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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0024
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2112

>~Hä* Nemesis.

zürnende Rachegöttin
Ist unerbittlich mit Geißel und Schwert,
Und Reiner mag ihren Streichen entgehn,

Der sich beladen mit Schuld und Verfehlung.

Gefordert hat Brot und Gerechtigkeit
Für das zahllose Heer der Armen
Kühnen Muthes der Sozialist.

Da aber geriethen in wuth die Satten
Und am lautesten schrie der Junker Schwarm:
„Gemeingefährlich!"

Und wieder hört' ich die Junker schrei'n

Durch jenen weiten Saal,

wo des deutschen Volkes Vertretung

Der langen Rede kurzen Sinn

Mit deutscher Gründlichkeit

Darlegt.

Da kam der lange Ranitz,

Der Kavalier,

Der das liebe Stroh

Nicht hat, um seine Dächer zu flicken,

Und klagte beweglich
Seine Noth.

Und der Sohn seines Vaters,

Der große Graf Herbert von Bismarck,

Klagte nicht minder.

Und der brüllende Liebermann
Von Sonnenberg

wollt' seine Gegner zerfleischen
wie ein reißender Wolf,

Die dem armen Junker

Den standesgemäßen Lebenswandel

Nicht gönnen ....

Zwei Tage tobt die Redeschlacht
Und das arme Vaterland
Scheint verloren,

Denn des Volkes Vertreter

wollen den großen Junker-Schnaxpsack

Nicht weiter füllen.

Die Junker lärmen —

Aber in den Tumult hinein
Tönt die Stimme des Ministers:
„Gemeingefährlich!"

Ha, wie sie die Augen rollen,

Die Fäuste ballen,

wie sie knurren und murren!

Und wie die Strohgrafen
Ansschäumen, sittlich entrüstet!

Lin alter Mann sxrach's
Mit schwacher Stimme;

Aber ein kräftiger Widerhall
Kant aus den Lüften;

Dort sah ich sie schweben, die Rachegöttin,
Und vernahm ihren Schrei:
„Gemeingefährlich!"

Crispis Kettung.

ö)er Lrispi war in großer Roth,

Das Volk Italiens murrte;

Ruch war vom Dalles er bedroht.

Der täglich größer wurde.

Da rief er: „König Menelik!

Ich stecke tief im Mißgeschick,

V hilf mir, lieber Bruder,

Sonst bleib ich nicht am Ruder!"

Und Menelik, der schwarze Mann,
Sprach: „Dank für das vertrauen!

Will sehen, was ich leisten kan».

Um Dich herauszuhauen."

Drauf nach Italiens Kolonien
Beschloß er, in den Krieg zu ziehn
Mit seinen Mohrenhaufen,

Massauah sich zu „kaufen".

Run war der Drispi wieder froh.

Könnt er doch Kriegslärm schlagen!

Lr brachte fast zum Schweigen so
Des Tages ernste Kragen.

Kurs Vaterland mit 8ut und Blut!
(Stets diese Phrase Wirkung thut!)

Zog aus man mit dem Heere,

Zu holen Ruhm und Ehre!

8ar ernst der heiße Kampf begann.

Und gabs ein Unterliegen,

Lo kamen auch Berichts an
von wunderbaren Siegen.

Dis Vpfer fielen beiderseits,

Ls liegen Tausende bereits
Im Massengrab gebettet —

Doch Trispi ist gerettet!

Ein edles Vorbild.

(Sä ist bekannt, daß das vom Disziplinar-
gerichtshof gegen den Assessor Wehlan gefällte
Urthcil allgemeines Staunen und große Miß-
billignng hervorgerufen hat. Dian ist entrüstet,
daß dieser edle Menschenfreund, dieser Bahn-
brecher der Kultur, zu fünfhundert Mark Strafe
verurtheilt wurde, anstatt mit einem Orden ge-
schinückt und mit einer Rangerhöhung geehrt zu
werden.

Weinend und schluchzend hat diese weiche, ge-
fühlvolle Assessoren-Seele vor den Richtern ge-
standen, aber seine Thrüncn konnten die Grau-
samen nicht rühre»; hart und gefühllos haben
sie ihm eine Geldstrafe ausgebrannt, als ob er
gegen die Droschkenfahrordnung oder gegen die
Bestimmungen über Straßenreinigung verstoßen
hätte!

Und was hat der Aermste verbrochen? Er
hat nur einige Afrikaner todtgeschlagen und diverse
Gefangene, die in seiner Gewalt waren, nieder-
gemctzelt.

Daß man ihn solcher Kleinigkeiten wegen nicht
mit dem Strafgesetzbuch belästigt hat, ist immer-
hin anerkennenswerlh. Das Strafgesetzbuch sagt:
„Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, ivird,
falls er es mit Ueberlegung gethan hat, mit dem
Tode bestraft." Die Ueberlegung wird man bei
Wehlan nicht bestreiten können, denn ein preußi-
scher Assessor handelt niemals unüberlegt, aber
die Afrikaner sind keine Menschen, und des-
halb ist Wehlan vom Strafgesetz nicht zu fassen.

Wenn Jemand fragen sollte, was die Afri-
kaner denn sonst sind, so ist darauf zu antworten:
Sie sind gehackte Beefsteaks, und auch dazu mutz
sie die christliche Humanität unserer Kolonial-
politiker erst machen.

Es ist hier beiläufig auf eine sehr wichtige
Konsequenz dieser Enthaltsamkeit des Strafgesetzes
hinzuweisen. Wenn die Juristen einmal entdeckt
haben, daß es Leute gicbt, die keine Menschen sind
und in Folge dessen nicht den gesetzlichen Schutz
genießen, dann läßt sich der Kreis dieser Nicht-
menschen auch' beliebig erweitern. Eines schönen
Tages kann man erklären: Die Sozialdemokraten
sind auch keine Menschen, und wer einen Sozial-
demokraten todtschlägt oder widerrechtlich zu Scha-
den bringt, der riskirt eine Geldstrafe auf diszipli-
narischem Wege. Die Stumm, Bismarck, Hammer-
stein und Genossen haben sich ja längst bemüht,
dieser Idee die Wege zu bahnen, vielleicht bringen
sie es unter Wehlans Führung fertig.

Was hat Wehlan sonst noch verübt?

Er hat die Prügelstrafe schneidig gehandhabt,
und dadurch hat er ein konservatives Ideal ver-
wirklicht. Da er in seiner Eigenschaft als deutscher
Beamter die Prügel verordnet und nicht wegen
Amtsmißbrauch bestraft wird, so hat durch Wehlan
der Stock ein gewisses Bürgerrecht in der Straf-
justiz erlangt und die Prügelfreunde sehen ihre
kühnsten Träume überflügelt.

Freilich — daß Wehlan die Prügelstrafe auch
im Zivilprozeß gegen faule Schuldner eingcfllhrt
hat, das wird in besseren und besten Kreisen ein
gewisses Unbehagen erwecken. Wie viele Offiziere
haben Schulden, wie viele Assessoren haben Schul-
den — selbst Grafen und Herzoge giebt es, die
Schulden haben . . . soll man sie alle über eine
Holzkiste legen, mit dem Rücken nach oben, und dann
mit der Nilpferdpeitsche draufhauen, „daß es durch-
kommt"? Ach, wie viel Hiebe hätte dann Herr
von Hammerstein bekommen, wenn er von Wehlan
„streng, aber gerecht" behandelt worden wäre!

Streng, aber gerecht hat Wehlan in Afrika
gewirkt, das ist ausdrücklich anerkannt worden.
 
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