Vellage zum „Wahren Aacob" Lr. 189.
Herbst.
Nun sind die Schwalben fortgeflogcn,
Die Tage werden mild und klar,
And fröhlich kommt der Lcrbst gezogen,
Den bunten Asternkranz im Laar.
Im Arm das Lorn des Aeberfluflcs,
Lat von del! Zweigen er gestreift.
Was in der Tluth des Sonnenkuffes,
Bei Wctterfchein herangereist.
Wo aber ist die Nee geblieben,
Wer kann mir lagen, wo sic weilt,
Die. was in Sonnengluth getrieben,
Besonnen nüd gerecht vertheilt?
Ich suche sie, die voll Erbarmen
Zuerst die Schüchternen begabt,
Die alle -Leidenden und Armen
Mii sanftem Bück erquickt und labt.
Ich suche sic, die Tee. die gute,
Die alle Menschenkinder liebt,
Die strafend wehrt dem Aeßermuthe
And Jegliche»! das Seine gicbt.
Ich forsche ängstlich, wo sic walle,
Am auszutheilen Wein und Brot;
Es gab der Lcrbst genug für Alle,
And dennoch Mangel, bitt're Aoth!
Bei all' der Aüllc uncrmcsfen
Noch allerrvärts des Kummers Nacht?
Äs hat der Leröst die Tee vergessen,
Die ihn für uns zum Segen macht,
Die gute Tee mit mildem Walten,
Der's feucht im Auge überquillt,
So lang noch eine Stirn in Aalten,
Noch eine Thräne ungestillt.
Doch seid getrost! Man wird erkunden,
Die Ace, der nur die Labsucht flucht,
Sic hat nur nicht den Weg gefunden
Zu uns, nach dem sie selber sucht.
Neirr, fürchtet nicht, dafz in die Weite
Sie vor der Armen Sehnsucht flieht —
Äs kommt die Zeit, da iin Äelcitc
Des Lerbstes bei uns ein sic zieht!
Sic naht für Alles, was auf Ärdcir
Ärhobnes Menschcnantlitz trägt;
Sie ist nrit Allgewalt im Werden,
Wie blind der Laß auch um sich schlägt.
Kehrt dann auf seinen Segcnszügcn
Der Lcrbst bekränzten Lauptes ein,
Wird Aricde, fröhliches Äenügen
And Dank in allen Landen fein!
einen „Patrioten" nennt, nämlich ein allerergebenster Diener der
jeweilig herrschenden Minister, deren politische Ansichten immer auch
die seinigen waren.
Gegenwärtig saß er in seinem luxuriös ausgestatteten Arbeits-
zimmer und auf seinen: Antlitz lag ein feierlicher Ernst. Hatte er
doch soeben eine patriotische That vollbracht, — er hatte einen für
das offiziöse Preßbureau bestimmten Zeitungsartikel geschrieben, welcher
— gleich seiner Villa — ganz im byzantinischen Stile gehalten war.
Dieser Artikel wies nach, das Volk sei nur dann würdig, das all-
gemeine Wahlrecht zu besitzen, wenn es die Wahlen lediglich dazu
benütze, seiner loyalen Gesinnung gegen die Regierung Ausdruck zu
geben. Jede andere Benützung des Wahlrechtes sei ein Mißbrauch
desselben und führe das Staatswesen dem Umsturz entgegen.
Die Stelle vom Umsturz gefiel Herrn von Dachskopf ganz be-
sonders; er las sich dieselbe laut vor und lächelte befriedigt — „das
wird seiner Exzellenz dem Herrn Minister ganz gewiß gefallen."
Da plötzlich ertönte :n nächster Nähe scharf und rauh der Ruf:
„Es lebe die Sozialdemokratie!"
Der Geheimrath fuhr auf wie von einer Natter gestochen. „Wer
wagt es —!"
