1575
Die Gegensätze berühren sich.
,T/ R
y. / . 1
Die Schrift ist mächt'ger als das Schwert.
Die Schrift ist mächt'ger als das Schwert,
Der Geist ist stärker als die Klingen:
Lr ist mit Iovis Blitz bewehrt
Und fliegt mit feines Udlers Schwingen.
Die Schrift ist mächt'ger als das Schwert,
Das Wort als Donner der Kanonen:
Ls leuchtet, zündet und verzehrt
Und trifft auch in den fernsten Zonen.
Die Schrift ist mächt'ger als das Schwert:
Wir werden siegreich niederstrecken
Die Macht, die noch das Volk bethört.
Wie David den Philisterrecken.
-«vt? Anzüglich.
Studcnt 21: Denke die, als ich gestern ans der Kneipe heiinkehete,
ist mir von einem Neubau ein Kasten mit Mauersteinen auf deu Kopf
gefallen.
Student B.: Donnerwetter! Na, cs ist nur ein Glück, das; kein
edlerer Körpertheil getroffen worden ist.
welcher nach dem Zcugniß der alten Dichter oft einen
gräulichen Spektakel machte, ist durch ein tadellos
funktionirendes elektrisches Läutewerk ersetzt.
Diese Fortschritte dürfen Niemand Wunder
nehmen, denn cs gehen so viele vorzügliche Pläne
und Entwürfe zum Teufel, daß wir in der Hölle
das Beste immer zuerst haben.
Auch die politischen Zustände sind hier voll-
ständig frei; cs scheert sich kein Teufel daruni,
welcher Partei man angehört und was für Schrif-
ten man liest. Der rothc Loki, welcher drüben
in der germanischen Abtheilung eine altdeutsche
Methhalle besitzt, läßt z.B. allwöchentlich darin
sozialdemokratische Versammlungen abhalten, wo
Lassalle, Herivegh und Andere rcferiren, aber cs
füllt dem Präsidenten Pluto nicht ein, deshalb
das Militärverbot zu verhängen; im Gcgentheil,
Blücher, Frundsberg und Wittekind spielen in
demselben Lokale jeden Nachmittag ihren Skat!
Spitzel kommen freilich massenhaft in die Hölle,
denn der Teufel holt sic nach und nach alle ohne
Ausnahme. Aber sie finden in ihrem alten Be-
rufe keine Beschäftigung mehr, sondern werden
als Kanalräumer verwendet, weil sic nun ein-
mal gewöhnt sind, ihre Nasen in alle Winkel zu
stecken.
Nach diesen kurzen 2lndentungen wird man
schon zugebcn, daß der Professor Mivart sehr
recht hat, wenn er die Zustände in der Hölle,
verglichen mit den irdischen Zuständen, als eine
Art von Glückseligkeit preist, und der angeblich
unfehlbare Papst wird seine Anschauungen be-
deutend ändern, wenn er erst bei uns unten ist.
Aber — wird man mir vielleicht cimvendcn —
ivic steht's mit den schrecklichen Höllenstrafcn, über
welche uns die Dichter so viel erzählt haben?
Nur unbesorgt, das ist auch nicht so schlimm,
wie cs gemacht wird. Die grausame Strafe der
Einzelhaft und der Einsperrung überhaupt giebt's
z. B. in der Hölle nicht. Dieselbe wird von den
Teufeln bezeichnender Weise eine „wahrhaft mensch-
liche" Strafe genannt lind käme hier auch für
schwere Verbrechen nicht in Betracht, während sie
droben auf der Erde in politisch besonders zurück-
gcbliebcncn Staaten sogar schon für freie Mei-
nungsäußerungen verhängt wird!
Wir haben hier freilich die berühmte Tantalus-
qual, d. h. Tantalus sicht köstliche Früchte vor
sich, die er gern haben möchte, und kann sie nicht
erreichen. Jlber du liebe Hölle, ist das droben bei
Euch etwas so seltenes? Wenn ein arbeitsloser
Weber vor dem Schaufenster des Metzgcrladcns steht
und hat Hunger, aber kein Geld, oder wenn ein halb
verschnmchtcter Handwerksbursche die Hotelglocke
zum Table d’höte läuten hört — ist das nicht
Tantalusqual in optirnn forma? Und was hat der
Weber, was hat der Handwerksbursche verbrochen,
daß diese Höllenstrafc über sie verhängt wird?
Nun, unser alter Tantalus hat sich an die Sache
schon gewöhnt, er ist kein Vegetarianer mehr, er
genießt Fleischkost, und so bezieht sich seine Strafe
nur noch aufs Kompott; dieses muß mancher
Andere auch entbehren.
