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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0044
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und dic Herren Polizisten. Diese gediegene, aber
nicht zahlreiche Kundschaft wird jährlich nur
wenige Paar Stiefel bestellen, es hört also das
Hasten und Drängen auf, es kann wieder sorg- ;
faltig und langsam gearbeitet werden, was in
der Stadt die Großproduktion dem Zunftmeister
längst nicht mehr erlaubt.

Auch der Schlosser ist hier besser daran, es
wird keine Maschinenfabrik gebaut, dic ihm Kon-
kurrcnz macht, wenn er einige Stallthor-Vcrschlüssc
zil liefern hat. Die Arbeit stellt auch keine stt
hohen Ansprüche an sein technisches Können und
die Beschaffung des Materials erfordert fetitc zu
hohen finanziellen Mittel.

lieber die Arbeiter brauchen sich die Zünftler;
dort nicht mehr zu ärgern, iveil sie feine Arbeiter
brauchen. Der Kunde muß einfach ivarten, bis der j
Meister selbst die Arbeit fertig hat, denn cs giebt |
keine Konkurrenz durch Magazine und Maaren-!
Häuser in den Einöden der Kartoffelfelder.

Damit fällt auch der Aergcr über die Sozial-
demokratie weg. Die niedrige Bevölkerungsziffer j
ermöglicht keine zahlreichen Versammlungen, der
Verbreitung von Schriften steht entgegen, daß )
viele der Eingeborenen nicht recht lesen können,!
kurz cs ist ein idyllischer Zustand, den die moderne I
Kultur noch nicht angekränkelt hat. Ein solcher!
Zustand ist die Vorbedingung für das Gedeihen!
der Zünfte, und so werden sie gedeihen.

Inzwischen werden die Agrarier in den Städten
sich erlaben an beit Segensquellen der Industrie,
welche ja ihrer Meinung nach der Landwirthschaft
stets vorgezogen wird. Jetzt sind sic die Bevor-
zugten und werden die günstige Situation aus- >
nützen.

Graf Kanitz wird vorm Halleschen Thore in
Berlin eine Bäckerei errichten und den Preis des
Brotes auf zwei Mark pro Pfund festsetzen.
Wenn andere Bäcker das Brot billiger geben,
so wird er sie wegen unlauteren Wettbewerbs
anklagen und wird im Falle der siegreichen Durch-
führung dieses Prozesses die Grundidee des be-
rühmten Antrag Kanitz verwirklicht haben.

Unter den Linden wird Graf Mirbach, seiner
Neigung zuin Bimctallismus folgend, mit altem
Eisen und mit Blechwaaren handeln. Er wird
hier ungestört von jeder Währungs-Ordnung die
Preise der Metalle bestimmen und wird Gelegen-
heit haben, jene Schätze zu erschließen, welche er
tut Bimetallismus schon längst geahnt hat.

Die Puttkamer dürften sich der Schreinerei
zuwenden und ein Sargmagazin eröffnen, wobei
sie auf Grund früherer Verbindungen Aussicht
haben, Hoflieferanten des Bundesraths zu werden
und bei der Einsargung der verschiedenen durch-
gefallenen Regierungsvorlagen lohnenden Ver-
dienst zu finden. Herrn von Plötz werden wir
vielleicht in einer Schneiderwerkstatt, die Eulen-
burgs als Schuster begrüßen, kurz, sie werden
alle froh sein, der schrecklichen Roth der Land-
wirthschaft entronnen zu sein und bescheidenen
Verdienst gefunden zu haben.

Sollte die Sache aber hier und da schief
gehen, dann bleibt den Agrariern ja immer noch,
was sie stets gethan haben — sie können sich
unter das Brandenburger Thor stellen, die Mütze
in die Hand nehmen und um Liebesgaben
betteln.

Einem Idealisten.

Du sagst, daß ideale Morte
Bei jedem Mann, an jedem Grte,

Im Innern zarte Saiten rühren
Und so zu großer Chat verführen.

— Lieh näher zu: es find> mir scheint,
Darmsaiten nur, o werther Freund,

Und um so dauernder, je mehr
Des Lilberdrahtes rund umher.

>-. • 2130 • • -<

Konservative EntwiMungsgeschichte.

Mit Hochgenuß hat er als Uind geschleckt Konfekt. j
Um sich von der Gewohnheit nicht zu losen, j
Hielt er sich später an Konfektionösen.

Der Professor der Philosophie.

Lein ganzes wertstes Hirnschmalz —sicherlich! —
Verschmierte Biederkopf auf's „Ding an sich".
Bis ihm ein Ureuz des Landesvaters Hand
Als schönstes „Ding an sich" ins Unopfloch band. |

Der SelüstmorWandidat.

Der Iockl hat kein Glück im Leben,
Drum sinnt er nach es aufzugeben.
Doch wie? das macht ihm eben Pein,
Das Hängen soll nicht ohne sein.

Zum Leiter ist er schnell gegangen.

Am Strick hat er sich aufgehangen.
Doch hier selbst, welch ein Mißgeschick,
Ls brach mit ihm der dumme Strick!

vergiften wäre auch nicht übel,

Gift hat er gleich 'nen ganzen Uübel.
Doch Battengift bekommt nicht gut
Wenn man zuviel genießen thut.

vom Gifts will er nichts mehr wissen.
Dagegen freut ihn das Trfchießen,


Ls braucht nur einen Druck, ein Unall
llnd dann ist's mit dem Leben all'.

Dem Iockl ist es wieder wohler,

Lr kauft sich Pulver und Pistoler;

Doch ach. er schießt statt in den Kopf
Die Haut nur weg mitsammt dem Lchopf.

verzweifeln wollte er nun gerne.

Da winkt ein Thurm ihm von der Ferne,
Das hebet wieder seinen Math,

Abstürze», denkt er, das ist gut.

Ls ist das Sicherste von allen,

Lr läßt sich von dem Thurme fallen.

Doch weh, ein Haken fängt ihn auf
Und hemmt so seinen Todeslauf.

Was nun? spricht er mit dumpfem Brüten,
Als er vom Haken ward geschnitten;

Im Zorn und in verzweifelnng
Lrgiebt er sich dem stillen Trunk.

Lr sauft und saufet immer weiter
Und schließlich wird er wieder heiter.

Lr weiß es ja, der stille Lust,

Der reibt den Menschen sicher uff.

Verantwortlich (iir die Slebattion Georg Batzler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Diel) in Stuttgart.
 
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