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1554

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|^(5 ich kin Knabe war, mit frischen Wangen,
Dem in die Stirn das braune Kraushaar hing —
Wie war gestillt der jungen Brust Verlangen.

So oft ich ziellos durch die Felder ging!

In kühler Frühe bin ich ausgezogen —

Wie war die Welt so voll, die jetzt so leer!

Und bei der grauen Halmfluth weichem Wogen
Träumt ich mich still hinauf ans ew'ge Meer.

Ich sah im Wind den bunten Falter schwimmen,
Bis er die Rast auf einer Blume fand;

Das tiefe Summen vieler tausend Stimmen —
Es war mir oft, als ob ich es verstand;

In meine Seele schlich der Schönheit Ahnen,

Von meinen Lippen fiel der erste Reim,

Und einen Strauß von Raden und Chanen,

Mit blüh'ndem Gras umwunden, bracht' ich heim.

* * *

Ich ziehe gern noch heut' durch deine Gassen,

Du völkcrnährendes, du heil'ges Korn!

Doch wird das Herz nicht still und kann nicht lassen
Von seiner Bitterkeit und seinem Zorn.

Wenn keinen Strauß, wie einst, die Rechte schneidet —
Nun, das „warum?" wir wissen es genau:

Roth ist verfehmt und längst ist uns verleidet
Der Byzantinerblume tiefes Blau.

Ich kann mich nicht von dem Gedanken trennen,
Daß, unbekümmert um des Volkes Noch,

Sie unser edles Korn zu Schnaps verbrennen,
Statt zu verbacken es zu dust'gem Brot,

Und daß ein Spielball nüchterner Hallunken,

Für ihre Gier ein unerschöpfter Born,

Aus dem sie oft sich toll und voll getrunken,

Dein Preis noch immer ist, du köstlich Korn!

Du zartes Spiel von Schatten und von Lichtern!
Hab' ich zu fest, zu lange hingeblickt,

Daß mir ein Chor von höhnischen Gesichtern
Von allen Seiten jetzt entgegennickt?

Sie sind es, mit und ohne Hakennasen,

Ihr greulich Lachen nimmt mir schier die Luft,

Ich sehe sie und cs verhaucht im Nasen
Umsonst der Thymian den feinen Duft.

32 Vollblut, ge

°s lebte einmal fern im Osten, an der russischen Grenze, da
wo die Füchse und Wölfe sich gute Nacht sagen, eine Gräfin.
Sie wohnte mit ihrem Manne, dem gnädigen Herrn Grafen,
in einem wunderschönen Schlosse auf dem größten Gute.
Denn der Graf hatte sechs Besitzungen, eine stattlicher als die andere,
Getreideland, Weiden, herrliche Forsten, in denen Rothwild und
Schwarzwild äste, mit ragenden Stämmen, die der sehnige Arm des
Holzfällers niederlegte. Und tausend Gutsarbeiter mit Weib und Kind
frohndeten dem Grundherrn. Die Männer prügelte er, wenn er
schlechter Laune, und auch die Weiber, die schon alt und runzlig
waren; den jungen Dirnen und Frauen aber war er ein gütiger,
liebevoller Herr.

Die Frau Gräfin saß derweil im Herrenhause und langweilte sich.
Ihr Gemahl hatte wenig Zeit für sie übrig: er ritt, jagte, spielte. Zur
Abwechslung griff er zur Reitpeitsche und schlug seine Frau, daß ihr
zarter weißer Leib mit blauen und rothen Striemen bedeckt war. Dabei
war er eifersüchtig wie ein Türke und gab scharf Acht, daß keiner
seiner Standesgenossen der Gräfin den Hof machte. Aber es kam
anders. Die saß eines Tages am Fenster und weinte: denn Reit-
peitschenhiebe sind keine Liebkosungen. Da sah sie über den Hof den
Schäferknecht gehen; der Bursche gefiel ihr und sie beschloß, ein ver-
liebtes Schäferspiel mit ihm zu treiben. In ihrer Langeweile mußte
sie doch einen Zeitvertreib haben.

Einige Zeit darauf war große Freude auf dem Schlosse. Es
wurde ein großes Fest gefeiert zu Ehren des gräflichen Erstgeborenen.
Der Schaumwein floß in Strömen, die Junker zechten und schmausten,
und die Hofarbeiter tanzten in der Scheune, tranken Kartoffelschnaps
und jauchzten, während die Bedienten die schwerbetrunkenen Frei-
herren und Grafen, die nicht mehr stehen konnten, in die Equipagen
schleppten. Der Schäferknecht sprang und sang am meisten, aber er
betrank sich nicht; er hielt auf Propertät.

Am gleichen Tage, da das Gräflein getauft worden war, hatte
der Pfarrer, noch ganz in der Frühe, einen andern Knaben zu taufen.
Das war ein Kind der hübschen Marie, der Tochter des Großknechts,
von der man wußte, daß sie besonders viel beim Grafen galt. Da
gab es kein Freudenfest, aber der Graf duldete, daß der Balg beim
Großvater blieb und steckte der Marie ab und an ein paar Thaler
zu. Und das war edel von ihm.

Die Kinder wuchsen auf, das Gräflein in Sammt und Seide,
das Kind der Marie in Lumpen. Und das Kind aus dem Schlosse
ging an der Hand der Bonne stolz an dem dreckigen Bengel, der
zerrissene Kleider trug, vorüber und rümpfte vornehm die Nase.

Eines Tages kam die Tante der Gräfin aufs Schloß, das war
eine Erbtante, Oberhofmeisterin beim Fürsten von Panuchelsheim
und berühmt durch ihre feine Nase. Sie unterschied durch den Geruch
schon Bürgerliche und Adelige und konnte auf einen Blick sagen, ob
sie reine Rasse oder Kreuzung vor sich hatte. Der Gräfin klopfte das
Herz, sie fürchtete sich vor der Entdeckung und entwarf in einer
Stunde hundert Pläne, um sie sofort wieder zu verwerfen. Die Tante
 
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