Wiithend verließ er das Zimmer, durcheilte den Ernpfangssalon,
in welchen: Niemand anwesend war und stieß endlich im Vorzimmer
auf einen Menschen, der den „gnädigen Herrn" mit tiefen Bücklingen
begrüßte.
Der Geheimrath von Dachskopf war aber höchst ungnädig. „Wie
können Sie sich unterstehen —" donnerte er den Besucher an.
Dieser, ein alter Subalternbeamter, welcher dem Geheimrath
Akten zu überbringen hatte, zitterte an allen Gliedern und ließ vor
Schreck über den barschen Empfang sein Aktenbündel fallen.
„Ach verzeihen der Herr Geheimrath tausendmal", wimmerte er.
„Ich wußte ja nicht, daß :ch um diese Stunde nicht stören darf . . .
der Herr Minister . . . hatten besohlen . . ."
Als Bodo von Dachskopf ven Minister erwähnen hörte, besänftigte
er sich. Den Boten des Mimsters mußte er schonend behandeln, wenn
es auch nur ein ganz armseliger Subalterner war.
„Es handelt sich nicht um die Störung", sagte er ruhiger. „Aber
es wurde in meinem Hause oder in dessen unmittelbarer Nähe soeben
ein Ruf ausgestoßen — ein Ruf —!"
Herr von Dachskopf fand nicht Worte, um die Schändlichkeit dieses
Rufes genügend zu kennzeichnen: der Subalterne erblaßte.
„Herr Geheimrath werden doch mcht etwa gar mich in Verdacht
nehmen?"
Der geheimnisvolle Hochvrrräthrr.
Humoreske von AI.
(Die Villa des Geheimrathes Bodo von Dachskopf unweit der
Residenzstadt B. war ein prächtiges, in: byzantinischen Stil erbautes
Gebäude; Rosengebüsche umgaben es und um die vergoldeten Stäbe des
Gartenzaunes schlangen sich dunkelgrüne Epheuranken in reicher Fülle.
Droben aber über den Zinnen flatterte eine schwarz-weiß-rothe
Fahne. Denn der Herr Geheinwath war, was man amtlicherseits
Herbst.
Nun sind die Schwalben fortgeflogcn,
Die Tage werden mild und klar,
And fröhlich kommt der Lcrbst gezogen,
Den bunten Asternkranz im Laar.
Im Arm das Lorn des Aeberfluflcs,
Lat von del! Zweigen er gestreift.
Was in der Tluth des Sonnenkuffes,
Bei Wctterfchein herangereist.
Wo aber ist die Nee geblieben,
Wer kann mir lagen, wo sic weilt,
Die. was in Sonnengluth getrieben,
Besonnen nüd gerecht vertheilt?
Ich suche sie, die voll Erbarmen
Zuerst die Schüchternen begabt,
Die alle -Leidenden und Armen
Mii sanftem Bück erquickt und labt.
Ich suche sic, die Tee. die gute,
Die alle Menschenkinder liebt,
Die strafend wehrt dem Aeßermuthe
And Jegliche»! das Seine gicbt.
Ich forsche ängstlich, wo sic walle,
Am auszutheilen Wein und Brot;
Es gab der Lcrbst genug für Alle,
And dennoch Mangel, bitt're Aoth!
Bei all' der Aüllc uncrmcsfen
Noch allerrvärts des Kummers Nacht?
Äs hat der Leröst die Tee vergessen,
Die ihn für uns zum Segen macht,
Die gute Tee mit mildem Walten,
Der's feucht im Auge überquillt,
So lang noch eine Stirn in Aalten,
Noch eine Thräne ungestillt.
Doch seid getrost! Man wird erkunden,
Die Ace, der nur die Labsucht flucht,
Sic hat nur nicht den Weg gefunden
Zu uns, nach dem sie selber sucht.
Neirr, fürchtet nicht, dafz in die Weite
Sie vor der Armen Sehnsucht flieht —
Äs kommt die Zeit, da iin Äelcitc
Des Lerbstes bei uns ein sic zieht!