Aehnlich verhält es sich mit Sisyphus, welcher
bekanntlich ocrurtheilt ist, einen schweren Marmor-
block auf einen Berg hinaufzurollen, wobei der
tückische Marmor immer hurtig mit Donncr-
gepolter wieder herunterkollert. Sispphus giebt
dainit wöchentlich zwei Vorstellungen, die immer
gut besucht sind; er hat das Ding schon so in
der llebung, daß cs ihm gar keine große Mühe
mehr macht. Ucbrigcns gedenkt er sich nächstens,
wenn Bismarck hernnterkommt, ganz zur Ruhe zu
setzen und sein polterndes Geschäft dem deutschen
Exkanzler zu übertragen, der ja bekanntlich zur
Zeit der größte Polterer ist.
In der Löwenbräu-Bierhalle zum „Tartarus"
tritt noch immer Laokoon — von den 2lntisemitcn
einfach Kohn genannt — als Schlangenbändiger
ans und büßt damit seine altgriechischen Sünden
ab. Seine Produktionen können eben nur ein so
bescheidenes Publikum bcftiedigen, wie wir es hier
in der Hölle haben. Wenn Laokoon auf einem
preußischen Jahrmärkte mit Ehren bestehen wollte,
müßte er mindestens noch Schwerter schlucken,
Drahtseil tanzen und drei brennende Lampen auf
dem Kopfe balanciren.
Was endlich die berühmte Strafe der Donalden
betrifft, so müssen dieselben Gefäße füllen, ivelchc
immer wieder leer werden, sie sind also — modern
gesprochen — Kellnerinnen. Aber sie theilcn des-
halb noch lange nicht das traurige Loos ihrer
Kolleginnen auf der Oberwelt; sie brauchen sich
nicht von Stellenvermittlcrn ausbeuten und be-
trügen zu lassen, sind nicht verpflichtet, die zer-
brochenen Dana'ldenfässer aus eigener Tasche zu
ersetzen und brauchen sich nicht von alten Sündern
für fünf Pfennige Trinkgeld in sämmtliche Wangen
kneifen zu lassen, sondern sie haben im höllischen
Rathskeller ihr sicheres Brok für alle Zeiten.
Mit den sonstigen Schrecken der Hölle ist es eben-
falls nicht zu arg, z. B. wird durch den 2lnblick des
Die Gegensätze berühren sich.
,T/ R
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Die Schrift ist mächt'ger als das Schwert.
Die Schrift ist mächt'ger als das Schwert,
Der Geist ist stärker als die Klingen:
Lr ist mit Iovis Blitz bewehrt
Und fliegt mit feines Udlers Schwingen.
Die Schrift ist mächt'ger als das Schwert,
Das Wort als Donner der Kanonen:
Ls leuchtet, zündet und verzehrt
Und trifft auch in den fernsten Zonen.
Die Schrift ist mächt'ger als das Schwert:
Wir werden siegreich niederstrecken
Die Macht, die noch das Volk bethört.
Wie David den Philisterrecken.
-«vt? Anzüglich.
Studcnt 21: Denke die, als ich gestern ans der Kneipe heiinkehete,
ist mir von einem Neubau ein Kasten mit Mauersteinen auf deu Kopf
gefallen.
Student B.: Donnerwetter! Na, cs ist nur ein Glück, das; kein
edlerer Körpertheil getroffen worden ist.
welcher nach dem Zcugniß der alten Dichter oft einen
gräulichen Spektakel machte, ist durch ein tadellos
funktionirendes elektrisches Läutewerk ersetzt.
Diese Fortschritte dürfen Niemand Wunder
nehmen, denn cs gehen so viele vorzügliche Pläne
und Entwürfe zum Teufel, daß wir in der Hölle
das Beste immer zuerst haben.
Auch die politischen Zustände sind hier voll-
ständig frei; cs scheert sich kein Teufel daruni,
welcher Partei man angehört und was für Schrif-
ten man liest. Der rothc Loki, welcher drüben
in der germanischen Abtheilung eine altdeutsche
Methhalle besitzt, läßt z.B. allwöchentlich darin
sozialdemokratische Versammlungen abhalten, wo
Lassalle, Herivegh und Andere rcferiren, aber cs
füllt dem Präsidenten Pluto nicht ein, deshalb
das Militärverbot zu verhängen; im Gcgentheil,
Blücher, Frundsberg und Wittekind spielen in
demselben Lokale jeden Nachmittag ihren Skat!
