2183
Blihdrahk -Meldungen.
Berlin. Der Reichskanzler Hohenlohe hat ein großes Festessen
gegeben, um den Leuten, die fortwährend von seinem bevorstehenden Rück-
tritt sprechen, den Mund zu stopfen.
— Graf Mirbach berichtigt in der Krcuzzeitung, daß er den gewalt-
samen Umsturz nicht gemeint hat, sondern einen ganz verfassungs-
mäßigen Staatsstreich. ^_
Eine Stsatsstühe.
(Sächsisch.)
De Ordnung is ä scheenes Ding,
Die duhn mer führe schitzen,
Und bred'gen Sidde un Moral,
Doch duhd's uns wenig nitzen.
Denn immer, wenn mer dicke duhn,
Da duhd's das Schicksal siegen,
Daß Lener von uns werd verwisch-
Bei'n Mausen und Bekriegen.
Da war der Herr von Schorlemer,
Des säck'schen Adels Zierde,
Der fier den edlen Ordnungsbrei
Gewaltig agethierde.
Doch ehe noch ä Ahnimus
Uns Andern uffgedämmerd,
Da hadde Herr von Schorlemer
Uns jämmerlich belämmert.
Hobelspähne.
Nicht wcig're, Volksvertreter, dich,
Die Flotte zu vermehren,
Du kannst den „Patrioten" leicht
Den kleinen Spaß gewähren.
Ein Widerstand ganz zwecklos wür',
Sei schwach nicht vom Begriffe,
Denn reichlich Platz noch hat das Meer
Für viele tausend Schiffe.
Merkwürdig, im Reichstage sucht man ver-
geblich nach einem Mittel, um die Justiz vor
Brauseweitcrfällen zu schützen. Die Sache ist
^ ^ doch ganz einfach: Man photographire die Köpfe
der Richter mittels Röntgen'scher X-Strahlen, dann wird man sofort
leben, wo eine Schraube locker ist.
Zur Konfekironsarbriter-Bewegung.
„Kleider machen Leute", sagt man. Daher sollte man aber
auch die berechtigten Forderungen der Leute, welche Kleider machen,
mehr berücksichtigen. __
Bulgarisches.
Des Ferdinand Erfolge sind
Begleitet stets von Schlappen —
Jetzt hat er ein doppelt getauftes Rind,
Doch sein Weib ging durch die Lappen.
Berliner Instände.
Hinz: Der Schulze war früher ein so solider Mensch und jetzt
besucht er nur noch Kneipen mit Danienbedienung!
Kunz: Das thut er, weil er ein solider Staatsbürger ist.
Hinz: Wie so?
Kunz: Er mag nichts mit der Polizei zu schaffen haben, deshalb
meidet er die Kellner.
Die Parteigenossen Hammersteins haben zugestandenermaßen
I das Treiben desselben geduldet, weil sie sich vor seiner Pistole fürchteten.
Sie haben ihm also lieber etwas vorgeschossen, als sich von ihm
etwas vorschießen zu lassen.
Die „Wahlreform" in Sachsen
Ist nur eine Wahlrechts-Erweiterung!
So kündet die sächsische Presse
Den Lesern zur Erheiterung.
So stiehl' zehn Pfund Gold aus dem Geldschrank,
Leg' zwanzig Pfund Sand dafür ein,
Dann darf man nicht Dieb dich nennen,
Du wirst edler Wohlthäter sein.
Es ist merkwürdig, daß gerade die „scharfniachenden" Schleifstein-
Politiker gewöhnlich so ungeschliffen auftreten.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Wort: „Wir kochen breite Bettelsuppen." Die
Rechtspflege wird in dem Vers verächtlich ge-i
macht: „Es erben sich Gesetz' und Rechte wie eine
ewige Krankheit fort." Wenn cs weiter darin
heißt: „A>n meisten ärgert ihn, sobald wir vor- ,
wärts gehen", so läßt es keinen Zweifel, daß danrit j
das herrschende Regierungsspstem gemeint ist.
Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß der Vers: !
„Der Herr der Ratten und der Mäuse, der Fliegen,;
Frösche, Wanzen, Läuse, befiehlt dir, dich hervor-'
zuwagen und diese Schwelle zu benagen" (nämlich
die Schwelle mit dein Pentagramm, das den
Terifel bannt) ein frecher Hohn ist auf die Ver-
anstalter der sächsischen Wahlreform. Und
wer könnte schließlich daran zweifeln, daß die
e^ätze: „Werd' ich beruhigt je mich auf ein Faul-
bett legen, so sei es gleich um mich gelhan" und
„Nur rastlos bethütigt sich der Mann" eine Auf-
forderung an die sozialdemokratische Arbeiterschaft
enthalten, unermüdlich zu sein in der Agitation.
