1530-
Beamter im französischen Unterrichtsministerium. 27 Tartaret.
Delegirter aus Paris. 28 Hins. Journalist aus Belgien, jetzt
Universitätsprofessor. 29 De Paepe. Cäsar, danmls Buchdrucker (er
hatte damals so leichtes Gepäck, daß er zu Fuß von Basel nach
Brüssel heimkehren mußte), studirte später Medizin, tüchtiger Journalist
und Theoretiker; starb am 19. Dezember 1890. 30 Johann Philipp
Becker, über ein halbes Jahrhundert im Vorkampf, mit Feder und
Schwert — gestorben 1886. 31 Eccarius. Verfasser der trefflichen
Arbeit über die Schneiderei in London. Kritiker Mill's. Lebt noch,
aber nicht mehr aktiv. 92 Richard. Weber aus Lyon. Bakunist,
als Agent der Bonapartisten verschollen. 33 Jung. Uhrmacher,
der vielsprachige Vorsitzende verschiedener internationaler Kongresse.
34 Quinche. Bandweber aus Basel 35 Flocguet. Monteur aus
Locle. 36 Pindy. Tischler, später Mitglied der Kommune, dann
Anarchist, jetzt Angestellter eines eidgenössischen Goldprobers.
37 Applegarth, Zimmermann aus London. Mitglied des General
raths. 38 Brismöe. Buchdrucker, der Vater des belgischen Sozialis-
mus. seit einigen Jahren todt — gleich seinem Schwiegersohn de Paepe.
39 Varlin. Buchbinder, später Mitglied der Kommune, von den
Versaillern langsam gemordet. (Greulich bezweifelt, daß dies Varlin
sei. den er auf dem Bilde nicht findet.) 40 Moritz Heß. einer der
Patriarchen des deutschen Sozialismus. Seit zwanzig Jahren todt.
41 Flahaut. Mar>norarbeiter von Paris. 42 Cowell Stepney. eng-
lisches Parlamentsmitglied, Philanthrop. Apostel des ewigen Friedens.
Charlottenburg, den 2. Juli 1893.
W. Liebknecht.
->*<-■
Was öer Derwisch wußte.
Line morgenländische Geschichte.
er Sohn der Sonne und Herr der Erde, wie sich
der Selbstherrscher aller Perser nennen zu hören
gewöhnt war. saß eines schwülen Nachmittags
in seinem Lieblingskiosk im Schloßgarten zu
Teheran und ließ aus seiner edelsteinbesetzten
Meerschaumpfeife Nr. 291 mächtige Rauchwolken
in die blaue Luft und über die Rosen von
Schiras hinwallen. Mächtiger aber noch und
in den Augen der Palastbewohner viel gefahr-
voller als diese Wolken, schienen die. welche zur
selben Zeit seine erhabene Stirn umlagerten, ein
sicheres Zeichen, daß freche Sorgen unehrerbietig genug waren, die seiner
sozialen Stellung zukommende ungetrübte Glückseligkeit zu
unterbrechen.
Und Sorgen der allerordinärsten und niederträchtigsten
Art. solche, wie sie nur den verachtungswürdigen Giaurs
im Abendlande zukommen, waren es. welche gleich einem
Diebe in der Nacht ihren Weg über die stattlichen Marmor-
stufen des Palastes und zwischen den krummen Säbeln der
zahlreichen Wächter seiner geheiligten Person hindurch ge-
funden hatten. Stetig wuchsen die Bedürfnisse des Harems,
seitdem er die Monotonie, die darin seit Alters her zu
herrschen pflegte, dadurch unterbrochen, daß er in die Reihen
der fügsamen und genügsamen orientalischen Sklavinnen
die ausgesuchtesten Exemplare französischer Cocotten und
amerikanischer Abenteuerinnen versetzte, die freilich viel
anregender auf seine erschlaffenden Lebensgeister wirkten, zu-
gleich aber auch Anforderungen an seine Kasse stellten, die
jeden Finanzminister defizittern machten. Drei derselben
hatten bereits über den krampfhaften Anstrengungen im
Hinaufschrauben der bestehenden und Erfinden neuer
Steuern das ihnen zur Verfügung stehende bischen Verstand ver
loren. zumal der Zeitgeist immer unerbittlicher dazu trieb, ihm.
wenn in nichts anderem, so doch wenigstens in Bezug auf eine
Reform und Vermehrung des herrlichen Kriegsheeres gerecht zu
werden.
