sich bei ihm gut einzuschmeicheln verstanden hatten. Sie wohnten in
seinem Hause und führten auf seine Kosten ein müßiges Leben.

„Nur die Leiche nicht ins Haus!" bemerkte auch die zweite Nichte,
welche der Liebling des Kommerzienraths gewesen war.

Ueber das Antlitz der Leiche flog ein Schatten, wahrscheinlich von
Blättern, die im Winde bewegt worden waren. Der Ausdruck der
Gesichtszüge schien bitterer geworden zu sein.

Jetzt kam die Gattin.

„Mein armer Mann!" Das klang schmerzbewegt. „So plötzlich
geht er dahin! — Mir wollte er das Seebad nicht bewilligen, weil
ihm die Ruhe auf dem Landsitz bequemer war; nun ist gerade hier
das Unglück fertig."

Darin lag schon ein wenig Rechthaberei. Die Frauen müssen
immer das letzte Wort haben.

Von einem der Umstehenden wurde aufmerksam gemacht, >nan
müsse doch einen Arzt und eine behördliche Person herbeiholen.

„Freilich, freilich," sprach die Kommerzienräthin aufgeregt.
„Friedrich, besorgen Sie das. Ich bin ja ganz außer mir! Und Sie,
Nanni, müssen in die Stadt wegen der Trauertoiletten. Es muß
sein — Schwarz im heißen Sommer! Und Schwarz kleidet mich ohne-
hin so schlecht."

„Wohin aber mit der Leiche?" fragten die Arbeiter. Auch die
Kommerzienräthin sprach nicht das Machtwort, sie ins Haus zu tragen.
Die Leiche des zehnfachen Hausbesitzers war obdachlos. Der bittere,
grimmige Ausdruck auf ihrem Antlitz vertiefte sich. Endlich wurde
sie in einer nahen Holz- und Lagerhütte einstweilen untergebracht, bis
der Herr Gemeindevorstand und der Bezirksarzt gekommen seien.

Die Herrschaften des Landsitzes umdrängten neugierig die Hütte.
„Kommen Sie doch näher," sagte ein junges Mädchen zu einer stolz
und vornehm dreinschauenden jungen Frau. „Sie haben ja gestern
Abend noch so angelegentlich mit ihm konversirt."
 
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