Wir müssen uns nur darüber wundern, daß
bisher ganze Bibliotheken über diese Umsturz-
tragödie geschrieben wurden, ohne daß man
seinen wahren sozialdemokratischen Charakter, der
doch so klar zu Tage tritt, durchschaut hat!
Neues zur Menschenkunde.
A. : „Zum Volksvertreter muß man geboren
werden", sagt Professor Sohm. Woran erkennt
inan aber in einem neugeborenen Kiirde den künf-
tigcn Volksvertreter?
B. : An seinerstarken, kräftigen Stimme.
2l.: So, so. Aber muß man dairn nicht auch
zum Professor geboren sein, wenn man dieses
Amt beansprucht?
B.: Natürlich.
A. : Und woran erkennt man gleich bei seiner
Geburt den künftigen Professor?
B. : An seinen langen Ohren.
Sisyphus.
Der Sisyphus, der Zisyphus,
Der war kein großer Pfiffikus.
Lr wälzte auf gar steiler Bahn
Den schweren Fels den Berg hinan.
Doch ungefähr auf Berges Mitten
Ist seiner Hand der Stein entglitten.
Mit Donnerpolteru rollt' er nieder
Und lag am Fuß des Berges wieder.
Der Zisyphus, der arme Mann,
In wälzen wiederum begann.
Und keucht und schwitzt, und schwitzt und keucht.
Und denkt, daß er das Ziel erreicht.
Doch immer wieder rollte munter
Der böse Ztein zum Thal hinunter,
von Reuem schreitet er zur Chat,
Und stets mit gleichem Resultat. —
Die Zage hielt ich manches Jährchen
Nur für ein lustig Rindermärchen
Jetzt weiß ich, sie ist Wirklichkeit:
In alter wie in neuer Zeit.
Will ein Minister unterdrücken
Nit Mitteln der Gewalt und Tücken
Des armen Volkes Freiheitsregung
Und jede neue Zeitbewegung,
wlaubt sie dem Ziele nah zu fein.
Zieh, da entgleitet ihr der Ztein,
Die Freiheit triumphirt und lacht
Der Rünste der Despotenmacht.
Doch eigensinnig gab noch nie
Ihr Zpiel verloren die Despotie.
Wenn Röller geht, so kommt der Recke,
Denn jedes Mittel führt zum Zwecke.
Mit Dienern von der Polizei
Wälzt man den Fels empor aufs Neu'.
Und schließlich Ulles rufen muß:
„Wir sind der rechte Zisyphus!"
Biographisches.
i.
Ich bin der Freiherr von Hammerstein,
An Tugend reich, von Zünden rein.
Edelster der Nation,
Ztütze von Altar und Thron,
Zchnöd verkannter Tugendengel,
Unschuld mit dem Lilienstengel,
Gpser jüdisch-liberaler.
Demokratisch-sozialer
Hinterlist und Zchlechtigkeit,
Rämpfer für Gerechtigkeit.
II.
Nein Name ist Ztöcker! Ich bin bekannt
Als „heil'ger Aöolphus" im ganzen Land.
„Der Wahrheit Priester", so nennt man mich.
Als „pred'ger der Liebe" nur kennt man mich.
Nie spinn' ich Jntriguen und Ränke fein,
Ltets offen und ehrlich nur pfleg' ich zu sein.
Nie schreibe ich Briefe voll Hinterlist,
Weil Redlichkeit Lebensbedürfnitz mir ist.
Nie trug ich ein antisemitisch Panier,
Die christliche Liebe verbietet es mir.
I Nie Hab' ich — wer's behauptet, der ist verflucht —
Je an dem Wahlrecht zu rütteln gesucht.
! Zo steh' ich, ein Vorbild dem ganzen Geschlecht,
Als Rämpfer für Zitte, für Vrdnung und Recht,
Für Thron und Altar im schönsten Verein
! Nit meinem Freunde, dem Hammerstein.
Für Mrveiter-Sesangvcreine.
Der „Freie Sänger" bietet den Arbeiter-Gesang-
vereinen einen großen Liederschatz zu einem beispiellos
billigen Preis.
Di-1. Serie (nur Partitur-Ausgabe) enthält bl) hefte
mit 170 Liedern. Preis pro Heft HO Pf.
Die II. Serie lParlitur- und Stimmen-Ausgabe) ent-
hält U hefte mit 30 Liedern. Preis pro Partitur 30 Pf.,
der Stimmen 40 Pf. (Linzeine Stimmen f0 Pf.)
verzeichnitz gratis. Bitte zu verlangen.
