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1503

„Ehrenpflicht der Wohlhabenden!'

II.: Ich bin begierig, ob die Anhänger der Militärvorlage im Reichs-
tag halten werden, was sie bei den Wahlen versprochen haben.

B.: Kann mir's denken: nach der Wahl ziehen sie die Spendir-
hosen wieder aus und schlüpfen in die Filzpantoffeln.

Herr Alexander Meper

soll seinen berühmten Ausspruch: „Das Bier, das nicht getrunken wird,
hat seinen Berns verfehlt", so abgeändcrt haben: „Der Nickel, der nicht
für Militärzwecke verwendet wird, hat seinen Berns verfehlt."

Eugen Sichter auf den Kuiuen def, Freisinns.

„Vernichtet!" jnbelt' ich im Februar.

O Schmach, o Pein! wie Hab' ich mich verhauen!

Ja ja, die Zukunft — schrecklich wird mir's klar —

Läßt sich von Niemand in die Karten schauen.

Der glückliche Caprivi.

A. : Wie wird Caprivi sich zu der sozialdemokratischen Stimmcn-
zunahme stellen, welche die erste Folge seiner Reichstagsauflösung ist?

B. : O, Caprivi hat eine außerordentlich glückliche Natur; er macht

es wieder wie beini Nothstand — er sieht einfach das Wahl-
resultat nicht. _.„—

Aus der Mahlzeit.

Liebe Jette! So viel Tropfen Tinte fd)cm über die Militärvorlage
vergossen worden sein, so viel Küsse sende ick Dir. Dieser Brief is mein
Flugblatt und soll bei Dir agitiren. Laß ab von dem Militarismus,
dem Feldwebel, meinein Gegenkandidaten, und wähle mir, einen zivili-
sirten Zivilisten. Mein Programm hceßt: Ick liebe Dir! Denk' an die
Opfer an Wurst, Bier und baarein Geld, die der unersättliche Militaris-
nnis, der Feldwebel, Dir schon ausgcpreßt hat und gieb ihm endlich den
Laufpaß. Schließe Dir mir an zum eivigen Licbcsbund, der keine Auf-
lösung erleben soll. Laß Dir von dem Militarismus, dem Feldwebel,
keine Flausen imb Wippchen mehr vormachen, bewillige chm keine Wurst
und keinen Groschen mehr, er bleibt alsdauit schon von selber weg, und
lege in die Urne Deines Herzens einen Wahlzettcl mit den: Namen

Thaddäus Schwefelmaier.

Hobrlspähnr.

Ich bin der Schreiner Säge
Und hoble mit fleißiger Hand;

An des Kunstgewerbes Pflege
Stets viel Geschmack ich fand.

Manch' Kuirden, manchen nobeln,

Hab' ich befriedigt schon —

O, könnt' einen Sarg ich hobeln
Einst für die Reaktion!

Die Spar-Agnes hat einen ungeheuren
Erfolg zu verzeichnen. Nach ihrem Beispiele waren
die früheren Anhänger Nichter's mit der Abgabe
freisinniger Stimmzettel so sparsam, daß die
Richter'sche Partei fast flöten ging.

Schafft immer nur neue Gewehre an,

Kanonen, Flinten und Säbel,

Das schützet Euch nicht vor dem „kommendeil Mann",

Der kommende Mann ist Bebel.

Als man den niederbayerischen Bauern sagte, es handle sich bei der
Reichstagsivahl um das Wohl des Vaterlandes, da wählten sie
schleunigst den Or. Sigl, den Redakteur des „Vaterland", in den
Reichstag. * * *

Es glauben die Antisemiten

Von Wucher und Schacher sich frei —

Beim Kuhhandel aber im Reichstag
Da sind auch sie dabei.

Die niederbayerischen Bauern haben den Zentrumsführer Graf Preysing
durchfallen lassen, daniit er nicht um zufallen braucht.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

ex® I^ietichnuS. @>ts

Die nackten Vilder flieht der Pietifl,

weil schwach fein Geist, fein Fleisch gar willig ist.

zustimmen in den Ruf: „Juden raus". Denn
Duckemich hatte den Feinden des Knoblauchs und
der Beschneidung ernstlich auf sein Manneswort
versprochen, der verderblichen Sturmfluth des
Hebräerlhums Deich und Damm entgegenzusetzcn.
Und wieder gab er sein Jawort lind wieder schüt-
telte er die Hände der mannhaften Germanen, deren
letzter ihn mit blitzartiger Geschwindigkeit noch beim
Herausgehen »m zivci Thaler anpumpte.

