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1408

H>kWndre Zeiten, andre Götter!
yl Wechsel ist des Weltlaufs Zeichen,
Einstens in den ßeil'gen Kainen
Rauschten mächtig Wotans Eichen.
Jäger senkten itzre Zpeere,

Zitternd vor des Donn'rers Zorne,

And es spann des Zchicksals Jaden
Unabänderlich die Vorne.

Götter-wechsel.

Doch es stürzten die Mltäre,
Göttertzitder, Lempelßatten,

Wotans Ratzen sind entflogen,
Wotans Eichen sind gefallen.

Mit der Legre der Entsagung
Rainen gläuvig fromme Lgristcn,
And danetzen Tempel baute»
Muselmanen und Buddhisten.

Einst in südlich schönen Landen
Mm Gestad des ölauen Meeres
Ragten weiße Tempelsäulen —

Für Diana und für Leres
And tzcsonders für die Venus,

Für die Kchüherin dev Lieöe
Brachten Menschen reiche Opfer
Mit des Kerzens frommem Trieve.

Manch' Jatzrgundert zog vorützer,
Reu jetzt ist die Welt gestaltet,

And es sind die alten Legren
Normen, drin kein Geist mehr waltet.
Nur den Mrmcn, den Entervten
Wird Entsagung noch gepriesen —
Dem Gott Mammon in Verehrung
Keut die Kerzen sich erschließen.

Dem Gott Mammon vaut man Tempel,
Itrachtpaläste sonder Gleichen,

Keinem Kultus weihe» schwelgend
Sich keim üpp'gen Mahl die Reichen.
Igm zu Lieve wird Lgaraktev,

Recht und Egrlichkeit verachtet,
Menschenopfer werden grausam
Dem Sott Mammon tzingcschlachtet.

Mammon ist der Gott des Tages —
Doch die goldnen Kaulen öcöen,

Wie Jupiters Kaulen sielen;

Mndre Zeit tzringt andres Leven.

Beuge, Volk, dich nicht dem Götzen,

Dem sie heute Ruhm erzeigen,

Korge, daß der Freiheit Göttin
Möge öald den Thron vestcigen. m. k.

Ein Agitator.

von Blieincherr.

cjp|jee Herrn Se, ich sage Sie, was mer bei der heidigen Rede
4 freihecd in de Didsche gommen gann, wenn mer e bedcidender
Redner is, das is Sie großardig, dadervon gann ich ä Liedchen singen,
nach den Abendeier, was mir daneiligst kassieren daht.

Ich war Sie nämlich bei'n Leichenverbrennungsverein eingeladen,
wo ich ä Vordrag iber de Feierbeschdaddung Halden solide, wovon

ich ä -großer Verehrer bin, weil
mir'sch Verwäsen gar so unabbedied-
lich is. Zuhause hadd' ich mich sorg-
fäldig vorbercided, un de Zeid war
schon vorgerickd, wie ich ins Ver-
sammlungslokal dabbte.

Das Lokal war in än großen
Vereinshause, wo noch änne ganze
Hecke Vereine sich versammeln. Ich
unglickliches Dierchen Hab' nu gar
geene Ahnung, daß mir Leichen-
verbrenner nich 'n großen Saal,
sondern den gleenen inne hadden.
Ich geh' in großen Saal, sage dem
Dierschdeher, der mich nich gennen
daht, ich war' der Vordragende, un
da duhn se mich ohne Umschdände
uffs Bodium nufs schleppen.

Da schdand ich nu un sreide mich
iber die vielen Leichenverbrenner, un hadde gar geene blasse Ahnung,
daß ich mich eegendlich in änner sozialen Versammlung befinden daht.
Die Sache war nämlich, wie ich schbäder erfuhr, die: der soziale
Referend war abgehalden un hadde geschrieben, er schickd womeeglich
än Schdellverdräder. Wie ich nu gam, un wie se meine imbonirende
Berseenlichgeed sehn dahden, gloobden se ohne Weideres, daß ich der
Schdellverdräder wär', un erdeelden mir's Word.

Na, in Anfänge ging Alles gud. Ich sagte: „Meine Herrn,
wie Se wissen wär'n, miß' mer Alle einal schderben," un machde nu
änne boedische Einleidung; nachher rickd' ich langsam uffs Dema los.
Mid den heid'gen Zuschdänden, mid den Verfaulungsprozeß, der Alles
verpested, mißde ä Ende gemachd wer'n, sagd' ich so rechd mid Nachdruck.

Uff eemal, ich denke, der Affe kratzd mich! schbringt ä Bollezei-
inschbeckder uff, un sagd, ich dähde zu weit geh'n, solche uffriehrerische
Reden gennde er nich dulden.

„Aber Herr Jnschbeckder," sag' ich, „sein Se doch nich so un-
gemiedlich! Ich weeß ja, daß unsre Sache in den öberschden Kreisen
Gegner had; besondersch de Kärche guckd uns schief an. Aber dadervon
lassen mer uns nich abschrecken! Schon de alden Reemer sein uns
mid guten Beischbiel vorangegangen. Ich erinnere Sie blos an die
Leiche des reemischen Kaisers . .

Hier blatzde mir der Bollezei-Jnschbekder schon wieder dazwischen,
er mißde mich zur Sache verweisen, uff der Tagesordnung schdänd'
das Kranken- un Begrübnißgassenwesen.

„Nu ja," sagd' ich, „das Gassenwesen gommt freilich ooch ins
Schbiel, aber das is Nebensache, je mehr unsre Idee um sich greifd,
desto mehr werd das Feier als Middel angewandt, un nachher solln
Se emal sehen, wie billig de Leichen sein. Aber Feier muß her, ver-
brannd muß wer'n!"

Jetzd endschdand änne Bewegung in Saale. Der Jnschbeckder
wollde mir's Word endziehn. Ich denke in mein' dummen Gedanken:
Ei du Luderchen, du bist ja ä ganz verbissener Leichcnverbrcnnungs-
gegner, aber dich werde ich schon bekehren.

„Ich weeß, was Sie meen'; Sie meen' de Giftmorde," sag' ich
rechd eindringlich; denn beganndlich sein de Kriminellen gegen de

X'

„Herr Jnschbeckder," schrie ich durch den Lärm, „denken Se doch an Ihre eegne Leichei
Wenn Se erschd dod daliegen duhn . .

Verbrennung, weil mer an der verbrannden Leiche geen' Giftmord
konschdadirn gann. Aber ich bidde Sie," fahr' ich ford, „wenn sich's
ums Wohl un de Gesundheed von der gansen Bevölkrung handeld,
wie gann. es da uff än vereenzelden Giftmord angomm'?"
 
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