Ä. H. W. Dielst Verlag in Stuttgart.
Blihdrahk -Meldungen.
Berlin. Der Reichskanzler Hohenlohe hat ein großes Festessen
gegeben, um den Leuten, die fortwährend von seinem bevorstehenden Rück-
tritt sprechen, den Mund zu stopfen.
— Graf Mirbach berichtigt in der Krcuzzeitung, daß er den gewalt-
samen Umsturz nicht gemeint hat, sondern einen ganz verfassungs-
mäßigen Staatsstreich. ^_
Eine Stsatsstühe.
(Sächsisch.)
De Ordnung is ä scheenes Ding,
Die duhn mer führe schitzen,
Und bred'gen Sidde un Moral,
Doch duhd's uns wenig nitzen.
Denn immer, wenn mer dicke duhn,
Da duhd's das Schicksal siegen,
Daß Lener von uns werd verwisch-
Bei'n Mausen und Bekriegen.
Da war der Herr von Schorlemer,
Des säck'schen Adels Zierde,
Der fier den edlen Ordnungsbrei
Gewaltig agethierde.
Doch ehe noch ä Ahnimus
Uns Andern uffgedämmerd,
Da hadde Herr von Schorlemer
Uns jämmerlich belämmert.
Hobelspähne.
Nicht wcig're, Volksvertreter, dich,
Die Flotte zu vermehren,
Du kannst den „Patrioten" leicht
Den kleinen Spaß gewähren.
Ein Widerstand ganz zwecklos wür',
Sei schwach nicht vom Begriffe,
Denn reichlich Platz noch hat das Meer
Für viele tausend Schiffe.
Merkwürdig, im Reichstage sucht man ver-
geblich nach einem Mittel, um die Justiz vor
Brauseweitcrfällen zu schützen. Die Sache ist
^ ^ doch ganz einfach: Man photographire die Köpfe
der Richter mittels Röntgen'scher X-Strahlen, dann wird man sofort
leben, wo eine Schraube locker ist.
Zur Konfekironsarbriter-Bewegung.
„Kleider machen Leute", sagt man. Daher sollte man aber
auch die berechtigten Forderungen der Leute, welche Kleider machen,
mehr berücksichtigen. __
Bulgarisches.
Des Ferdinand Erfolge sind
Begleitet stets von Schlappen —
Jetzt hat er ein doppelt getauftes Rind,
Doch sein Weib ging durch die Lappen.
Berliner Instände.
Hinz: Der Schulze war früher ein so solider Mensch und jetzt
besucht er nur noch Kneipen mit Danienbedienung!
Kunz: Das thut er, weil er ein solider Staatsbürger ist.
Hinz: Wie so?
Kunz: Er mag nichts mit der Polizei zu schaffen haben, deshalb
meidet er die Kellner.
Die Parteigenossen Hammersteins haben zugestandenermaßen
I das Treiben desselben geduldet, weil sie sich vor seiner Pistole fürchteten.
Sie haben ihm also lieber etwas vorgeschossen, als sich von ihm
etwas vorschießen zu lassen.
Die „Wahlreform" in Sachsen
Ist nur eine Wahlrechts-Erweiterung!
So kündet die sächsische Presse
Den Lesern zur Erheiterung.
So stiehl' zehn Pfund Gold aus dem Geldschrank,
Leg' zwanzig Pfund Sand dafür ein,
Dann darf man nicht Dieb dich nennen,
Du wirst edler Wohlthäter sein.
Es ist merkwürdig, daß gerade die „scharfniachenden" Schleifstein-
Politiker gewöhnlich so ungeschliffen auftreten.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Wort: „Wir kochen breite Bettelsuppen." Die
Rechtspflege wird in dem Vers verächtlich ge-i
macht: „Es erben sich Gesetz' und Rechte wie eine
ewige Krankheit fort." Wenn cs weiter darin
heißt: „A>n meisten ärgert ihn, sobald wir vor- ,
wärts gehen", so läßt es keinen Zweifel, daß danrit j
das herrschende Regierungsspstem gemeint ist.
Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß der Vers: !
„Der Herr der Ratten und der Mäuse, der Fliegen,;
Frösche, Wanzen, Läuse, befiehlt dir, dich hervor-'
zuwagen und diese Schwelle zu benagen" (nämlich
die Schwelle mit dein Pentagramm, das den
Terifel bannt) ein frecher Hohn ist auf die Ver-
anstalter der sächsischen Wahlreform. Und
wer könnte schließlich daran zweifeln, daß die
e^ätze: „Werd' ich beruhigt je mich auf ein Faul-
bett legen, so sei es gleich um mich gelhan" und
„Nur rastlos bethütigt sich der Mann" eine Auf-
forderung an die sozialdemokratische Arbeiterschaft
enthalten, unermüdlich zu sein in der Agitation.