Sic naht für Alles, was auf Ärdcir
Ärhobnes Menschcnantlitz trägt;
Sie ist nrit Allgewalt im Werden,
Wie blind der Laß auch um sich schlägt.
Kehrt dann auf seinen Segcnszügcn
Der Lcrbst bekränzten Lauptes ein,
Wird Aricde, fröhliches Äenügen
And Dank in allen Landen fein!
einen „Patrioten" nennt, nämlich ein allerergebenster Diener der
jeweilig herrschenden Minister, deren politische Ansichten immer auch
die seinigen waren.
Gegenwärtig saß er in seinem luxuriös ausgestatteten Arbeits-
zimmer und auf seinen: Antlitz lag ein feierlicher Ernst. Hatte er
doch soeben eine patriotische That vollbracht, — er hatte einen für
das offiziöse Preßbureau bestimmten Zeitungsartikel geschrieben, welcher
— gleich seiner Villa — ganz im byzantinischen Stile gehalten war.
Dieser Artikel wies nach, das Volk sei nur dann würdig, das all-
gemeine Wahlrecht zu besitzen, wenn es die Wahlen lediglich dazu
benütze, seiner loyalen Gesinnung gegen die Regierung Ausdruck zu
geben. Jede andere Benützung des Wahlrechtes sei ein Mißbrauch
desselben und führe das Staatswesen dem Umsturz entgegen.
Die Stelle vom Umsturz gefiel Herrn von Dachskopf ganz be-
sonders; er las sich dieselbe laut vor und lächelte befriedigt — „das
wird seiner Exzellenz dem Herrn Minister ganz gewiß gefallen."
Da plötzlich ertönte :n nächster Nähe scharf und rauh der Ruf:
„Es lebe die Sozialdemokratie!"
Der Geheimrath fuhr auf wie von einer Natter gestochen. „Wer
wagt es —!"
Wiithend verließ er das Zimmer, durcheilte den Ernpfangssalon,
in welchen: Niemand anwesend war und stieß endlich im Vorzimmer
auf einen Menschen, der den „gnädigen Herrn" mit tiefen Bücklingen
begrüßte.
Der Geheimrath von Dachskopf war aber höchst ungnädig. „Wie
können Sie sich unterstehen —" donnerte er den Besucher an.
Dieser, ein alter Subalternbeamter, welcher dem Geheimrath
Akten zu überbringen hatte, zitterte an allen Gliedern und ließ vor
Schreck über den barschen Empfang sein Aktenbündel fallen.
„Ach verzeihen der Herr Geheimrath tausendmal", wimmerte er.
„Ich wußte ja nicht, daß :ch um diese Stunde nicht stören darf . . .
der Herr Minister . . . hatten besohlen . . ."
Als Bodo von Dachskopf ven Minister erwähnen hörte, besänftigte
er sich. Den Boten des Mimsters mußte er schonend behandeln, wenn
es auch nur ein ganz armseliger Subalterner war.
„Es handelt sich nicht um die Störung", sagte er ruhiger. „Aber
es wurde in meinem Hause oder in dessen unmittelbarer Nähe soeben
ein Ruf ausgestoßen — ein Ruf —!"
Herr von Dachskopf fand nicht Worte, um die Schändlichkeit dieses
Rufes genügend zu kennzeichnen: der Subalterne erblaßte.
„Herr Geheimrath werden doch mcht etwa gar mich in Verdacht
nehmen?"
Der geheimnisvolle Hochvrrräthrr.
Humoreske von AI.
(Die Villa des Geheimrathes Bodo von Dachskopf unweit der
Residenzstadt B. war ein prächtiges, in: byzantinischen Stil erbautes
Gebäude; Rosengebüsche umgaben es und um die vergoldeten Stäbe des
Gartenzaunes schlangen sich dunkelgrüne Epheuranken in reicher Fülle.
Droben aber über den Zinnen flatterte eine schwarz-weiß-rothe
Fahne. Denn der Herr Geheinwath war, was man amtlicherseits