Da überreichte ihm der Diener zwei Depeschen.
Die eine war von der Handelskammer, den Groß-
händlern und den Vertretern der kleinen Leute,
die ihn als Freihändler gewählt hatten, unter-
zeichnet. Sic lautete:

„Ersuchen Sie morgen Ihrem Wahlversprechen gemäß
für deutsch-russischen Handelsvertrag zu stimmen."

Jeremias erblaßte. Das andere Telegramm
hatte folgenden Wortlaut:

„Gemäß Uebereinkunft bei Seltfrühschoppen i„ Dummer-
witz mahni Bund der Landmirthe und alter beiesligter Grund-
besitz des ganzes Wahlkreises ihren auf agrarisches Programm
verpflichteten Abgeordneten, deutsch-russischen Handelsvertrag
ntederzustimmen. Hitze scheußlich, Nothstand groß, Cham-
pagner vorzüglich.

Freiherr von Schinderhannes und Genossen."

Jeremias Duckemich schlotterte und seine Ptilse
flogen. Nein, Ja, Ja, Nein, was thun?

Doch große Geister wissen sich zu helfen.
„Kellner", rief Jereinias, in das Restaurant tretend,
„ein' Rolhspohn."

Träumerisch saß er da, bis ein rettender Ge-
danke sein Hirn durchzuckte.

„Ich habe mich nur verpflichtet, abzustimmen,
wenn ich im Reichstag bin", murmelte Duckemich,
„wenn ich nicht da bin, kann ich nicht abstimmen
und werde auch nicht wortbrüchig. Ich reise ab
und überlasse das Abstimmen denjenigen Kollegen,
die weniger versprochen haben."

Am nächsten Tage waren die freisinnigen und
nationallibcralen Bänke leer, alle Duckemichs hatten
Urlaub genommen. g&z

Meteorologische Wahlagitation

im Wahlkreis Celtow-Tharlottenburg.

„Seht Ihr nicht, wie Gott Euch seinen
b e f r u ch t e n d e n Regen v o r e n t h ä l 1,
Euren Roggen verkümmern. Eure Wiesen
verdorren. Euer Vieh verhungern und dürsten
läßt, weil der rächende Gott unwillig seine
fürsorgliche Hand wegen Eurer gegenwärtigen
Verirrung von Euch wegwendet?"

Aus dem konservativen Wahlflugblatt
für Teltow-Charlottenburg.

2Ils Zubeil in die Stichwahl kam,

Das Unglück seinen Anfang nahm —

Es war im Wahlkreis weit und breit
Gar eine große Trockenheit.

Der Fimmel war gesinnt feudal,

Die Wolken waren klerikal,

Thau, Dunst und Nebel einten sich
Zum Ordnungsbrei gar säuberlich.

Sie führten zu der Wähler Pein
Den Regenwolken-Bo^kott ein
Und gaben keinen Tropfen mehr
Für diesen bösen Wahlkreis her.

Doch ach, verstockt am Wahltag war
Der sozialist'schen Wähler Schaar,

Sie wählten, wie es Mannespflicht,

Und fragten nach dem Wetter nicht.

Fünf Jahre nun gilt Zubeil's Wahl!

Fünf Jahre nicht ein einz'ges Mal
Stellt sich im Ureis ein Regen ein,

Stets wird dort schönes Wetter fein.

Nach dort drum Sonntags Alle ziehn,

Und hocherfreut ist ganz Berlin,

Das; selbst Jupiter pluvins
Dem Sozialismus weichen muh.

n

Bebel als Papst.

A. : Haben Sie schon gehört: Bebel ist Papst
geworden.

B. : Ah, wie hat er das erreicht?

A.: Ganz einfach; er hat den Reichstags-
sitz des früheren Abgeordneten Petri in Straß-
bnrg erobert, er wird also nächstens den Stuhl
Petri einnehmcn.

Schwäbischer Demokralrnspruch.

Dem Manne ziemt die Treue,

Dein Volksparteiler die „Schläue".

Sicheres Merkmal.

Welcher Unterschied ist zwischen Ultramon-
tanen und Demokraten?

Bei den Ultramontanen fallen die Abge-
ordneten um, aber die „Demokraten" sind viel
weiter vorgeschritten, bei denen fallen schon die
Wühler um. _M_

Luxussteuer.

Luxussteuer! — Gut, ich sage:

Vorab ihr besteuern müßt
Hoch die Militärvorlage,

Die der größte Luxus ist.

Auf Gegenseitigkeit.

A. : Es ist doch merkwürdig, daß inr ersten
Berliner Wahlkreise der Eaprivi für den Frei-
sinnigen gestimmt hat.

B. : O nein, das ist nur eine Gefälligkeit, die
auf Gegenseitigkeit beruht. Im äußersten Noth-
falle wird der Freisinn auch für die Plane
Caprivi's stimmen.
 
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