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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0054
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— 2140 •-

Nuß die Regierung ihrem Volke gelten,

Als die des Reichs, die von dem kleinen Lande
Den Fortschritt lernt auf jeglichem Gebiet.
Das Volk muß an dem Zonderstaate hängen,
Der seine Wohlfahrt sich'rer ihm verbürgt.

Als wenn im Reich es spurlos unterginge
Nit seiner Zonderart. Doch wenn es fühlt.
Daß es beim Tausche nichts verlieren würde,
wird es den Ropf sich nicht herunterreißsn,
Wenn einst aufs Reue Vpfer das Geschick
Des großen Ganzen von den Meinen heischt

Dir, neies säch'sches Wahlgesetz,

Das aus'n Wolken uns gefallen.

Dir soll von Insterburg bis Metz
Des Düngers Lob- un Danklied schallen!

Du bist ja sicher rasfenird.

Bist eegendiehmlich un ooch scheene —

Wer da noch mauld un rehsennird.

Der is gans eefach schdockgemeene.

Den Inhald zwar verschdeh ich »ich.

In Bohledick rverd' ich nich Heller,

Doch dadervor verlass' ich mich
Uff de geehrden Andragschdeller.

Ls felld ja manches Harde Word,

De Dache scheind mer nich gans reene,

Un Mancher schdelld sich hier un dord
verdrießlich uff de tzinderbeene.

Lelbst mancher nahzjenale Mann
Gratzd sich bedenklich hindern Zchoppe,

Wo mein verstand nich folgen gann.

Da hamm'en Andre ja im Kobbe.

Derheeme is der feinste Geist
In unfern Dräsner Landdagssaale
Un desterhalb verlass' ich dreist
Un ruhig mich uff tzohenthale.

Der Lene meend — 's is ooch nich schlechd! —
Mer lockerde der Dreie Bande,

De Dache wäre nich gerechd
Un machde beeses Blud in Lande.

Ä ruhger Zächser, der verbrennd
Das Maul sich nich an solchen Dachen,

Lr bleibd in seinen Llemend
Un läßt den Metzsch in Drüsen machen.
Läßt dir dei Grieweln ooch in Dchdich,
Dann drinke Kaffee enne Kanne,

Als säch'scher Bürger schditze dich
Verdrauensvoll uff Ackermanne.

So singt triumphirend der Borde der sächsi-
schen Wahlrechtsumstürzler, und er hat Ursache,
zu jubeln, denn seit der Ermordung Stambulows
ist der Neaktion in ganz Europa kein so gcivalt-

Und wenn der Drang zur Einheit aus der Vielheit
Das Volk erfaßt im Wehn des Ieitensturms.
Weitsichtig ist's und klug auch solche Fälle
In seine Rechnung mit hineinzuziehn
Und seinem Volke lieber neue Rechte,

Für die es reif, besonnen zu verleihn.

Als alte Rechte, die ihm theuer sind.

Ihm zu verkürzen oder ganz zu nehmen.

Ist so verlockend denn das Beispiel Preußens,
Das seinem Landtag kalt und theilnahmlos

Als einer Farce gegenübersteht.

Als einem ausgegrabenen Fossil,

An dem mit Ztaunen man vorüberschreitet? —

Do würde denken, der ein Staatsmann wäre.
Bestrebt, die Sonderstellung seines Landes
Auf jede Art zu wahren. Denkt ihr anders,
Do seid ihr ein Beleg nur für den Satz,

Daß den die Kötter stets mit Blindheit
schlagen.

Den sie verderben wollen.-

thcitiger Handstreich wieder gelungen, wie jetzt in
der „guten Stube" des Dredener Landhauses, wo
die Debatten sonst in breitem Bliemchentone so
gemüthlich dahinplätschern, daß man ein solches
bösartiges Attentat kaum für möglich gehalten
hätte.

Aber sie waren nun einmal unzufrieden ge-
worden, die biedern Gutsbesitzer, Strumpfbarone
und Fabrikanten auf der Rechten, mit den dicken
Bäuchen und den blanken Glatzen, welche sich in
anmuthiger Wellenbewegung heben und senken,
wenn es den Ministern ein „Ja" zu nicken gilt.
Unzufrieden vor Allem war Ackermann, dessen
Name durch seine weiße Weste berühmt geworden,
mährend er nebenbei heimlicher Hofrath von
Weimar ist, und sein Schwiegersohn Mehnert,
der sich krampfhafte Mühe giebt, in dem kleinen
Sachsen eine große Rolle zu spielen, was er
wegen Raummangel bisher nicht fertig gebracht hat.