Spitzel kommen freilich massenhaft in die Hölle,
denn der Teufel holt sic nach und nach alle ohne
Ausnahme. Aber sie finden in ihrem alten Be-
rufe keine Beschäftigung mehr, sondern werden
als Kanalräumer verwendet, weil sic nun ein-
mal gewöhnt sind, ihre Nasen in alle Winkel zu
stecken.
Nach diesen kurzen 2lndentungen wird man
schon zugebcn, daß der Professor Mivart sehr
recht hat, wenn er die Zustände in der Hölle,
verglichen mit den irdischen Zuständen, als eine
Art von Glückseligkeit preist, und der angeblich
unfehlbare Papst wird seine Anschauungen be-
deutend ändern, wenn er erst bei uns unten ist.
Aber — wird man mir vielleicht cimvendcn —
ivic steht's mit den schrecklichen Höllenstrafcn, über
welche uns die Dichter so viel erzählt haben?
Nur unbesorgt, das ist auch nicht so schlimm,
wie cs gemacht wird. Die grausame Strafe der
Einzelhaft und der Einsperrung überhaupt giebt's
z. B. in der Hölle nicht. Dieselbe wird von den
Teufeln bezeichnender Weise eine „wahrhaft mensch-
liche" Strafe genannt lind käme hier auch für
schwere Verbrechen nicht in Betracht, während sie
droben auf der Erde in politisch besonders zurück-
gcbliebcncn Staaten sogar schon für freie Mei-
nungsäußerungen verhängt wird!
Wir haben hier freilich die berühmte Tantalus-
qual, d. h. Tantalus sicht köstliche Früchte vor
sich, die er gern haben möchte, und kann sie nicht
erreichen. Jlber du liebe Hölle, ist das droben bei
Euch etwas so seltenes? Wenn ein arbeitsloser
Weber vor dem Schaufenster des Metzgcrladcns steht
und hat Hunger, aber kein Geld, oder wenn ein halb
verschnmchtcter Handwerksbursche die Hotelglocke
zum Table d’höte läuten hört — ist das nicht
Tantalusqual in optirnn forma? Und was hat der
Weber, was hat der Handwerksbursche verbrochen,
daß diese Höllenstrafc über sie verhängt wird?
Nun, unser alter Tantalus hat sich an die Sache
schon gewöhnt, er ist kein Vegetarianer mehr, er
genießt Fleischkost, und so bezieht sich seine Strafe
nur noch aufs Kompott; dieses muß mancher
Andere auch entbehren.
Aehnlich verhält es sich mit Sisyphus, welcher
bekanntlich ocrurtheilt ist, einen schweren Marmor-
block auf einen Berg hinaufzurollen, wobei der
tückische Marmor immer hurtig mit Donncr-
gepolter wieder herunterkollert. Sispphus giebt
dainit wöchentlich zwei Vorstellungen, die immer
gut besucht sind; er hat das Ding schon so in
der llebung, daß cs ihm gar keine große Mühe
mehr macht. Ucbrigcns gedenkt er sich nächstens,
wenn Bismarck hernnterkommt, ganz zur Ruhe zu
setzen und sein polterndes Geschäft dem deutschen
Exkanzler zu übertragen, der ja bekanntlich zur
Zeit der größte Polterer ist.
In der Löwenbräu-Bierhalle zum „Tartarus"
tritt noch immer Laokoon — von den 2lntisemitcn
einfach Kohn genannt — als Schlangenbändiger
ans und büßt damit seine altgriechischen Sünden
ab. Seine Produktionen können eben nur ein so
bescheidenes Publikum bcftiedigen, wie wir es hier
in der Hölle haben. Wenn Laokoon auf einem
preußischen Jahrmärkte mit Ehren bestehen wollte,
müßte er mindestens noch Schwerter schlucken,
Drahtseil tanzen und drei brennende Lampen auf
dem Kopfe balanciren.
Was endlich die berühmte Strafe der Donalden
betrifft, so müssen dieselben Gefäße füllen, ivelchc
immer wieder leer werden, sie sind also — modern
gesprochen — Kellnerinnen. Aber sie theilcn des-
halb noch lange nicht das traurige Loos ihrer
Kolleginnen auf der Oberwelt; sie brauchen sich
nicht von Stellenvermittlcrn ausbeuten und be-
trügen zu lassen, sind nicht verpflichtet, die zer-
brochenen Dana'ldenfässer aus eigener Tasche zu
ersetzen und brauchen sich nicht von alten Sündern
für fünf Pfennige Trinkgeld in sämmtliche Wangen
kneifen zu lassen, sondern sie haben im höllischen
Rathskeller ihr sicheres Brok für alle Zeiten.
Mit den sonstigen Schrecken der Hölle ist es eben-
falls nicht zu arg, z. B. wird durch den 2lnblick des