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Einige Strophen weiter verkündete das Lied:
„Das ist des Deutschen Vaterland,
Wo Mammon herrscht mit starker Hand,
Wo Ahlwardt hetzt, wo Munter schwört,
Wo Stöcker Recht und Wahrheit ehrt!
Das muß es sein, das muß es sein,
Das guter Deutscher, nenne dein."
Herr Tappel hatte den Text des patriotischen Liedes nicht im
Kopfe. Aber er wußte, daß das Lied „Was ist des Deutschen Vater-
land" in allen gutgesinnten Turnvereinen gesungen wurde.
Es ergriff nun ein Redner das Wort:
„Geehrte Festgenossen! Es war uns leider nicht vergönnt, bei
diesem Feste für unsere Sache zu wirken, weil uns alle politischen An-
spielungen strengstens verboten sind. Wir begnügten uns deshalb mit
der karnevalistischen Verkörperuitg einer dem öffeittlichen Leben voll-
ständig fernliegenden Idee. Wir begrüßen deshalb in unserer Mitte
den Minister Miguel, der uns das große Defizit vorführt, wir begrüßen
die Vertreter des Militarismus mit ihrem glorreichen Banner, die
Deputationen der nothleidenden Agrarier Ostpreußens, angeführt von
Freiherrn von Hammerstein, und wir begrüßen den Protektor von Kunst
und Wissenschaft, Herrn von Koller."
Bei den Namen Koller fuhr der Inspektor Tappel auf und schaute
sich suchend im Saale um. Er hätte seinen früheren Vorgesetzten gern
von Angesicht gesehen, aber er konnte ihn nicht entdecken.
Der Festredner schloß:
„Ich ertheile nun der Repräsentantin unserer Fest-Idee, der Jung-
frau Germania das Wort."
Germania trat nüt Würde in den Kreis der Masken; sie schlvcn!
das Banner und begann:
„Geehrte iRitgesangene! . . “
Augenblicklich traten zwei Gensdarmen an sie heran, brachten
zmu Schweigen und legten ihr Handschellen a,i. Eine Garde v.
Männern, deren lange Nasen und Gummischläuche Herrn Tappel sch.
beun Empfang ausgefallen waren, umringten als Bedeckuiig die G-
maiiia und der Zug setzte sich in Bewegung.
Der gefangenen Germania folgten Vertreter des Militarismus
allen Waffengattungen, welche als Bairner eine Zwangsjacke trüge
Dann folgte Miguel mit dem Reichsdefizit, der Liberalismils tu Wad
strümpfen, die Junker mit ihrem Banner, dem Bettelsack, die Juriste
welche in ihrer Mitte ein fabelhaftes Thier führten, das einer Wilds
ähnlich sah und durch sein sichtbar angebrachtes Motto „Schwein oi
lcht-Schwein" sich als dolus eventualis präsentirte. Dann kam
iwch die Gruppen der Zünftler, der Gefängnißwärter, und viele and.
stutzen der Gesellschaft.
Der Inspektor Tappel folgte mit strengen Blicken den Erscheinung
e Zuges und vergewisserte sich, daß keine einzige sozialdemokratis
Maske dabei war.
Befriedigt wandte er sich um — aber da fuhr er ganz erschrocken
zusammen. Vor ihm stand, wie aus der Erde gewachsen, ein schwarz-
gekleideter älterer Herr mit finsteren zornigen Mienen — sein Vor-
gesetzter, der Herr Landrath, in eigener leibhaftiger Person.
„Tappel, was haben Sie hier gemacht!" redete ihn dieser mit
halblauter, zornbcbender Stimme an. „Sehen Sie denn nicht, daß
das ganze Fest nur eine einzige Verhöhnung unserer politischen Zu-
stände ist?"
„So?" meinte der Gescholtene betroffen. „Dann löse ich sofort
auf!" Und er griff nach seinem Helm.
Aber der Landrath hielt ihn zurück, indem er sagte, jetzt, nachdem
die Hauptsache vorüber, solle man zur Vermeidung von Auffehen die
Maßregel lieber unterlassen.. Am besten sei es, wenn er nach Hause
gehen würde, — was denn Tappel auch mit höchst erstaunter Miene
that. Er glaubte seine Sache gut gemacht zu haben und mußte nun
erfahren, daß wie überall auch hier Undank der Welt Lohn sei.
Seufzend ging auch der Landrath davon. „Mit solchen Leuten",
brummte er, „soll man die Sozialdemokraten in Ordnung halten, —
und dabei ist dieser Tappel noch der intelligenteste Polizei-Inspektor in
meinem ganzen Bezirk!" ,»>
Einige Strophen weiter verkündete das Lied:
„Das ist des Deutschen Vaterland,
Wo Mammon herrscht mit starker Hand,
Wo Ahlwardt hetzt, wo Munter schwört,
Wo Stöcker Recht und Wahrheit ehrt!