Mit den Ackermännern sind auch die National-
liberalen ihrer großen Mehrzahl nach im Bunde.
Auch von ihnen darf es nicht Wunder nehmen,
daß sie zu solchem Umsturz und Attentat fähig
sind, denn sie waren schon 1866 große Revo-
lutionäre. Sie wollten den kleinen sächsischen
Staat mit Haut und Haar au Preußen ver-
schachern und die ganze Dresdener Monarchie nnt
Landtag und Verfassung abschasfen. Da sie das
nicht fertig brachten und trotz alledem unbedingt
Preußen werden wollen, so fangen sie es jetzt
umgekehrt an. Sie wollen, daß Preußen von den
Sachsen annektirt wird. Mit Kleinen: — mit
dem preußischen Dreiklassenwahlstistem — fangen
sie an, und wenn sie das erst genommen haben,
so werden sie nach und nach alle andern preußi-
schen Schätze, vom Gummischlauch bis zur Feuer-
spritze des Berliner Kricgsministers, herüber holen.

Innerhalb dieser unzufriedenen und umstürz-
lerischen Elemente waren die Sozialdemokraten die
einzigen Ordnungsmänner, die Recht und Ver-
fassung aufrecht erhalten wollten. Aber sie waren
im Landtage an Zahl zu schwach und so siegte
eine blinde, fanatische Mehrheit über die besonnene,
das Wohl des Landes gewissenhaft vertheidigendc
Minorität.

Das sächsische Volk ivird also künftig den
Landtag nicht mehr wählen und derselbe wird
folglich keine Volksvertretung mehr sein. Er wird
aber trotzdem noch Zusammenkommen, wie andere
Zirkel sich zusammenfinden, die auch keine Volks-
vertretungen sind, z. B. der Kaffeeklatsch, der
Skatklub, das Lesekränzchen.

Wenn wir uns für die Zusammenkünfte einen
Vorschlag erlauben dürfen, so würden wir vor-
schlagen, daß der sächsische Landtag künftig ein
Lesekränzchen bilden möge. Es hat uns näm-
lich mit Rührung und Freude erfüllt, daß dieser
Landtag sich so sehr für den „Wahren Jacob"
interessirt und seine Kommissionsberichte mit Zi-
taten aus unseren Spalten und aus unserem
„Lustigen Almanach" füllt. Man traut in offi-
ziellen Kreisen Sachsens unserem Blatte einen
ganz außergewöhnlichen Einfluß zu, indem inan
z.B. glaubt, mit unseren Bauernregeln int „Lustigen
Almanach" hätten wir Thauwetter hervorgebracht,
um zu verhindern, daß nationaliberale und kon-

servative Volksfeinde ihre Wähler noch länger aufs
Eis führen.

So viel Einfluß müssen mir allerdings be-
scheiden ablehneu, aber wir geben zu, daß die
Mitglieder des Dresdener Umsturzklubs, welche
bis heute die Landtags-Majorität bildeten, sich
uni den „Wahren Jacob" sehr verdient gemacht
haben; deshalb wollen wir ihnen einige Frei-
exemplare stiften und Ackermann, Metzsch und
Mehnert zu Ehrenmitgliedern unseres närrischen
Preßausschusses ernennen, als dessen Vorsitzender
die alte Raketenkiste funktionirt. x.

Briefkasten.

(Manuskripte werden nicht zurückgesandt.)

Anonymus. Der „Proletarier-Apostel" eignet sich nicht
zum Abdruck. Das Gedicht ist gut gemeint, aber soweit sollte
man die Verherrlichung doch nicht treiben.

<£. p. „Das Milchmädchen" haben wir s. Z. erhalten und
auch darauf geantwortet. Weiteres folgt.

R. Sch. in Berlin. Durch Nr. 250 bereits erledigt.

Ghr. H. aus Gr. Nichts für ungut, auch diesmal mußte
Ihr Gedicht abgelehnt werden. Wollten wir alle eingehenden
Gedichte abdrucken, so müßten wir jedesmal eine Extrabeilage
geben.

X-Strahlig. Es stimmt, „wer Blech vorm Kopf hat",
kann vermittelst Röntgen'scher X-Strahlen auf seinen Gehirn-
zustand nicht untersucht werden. Bei allen Ultramontanen
trifft es aber nicht zu.

H. N. Johannesburg liegt in Transvaal.

A. S. in B. Sie dichten: „Es naget immer weiter der
Wurm an seinem Zahn." Hier und da kommt es vor, daß
der „Zahn der Zeit" nagt, — daß der Wurm am Zahn selbst
nagt, ist neu. — Wir haben schon wiederholt unserer Meinung
Ausdruck gegeben, daß man ein sehr guter Sozialdemokrat sein
kann, aber durchaus kein Dichter.

F. Latsch. Vielleicht findet Ihr „Eingesandt" Ver-
wendung.

Nicht verwendbar: H. L?. in H., w. St. in L., G.
w. in w., L?. X. in L., X. Z). Z. 149, Aegir, Blankbg.,

B. in B.. L). D. in G., R. B. in L., X. in G., <D. L?.

in X., F. S. in L., G. LN. in N., w. H. in D.. R. LN.
in B., Ch. J. in p., LN. M. in St. J.

—o- Neues vom Büchermarkt. -<-«—

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