In seinem Unmuthe hatte der Herrscher aller Herrscher bereits
sämmtliche Palastbeamte mit der Bastonnade zu begnadigen geruht,
da aber auch dies zur Verminderung der Nothlage in keiner Weise
beitrug, ließ er endlich seinen Großvezier kommen und fuhr diesen
mit den ungnädigen Worten an:
„Wie ist das. Großvezier, daß Ihr die wichtigste und erste Eurer
Pflichten, den Staatssäckel in Harmonie mit den Bedürfnissen des
Reiches zu erhalten, in so sträflicher Weise vernachlässigt?"
„Allah ist groß!" erwiderte das zerknirschte Haupt der Regierung
mit kläglicher Miene, „aber die Zeiten. Herrscher aller Herrscher, die
Zeiten sind schlecht und werden immer schlechter."
„Wie kann das sein?" zürnte der Allmächtige, „wachsen nicht
gegenwärtig in den Ländern der Uirgläubigen die Millionen so
heidenmäßig aus dem Erdboden, daß sie. um nicht an ihrem
Fette zu ersticken, immer mehr
Soldaten einstellen müssen und
ihre Flinten und Kanonen so
häufig umändern lassen, wie die
Damen ihre Kleider und Hüte?
Wo kommt das Gold her?"
„Sie haben eine ganze Muster-
karte von Steuern, die wir nicht
haben."
„Die wir nicht haben? Groß-
vezier. wißt Ihr auch, daß
das in Eurem Munde wie
''7
Der Großvezicr ging — und kam nicht wieder.
Beamter im französischen Unterrichtsministerium. 27 Tartaret.
Delegirter aus Paris. 28 Hins. Journalist aus Belgien, jetzt
Universitätsprofessor. 29 De Paepe. Cäsar, danmls Buchdrucker (er
hatte damals so leichtes Gepäck, daß er zu Fuß von Basel nach
Brüssel heimkehren mußte), studirte später Medizin, tüchtiger Journalist
und Theoretiker; starb am 19. Dezember 1890. 30 Johann Philipp
Becker, über ein halbes Jahrhundert im Vorkampf, mit Feder und
Schwert — gestorben 1886. 31 Eccarius. Verfasser der trefflichen
Arbeit über die Schneiderei in London. Kritiker Mill's. Lebt noch,
aber nicht mehr aktiv. 92 Richard. Weber aus Lyon. Bakunist,
als Agent der Bonapartisten verschollen. 33 Jung. Uhrmacher,
der vielsprachige Vorsitzende verschiedener internationaler Kongresse.
34 Quinche. Bandweber aus Basel 35 Flocguet. Monteur aus
Locle. 36 Pindy. Tischler, später Mitglied der Kommune, dann
Anarchist, jetzt Angestellter eines eidgenössischen Goldprobers.
37 Applegarth, Zimmermann aus London. Mitglied des General
raths. 38 Brismöe. Buchdrucker, der Vater des belgischen Sozialis-
mus. seit einigen Jahren todt — gleich seinem Schwiegersohn de Paepe.
39 Varlin. Buchbinder, später Mitglied der Kommune, von den
Versaillern langsam gemordet. (Greulich bezweifelt, daß dies Varlin
sei. den er auf dem Bilde nicht findet.) 40 Moritz Heß. einer der
Patriarchen des deutschen Sozialismus. Seit zwanzig Jahren todt.
41 Flahaut. Mar>norarbeiter von Paris. 42 Cowell Stepney. eng-
lisches Parlamentsmitglied, Philanthrop. Apostel des ewigen Friedens.