Das muß es sein, das muß es sein,
Das guter Deutscher, nenne dein."
Herr Tappel hatte den Text des patriotischen Liedes nicht im
Kopfe. Aber er wußte, daß das Lied „Was ist des Deutschen Vater-
land" in allen gutgesinnten Turnvereinen gesungen wurde.
Es ergriff nun ein Redner das Wort:
„Geehrte Festgenossen! Es war uns leider nicht vergönnt, bei
diesem Feste für unsere Sache zu wirken, weil uns alle politischen An-
spielungen strengstens verboten sind. Wir begnügten uns deshalb mit
der karnevalistischen Verkörperuitg einer dem öffeittlichen Leben voll-
ständig fernliegenden Idee. Wir begrüßen deshalb in unserer Mitte
den Minister Miguel, der uns das große Defizit vorführt, wir begrüßen
die Vertreter des Militarismus mit ihrem glorreichen Banner, die
Deputationen der nothleidenden Agrarier Ostpreußens, angeführt von
Freiherrn von Hammerstein, und wir begrüßen den Protektor von Kunst
und Wissenschaft, Herrn von Koller."
Bei den Namen Koller fuhr der Inspektor Tappel auf und schaute
sich suchend im Saale um. Er hätte seinen früheren Vorgesetzten gern
von Angesicht gesehen, aber er konnte ihn nicht entdecken.
Der Festredner schloß:
„Ich ertheile nun der Repräsentantin unserer Fest-Idee, der Jung-
frau Germania das Wort."
Germania trat nüt Würde in den Kreis der Masken; sie schlvcn!
das Banner und begann:
„Geehrte iRitgesangene! . . “
Augenblicklich traten zwei Gensdarmen an sie heran, brachten
zmu Schweigen und legten ihr Handschellen a,i. Eine Garde v.
Männern, deren lange Nasen und Gummischläuche Herrn Tappel sch.
beun Empfang ausgefallen waren, umringten als Bedeckuiig die G-
maiiia und der Zug setzte sich in Bewegung.
Der gefangenen Germania folgten Vertreter des Militarismus
allen Waffengattungen, welche als Bairner eine Zwangsjacke trüge
Dann folgte Miguel mit dem Reichsdefizit, der Liberalismils tu Wad
strümpfen, die Junker mit ihrem Banner, dem Bettelsack, die Juriste
welche in ihrer Mitte ein fabelhaftes Thier führten, das einer Wilds
ähnlich sah und durch sein sichtbar angebrachtes Motto „Schwein oi
lcht-Schwein" sich als dolus eventualis präsentirte. Dann kam
iwch die Gruppen der Zünftler, der Gefängnißwärter, und viele and.
stutzen der Gesellschaft.
Der Inspektor Tappel folgte mit strengen Blicken den Erscheinung
e Zuges und vergewisserte sich, daß keine einzige sozialdemokratis
Maske dabei war.
Befriedigt wandte er sich um — aber da fuhr er ganz erschrocken
zusammen. Vor ihm stand, wie aus der Erde gewachsen, ein schwarz-
gekleideter älterer Herr mit finsteren zornigen Mienen — sein Vor-
gesetzter, der Herr Landrath, in eigener leibhaftiger Person.
„Tappel, was haben Sie hier gemacht!" redete ihn dieser mit
halblauter, zornbcbender Stimme an. „Sehen Sie denn nicht, daß
das ganze Fest nur eine einzige Verhöhnung unserer politischen Zu-
stände ist?"
„So?" meinte der Gescholtene betroffen. „Dann löse ich sofort
auf!" Und er griff nach seinem Helm.
Aber der Landrath hielt ihn zurück, indem er sagte, jetzt, nachdem
die Hauptsache vorüber, solle man zur Vermeidung von Auffehen die
Maßregel lieber unterlassen.. Am besten sei es, wenn er nach Hause
gehen würde, — was denn Tappel auch mit höchst erstaunter Miene
that. Er glaubte seine Sache gut gemacht zu haben und mußte nun
erfahren, daß wie überall auch hier Undank der Welt Lohn sei.
Seufzend ging auch der Landrath davon. „Mit solchen Leuten",
brummte er, „soll man die Sozialdemokraten in Ordnung halten, —
und dabei ist dieser Tappel noch der intelligenteste Polizei-Inspektor in
meinem ganzen Bezirk!" ,»>