Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1563

Zeitungspapier zum Vorschein, welches aber wieder mit Bind-
faden umschnürt war. Gensdarmen und Kommissar arbeiteten, um
den Bindfaden zu beseitigen; endlich schälten sich die Zeitungs-
bogen los; es waren „Münchener Neueste Nachrichten", mindestens
dreißig Nummern; aber auch sie umhüllten nur das eigentliche
Packet, welches — in rothes Papier verpackt und gesiegelt — jetzt
erst zum Vorschein kam.

„Das ist ein vorsichtiger Absender gewesen", bemerkte der
Kommissar.

„Hat's auch nöthig", erwiderte Antonius. „Solchen Packeten
passirt manchmal allerlei."

Die Siegel wurden gelöst, die rothe Umhüllung fiel, es folgte
eine graue Umhüllung, dann wieder Zeitungspapier.

„Wenn das noch lange so fortgeht, laß ich mir a Maß
Bier holen", sagte-
Antonius und ließ
mit einer bei ihm
sonst ungewohnten
Präzision den Wor-
ten die That folgen.

Es fiel noch man-
che Hülle, dann kam
ein kleiner Holz-
kasten zum Vor-
schein, auf welchem
stand: „Vorsicht
beim Oeffnen!

Enthält ein Mittel,
das dazu beitragen
soll, daß wir Geg-
nern die Zähne
zeigen können."

Sollte das Dyna-
mit sein oder sonst
ein Sprengstoff? Die
Polizisten beriethen,
was zu thun sei.

Antonius wurde be-
fragt, ob er Dyna-
mit bestellt habe
oder ob ihm sonst
eine absonderliche
Sendung avisirt sei?

Er schaute dem
Polizei - Kommissar
lange sinnend ins
Antlitz, öffnete end-
lich seinen Mund
und sprach:

„Was geht denn
mich die ganze Ge-
schichte überhaupt an? Müssen Sie denn Ihre Packete gerade bei
mir aufmachen?"

„Aber das Packet gehört ja Ihnen," belehrte der Kommissar.

„Gehört mir? Was thun denn nachher Sie damit?"

„Wir halten ja bei Ihnen Haussuchung."

,Ach so. Sie halten Haussuchung." Damit war Antonius be-
friedigt und wandte sich wieder seinem Bierkrug zu.

„Wenn das Ding aber explodirt!" rief der Kommissar aufgeregt.

Antonius that einen langen Zug, dann bemerkte er nachdenklich:
„Wenn es explodirt... na, wissen's, wenn das explosiren könnt', da
will ich hinausgehen, während Sie es aufmachen."

Diese glücklich gefundene Lösung des Kasus erschien der Polizei
ungenügend; man kam überein, mittels einer kleinen Säge vorsichtig
ein Brett des Kästchens zu lösen, um Einblick in den Inhalt zu er-
langen. Die Säge wurde von einem benachbarten Handwerker geholt

„Das ist a Zahnbürstel", sagte AntoniuS

und bald gewann man den gewünschten Einblick, man sah aber wieder
nur Papier.

Nun war die Scheu überwunden, das Holz wurde beseitigt, es
kam wieder ein Packet zum Vorschein und das alte Spiel begann von
Neuem, nur war die Verpackung noch dauerhafter.

Endlich, nachdem der innerste Kern des Packets erreicht war, fand
sich eine kleine längliche, versiegelte Pappschachtel. Darin konnten
keine verbotenen Schriften sein. Der Kommissar überreichte sie
Antonius. „Wollen Sie öffnen?"

Antonius schüttelte sein würdiges Haupt.

„Haben Sie so lange geöffnet, können Sie das auch noch auf-
machen; meinetwegen werfen Sie's auch ins Küchenfeuer — das
heißt, wenn's nix Hupfetes is." Unter dem „Hupfeten" verstand er
etwas Explodirendes und war um sein Mittagsmahl besorgt.

Die Schachtel
wurde geöffnet, sie
enthielt — eine
Zahnbürste.

„Was ist das?"
rief der Kommissar
überrascht.

„Das ist a Zahn-
bürstel", sagte An-
tonius.

„Wie kommen
Sie zu einer solchen
Sendung — wir le-
ben doch noch nicht
im Fasching?" be-
merkte der Kom-
missar ärgerlich.

„Ja, wissen's",
erklärte Antonius,
„ich Hab' nämlich
mein Zahnbürstel
droben auf dem
Wendelstein liegen
lassen, und das sind
ehrliche Leut', die
da droben wohnen,
die haben es nicht
behalten wollen.—"
Damit nahm er das
Zahnbürstel und be-
trachtete es genau;
plötzlich rief er:
„Aber,meineHer-
ren, da haben Sie sich
ja umsonst bemüht."

„Wie so?" rief der
Kommissar erregt."

„Na, das is ja gar nit mein Zahnbürstel, das is a anderes!"
konstatirte Antonius.

Der Kommissar wandte sich ärgerlich ab. Antonius glaubte ihn
trösten zu müssen.

„Warten Sie nur ganz ruhig", sagte er aufmunternd. „Das
echte Zahnbürstel wird schon noch kommen; es liegt droben auf dem
Wendelstein und dort kommt nix abhanden."

Mit diesem Tröste entließ Antonius die Polizei. Wenige Tage
später bekam er einige Packete mit sozialistischen Schriften, für die
seine Adresse als „Deck-Adresse" diente. Die Polizei wurde davon
seitens der Post auch rechtzeitig avisirt, aber der Kommissar hatte
jedes Einschreiten ärgerlich abgelehnt.

„Geht mir mit dem Antonius", hatte er gesagt, „bei dem ist
nichts zu holen; wenn der ein Packet bekommt, ist doch wieder nur
ein Zahnbürstel drin." iPfo
 
Annotationen