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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0032
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— 2120

Fasching 1896.

H)rr leben in -er Faschingszeit,

In Scherz und Spiel nn- Tand,

Die Narrheit blühet weit nn- breit
Ringsum inr deutschen Land.

Sie zeigt sich überall dem Blick
In buntem Farbenschein,

Besonders in der Politik
Da herrscht sie ganz allein.

Des Reichstags Saal ist oftmals leer
Im frohen Karneval,

Erheiternd wirkt nur wenig mehr
Herrn Kardorff's Redeschwall.

Der Liebermann - wie Zorn und Drohn
Aus seiner Red' auch spricht,

Er trifft ja doch den Faschingston
So schön wie Ahlwardt nicht.

Die Junker klagen ihre Noth,

Die armen leiden schwer,

Ls schreit der Kanitz laut nach Brot,
Ihn hungert ja so sehr.

Und um die Noth der Landwirthschaft
Bricht ihnen fast das Herz
Bei Austern und beinr Rebensaft —
welch' guter Faschingsscherz!

Der Faschingsjubel tönt vom Rhein
herüber keck und toll
wo Alles lacht, kann Stumm allein
Nicht hegen Haß und Groll.

Er äußert mit Bescheidenheit:
,,Arbeitersreund bin ich!"

Und allgemeine Heiterkeit
Erhebt im Volke sich.

Die ganze Welt will lustig sein,

Der Miguel, schadenfroh,

Lacht stillvergnügt in sich hinein,

Und heimlich spricht er so:

,,Für Heer und Flotte habe ich
Gar einen schönen j)lan;

Ist der gereift, bricht jämmerlich
Die Aschermittwoch an."

Einstweilen sei der Karneval
Von Sorgen nicht gestört —

Mit Scherz und Lust, mit Klang und Schall
Die Kerzen er bethört.

Die Rothen schließen sich nicht aus,

Sie stehn nicht kühl und schroff —

Sie lachen ihre Gegner ans,

Dazu giebt's reichlich Stoff!

Gin Ssng an Unentwegt.

Äs ist Herr Schulze, der das spricht,
vom patrimonialgericht
Aus Delitzsch beut die Runde Luch
„Der König im sozialen Reich."

So höre, wahren Fortschritts Sohn:
Ls wird bestimmt der Arbeitslohn
In Stadt und Dorf. Fabrik und Flur
Durch ein Gesetz in der Aatur!

Nur Narren können sich vermessen.
Indem sie dies Gesetz vergessen,
verführt vom bösen Nenschenwillen:
Nach Lohnerhöhung gierig brüllen.

Du nimmst der Arbeitsmänner Zahl
Und dividirst ins Kapital
Nit ihr: Lo wird seit Alters schon
Bestimmt gerechter Arbeitslohn.

Naßgebend bleibt hier allzumal
Der Vorrath stets vom Kapital.

Und wo am Besten es gebricht.

Da kann man Löhne zahlen nicht.

N>ie soll nun Streik, Koalition
Jemals dir helfen? V mein Lohn!
Drum sei kein Lsel. niemals setz'

Dich wider ein Naturgesetz!

Ls ist Herr Schulze, der das spricht,
vom Patrimonialgericht
Aus Delitzsch beut die Kunde Luch
„Der König im sozialen Reich."

So höre, wahren Fortschritts Sohn:
Willst steigern du den Arbeitslohn.

So mußt du schleunigst treten ein
In unfern Fortschritts-Wahl-Verein!

Wirst du erst uns're Wege wandeln.
So wird durch friedlich Unterhandeln
Mit uns'ren Unternehmer-Reih'n
Dein Lohn doch zu erhöhen sein . . .

Na ob! Sieh: wohler gleich dir's geht.

Wenn deine Bildung man erhöht

Bei uns und wenn in jungen Jahren

Die Fortschritts-Kunst du lernst: Das Sparen!

Das ist sozial der Zirkeltanz
, von -Eugens Nannen voll und ganz.

Dock) hat uns das, was heute tagt.

Hut ab. Schulze vorausgesagt.

Fast sind es siebenundzwanzig Jahr'.

. Seit Schulze so Prophete war.

Wo Fortschritt? Lugens Ruhmesglanz?

Alles zum Teufel, voll und ganz!

Raketenkisten sind verpufft.

Gaprivi sank. Die Norgenluft
Der Arbeit weht! Ls zittern bleich
Die Könige im sozialen Reich!

Aus Kitlau.

Erster Narr: Endlich ist and) in Preß-
angelegenheiten ein Akt staatlicher Fürsorge
zu melden.

Zweiter Narr: Unglaublich! Worin be-
stände der?

Erster Narr: Es werden Ausfithr-Ver-
gütungen an die Preßhefenfabrikanten ge-
zahlt. ,,

Unterschied.

Wenn als Greis von sechzig Jahren
Liech und schwach ein Arbeitsmann —
Dennoch keine Altersrente
Weist der Staat dem Armen an.

Aber sieh'. — ein flotter Hauptmann.

Dem der Dienst zu lästig schon —

In dem schönsten Nannesalter
Nimmt er Abschied mit Pension.

Uarnevats-Moden.

Die diesjährige Faschingssaison hat mancherlei
pikante Novitäten auf den: Gebiet der Mode gebracht.

Da ist z. B. an die Stelle der alten, ab-
gebrauchten Fledermaus der sinnreiche dolus
eventualis getreten, welcher namentlich von jungen
Juristen gern getragen wird. Dieses fabelhafte
Ungethüm hat lange Fühlhörner, welche nach
Oben stehen und zur Förderung der Streberei
zu dienen scheinen. Der Mantel schillert in allen
Farben und ivird nach dem Winde gehängt; die
Beine sind ungleich, ein Bein ist länger als das
andere, so daß die Maske bei dem ungleichen
Gange den Schönstedt'schen Gedanken illustrirt:
„Wenn zwei dasselbe thun, so ist es nicht dasselbe."

Unter den Edlen der Nation ist Heuer das
griechische Kostüm wieder bevorzugt worden.
Man trägt es nicht blos aus Pietät für Hammer-
stcin, sondern auch des göttlichen Dalles wegen,
der in Griechenland eine Staatseinrichtung ist.
Auch Ahlwardt findet das griechische Kostüm sehr
schön, erstens wegen des erwähnten Dalles und
zweitens, weil es die Hose entbehrlich macht.

In nationallibcralen Faschingskreisen trug
man bisher vorzugsweise die bekannten Wadel-
strümpfc. In dieses ewige Einerlei ist jetzt Ab-
wechslung gekommen durch die kleidsame Gla-
diator en-Ata ske, welche von geistlicher Seite
den ordnungsparteilichen Volksvertretern empfohlen
wurde. Diese Maske wird die Lebensfähigkeit der
Nationalliberalen wesentlich erhöhen, denn wenn
sie sagen, daß sic für ihren Kaiser sterben
wollen, so kann man sicher sein, daß sie ihr
Versprechen nicht cinlösen werden.

Eine schöne Maske ist auch der Tropen-
koller, aus Tigerfellen gefertigt und mit Kameels-
haaren verziert. Er stammt aus Afrika und wird
mit der Nilpferdpeitsche getragen, die voll frischen
Negerblutes sein inuß.

Ein drolliger Karnevalsscherz ist auch die
Gründung einer Bauchaufschliher-Liga im
 
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