Wir müssen uns nur darüber wundern, daß
bisher ganze Bibliotheken über diese Umsturz-
tragödie geschrieben wurden, ohne daß man
seinen wahren sozialdemokratischen Charakter, der
doch so klar zu Tage tritt, durchschaut hat!
Neues zur Menschenkunde.
A. : „Zum Volksvertreter muß man geboren
werden", sagt Professor Sohm. Woran erkennt
inan aber in einem neugeborenen Kiirde den künf-
tigcn Volksvertreter?
B. : An seinerstarken, kräftigen Stimme.
2l.: So, so. Aber muß man dairn nicht auch
zum Professor geboren sein, wenn man dieses
Amt beansprucht?
B.: Natürlich.
A. : Und woran erkennt man gleich bei seiner
Geburt den künftigen Professor?
B. : An seinen langen Ohren.
Sisyphus.
Der Sisyphus, der Zisyphus,
Der war kein großer Pfiffikus.
Lr wälzte auf gar steiler Bahn
Den schweren Fels den Berg hinan.
Doch ungefähr auf Berges Mitten
Ist seiner Hand der Stein entglitten.
Mit Donnerpolteru rollt' er nieder
Und lag am Fuß des Berges wieder.
Der Zisyphus, der arme Mann,
In wälzen wiederum begann.
Und keucht und schwitzt, und schwitzt und keucht.
Und denkt, daß er das Ziel erreicht.
Doch immer wieder rollte munter
Der böse Ztein zum Thal hinunter,
von Reuem schreitet er zur Chat,
Und stets mit gleichem Resultat. —
Die Zage hielt ich manches Jährchen
Nur für ein lustig Rindermärchen
Jetzt weiß ich, sie ist Wirklichkeit:
In alter wie in neuer Zeit.
Will ein Minister unterdrücken
Nit Mitteln der Gewalt und Tücken
Des armen Volkes Freiheitsregung
Und jede neue Zeitbewegung,
wlaubt sie dem Ziele nah zu fein.
Zieh, da entgleitet ihr der Ztein,
Die Freiheit triumphirt und lacht
Der Rünste der Despotenmacht.
Doch eigensinnig gab noch nie
Ihr Zpiel verloren die Despotie.
Wenn Röller geht, so kommt der Recke,
Denn jedes Mittel führt zum Zwecke.
Mit Dienern von der Polizei
Wälzt man den Fels empor aufs Neu'.
Und schließlich Ulles rufen muß:
„Wir sind der rechte Zisyphus!"
Biographisches.
i.
Ich bin der Freiherr von Hammerstein,
An Tugend reich, von Zünden rein.
Edelster der Nation,
Ztütze von Altar und Thron,
Zchnöd verkannter Tugendengel,
Unschuld mit dem Lilienstengel,
Gpser jüdisch-liberaler.
Demokratisch-sozialer
Hinterlist und Zchlechtigkeit,
Rämpfer für Gerechtigkeit.
II.
Nein Name ist Ztöcker! Ich bin bekannt
Als „heil'ger Aöolphus" im ganzen Land.
„Der Wahrheit Priester", so nennt man mich.
Als „pred'ger der Liebe" nur kennt man mich.
Nie spinn' ich Jntriguen und Ränke fein,
Ltets offen und ehrlich nur pfleg' ich zu sein.
Nie schreibe ich Briefe voll Hinterlist,
Weil Redlichkeit Lebensbedürfnitz mir ist.
Nie trug ich ein antisemitisch Panier,
Die christliche Liebe verbietet es mir.
I Nie Hab' ich — wer's behauptet, der ist verflucht —
Je an dem Wahlrecht zu rütteln gesucht.
! Zo steh' ich, ein Vorbild dem ganzen Geschlecht,
Als Rämpfer für Zitte, für Vrdnung und Recht,
Für Thron und Altar im schönsten Verein
! Nit meinem Freunde, dem Hammerstein.
Für Mrveiter-Sesangvcreine.
Der „Freie Sänger" bietet den Arbeiter-Gesang-
vereinen einen großen Liederschatz zu einem beispiellos
billigen Preis.
Di-1. Serie (nur Partitur-Ausgabe) enthält bl) hefte
mit 170 Liedern. Preis pro Heft HO Pf.
Die II. Serie lParlitur- und Stimmen-Ausgabe) ent-
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