Charlottenburg, den 2. Juli 1893.
W. Liebknecht.
->*<-■
Was öer Derwisch wußte.
Line morgenländische Geschichte.
er Sohn der Sonne und Herr der Erde, wie sich
der Selbstherrscher aller Perser nennen zu hören
gewöhnt war. saß eines schwülen Nachmittags
in seinem Lieblingskiosk im Schloßgarten zu
Teheran und ließ aus seiner edelsteinbesetzten
Meerschaumpfeife Nr. 291 mächtige Rauchwolken
in die blaue Luft und über die Rosen von
Schiras hinwallen. Mächtiger aber noch und
in den Augen der Palastbewohner viel gefahr-
voller als diese Wolken, schienen die. welche zur
selben Zeit seine erhabene Stirn umlagerten, ein
sicheres Zeichen, daß freche Sorgen unehrerbietig genug waren, die seiner
sozialen Stellung zukommende ungetrübte Glückseligkeit zu
unterbrechen.
Und Sorgen der allerordinärsten und niederträchtigsten
Art. solche, wie sie nur den verachtungswürdigen Giaurs
im Abendlande zukommen, waren es. welche gleich einem
Diebe in der Nacht ihren Weg über die stattlichen Marmor-
stufen des Palastes und zwischen den krummen Säbeln der
zahlreichen Wächter seiner geheiligten Person hindurch ge-
funden hatten. Stetig wuchsen die Bedürfnisse des Harems,
seitdem er die Monotonie, die darin seit Alters her zu
herrschen pflegte, dadurch unterbrochen, daß er in die Reihen
der fügsamen und genügsamen orientalischen Sklavinnen
die ausgesuchtesten Exemplare französischer Cocotten und
amerikanischer Abenteuerinnen versetzte, die freilich viel
anregender auf seine erschlaffenden Lebensgeister wirkten, zu-
gleich aber auch Anforderungen an seine Kasse stellten, die
jeden Finanzminister defizittern machten. Drei derselben
hatten bereits über den krampfhaften Anstrengungen im
Hinaufschrauben der bestehenden und Erfinden neuer
Steuern das ihnen zur Verfügung stehende bischen Verstand ver
loren. zumal der Zeitgeist immer unerbittlicher dazu trieb, ihm.
wenn in nichts anderem, so doch wenigstens in Bezug auf eine
Reform und Vermehrung des herrlichen Kriegsheeres gerecht zu
werden.
In seinem Unmuthe hatte der Herrscher aller Herrscher bereits
sämmtliche Palastbeamte mit der Bastonnade zu begnadigen geruht,
da aber auch dies zur Verminderung der Nothlage in keiner Weise
beitrug, ließ er endlich seinen Großvezier kommen und fuhr diesen
mit den ungnädigen Worten an:
„Wie ist das. Großvezier, daß Ihr die wichtigste und erste Eurer
Pflichten, den Staatssäckel in Harmonie mit den Bedürfnissen des
Reiches zu erhalten, in so sträflicher Weise vernachlässigt?"
„Allah ist groß!" erwiderte das zerknirschte Haupt der Regierung
mit kläglicher Miene, „aber die Zeiten. Herrscher aller Herrscher, die
Zeiten sind schlecht und werden immer schlechter."
„Wie kann das sein?" zürnte der Allmächtige, „wachsen nicht
gegenwärtig in den Ländern der Uirgläubigen die Millionen so
heidenmäßig aus dem Erdboden, daß sie. um nicht an ihrem
Fette zu ersticken, immer mehr
Soldaten einstellen müssen und
ihre Flinten und Kanonen so
häufig umändern lassen, wie die
Damen ihre Kleider und Hüte?
Wo kommt das Gold her?"
„Sie haben eine ganze Muster-
karte von Steuern, die wir nicht
haben."
„Die wir nicht haben? Groß-
vezier. wißt Ihr auch, daß
das in Eurem Munde wie
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Der Großvezicr ging — und kam nicht wieder.