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1574

Die Gegensätze berühren sich

Dien st Mädchen (meldet an): Es ist ein Mann da mit einer schönen Figur.
Dame (freudig erregt): Bitten Sie ihn, im Salon Platz zn nehmen, ich
komme sogleich.

MWM

Wnksdr

Wie „der Mann mit der schönen Figur" aussieht.

Orkus, im Schwefelmonat in der 27. Ewigkeit.

Proserpinenstraße 25, II.

Vic „Höllischen Neuesten Nachrichten" brachten
soeben unter der Rubrik „Irdischer Blödsinn" die
kuriose Mittheilnng, daß der Papst eine Schrift des
englischen Professors Mivart auf den Index gesetzt,
also mit Fluch und Bann belegt habe, weil in
besagter Schrift der genannte Professor behauptet

Brief aus der Kölle.

(Von unferm Spezialkorrespondenten.)

und mit dein Zengniß alter Kirchenväter bekräf-
tigt, daß die Hölle gar kein entsetzlicher Schreckens-
ort sei, sondern daß darin sogar eine gewisse
Gcmüthlichkcit und Glückseligkeit herrschen könne.

Seit der glorreichen Teufelaustreibung von
Weinding hat in unserer Hölle keine irdische Nach-
richt so viel Halloh erregt, wie diese Maßregelung
des frommen und tugendhaften Professors.

Wir sind ja den Herren Frömmlern und Pie-
tisten dankbar dafür, daß sie den friedlichen Orkus,
ivo sich die arnien Seelen von ihren irdischen
Strapazen ausruhen, in den schwärzesten Farben
malen, damit nicht Kreti und Plcti zu uns her-
unterkommt, sondern die Hölle dein besseren Publi-
kum möglichst reservirt bleibt. Aber die naive
Anschauung der Dorfpastorcn vom Heulen und
Zähncklappern oder die tollen Künstlerphantasien
des Malers Pieter Breughel, den man Höllcn-
Breughel nennt, ernst zu nehmen, das zeugt
doch von allzu großer Gedankenlosigkeit.

Freilich, vom „Heulen" bleiben wir nicht, ganz
verschont, denn es giebt hier ivie anderwärts eine
gewisse Klasse von Gesangvereinen, die sich in
Dissonanzen üben. Aber mit dem Zähneklappern
ist's schon nichts; denn diese Erscheinung ist ein
Zeichen von Frost, und uns Höllenbcwohner friert
nicht. Wir haben hier keinen Kohlenring, der uns
die Kohlen vertheucrn kann, und keinen Holzzoll,
der den Preis des Holzes in die Höhe treibt.

Das ist jedoch der geringste Vorzug, den ivir
vor den Erdenbewohnern haben. Viel ivcsentlicher
ist, daß hier nicht Einer über den Andern mit
Herrschsucht oder Habgier herfallen kann, sondern
die Schatten hübsch friedlich nebeneinander leben,

ivie es die dummen Menschen da oben auf der
Erde eigentlich auch thun füllten.

Als ich kürzlich in der italienischen Weinstube
von Maledetto den Kaiser Nero traf und ihn
ivcgen seines Kahlkopfes hänselte, fiel es ihm gar
nicht ein, mir dafür den meinigen abschlagen zu
lassen, wie er es s. Z. in Rom ivohl gethan haben
würde. Er kann hier nicht einmal wegen Majestäts-
beleidigung klagen, denn er ist keine Majestät mehr.

Neben mir faß an jenem Morgen der Strumpf-
fabrikant Lehmann, der bei Lebzeiten Tausende
von Arbeitern ansgesaugt hatte. Wenn er hier
versuchen wollte, andere Menschenseelcn zu knechten,
so würden sic ein höllisches Hohngelächtcr über ihn
anstimmen und er müßte vielleicht zur Strafe
acht Tage lang bei zwölfstündiger Arbeitszeit un-
ermüdlich die Erdachse schmieren und bekäme dabei
blos sächsisches einfaches Bier zu trinken.

Mit den Herren Großindustriellen werden hier
unten überhaupt gar keine Umstände gemacht.
Ihre Millionen, welche ihnen droben ein gewisses
Ansehen geben, können sic nicht mitbringcn, ihre
imponirende. anspruchsvolle Persönlichkeit ist cben-
! falls futsch, es bleibt nur ihr Geist übrig, imd
da ist gewöhnlich nicht viel dran.

Was ist z. B. ein König Stumm mit leeren
Taschen? Und mit leeren Taschen ivird er zu uns
herunterkommen, denn sogar der bekannte Obolus,
den inan früher fürs Ueberfahren an den alten Fähr-
mann Charon zahlen mußte, ist längst abgeschafft.
Die antike Gondelei existirt nicht mehr, es führen
jetzt sieben steinerne Brücken über den Styx und
man fährt mit der elektrischen Tramway gratis
herüber. Auch der dreiköpfige Höllenhund Cerberus,
 
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