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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0078
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2162

^ Mafia Agrarier nach Ostern.

Idir zogen heim bekümmert von Berlin,

Um unterm Strohdach, dar. wir selber flickten,
Die Ferien über unser Haupt zu betten.

Schwer lag eS ans un*», denn mit leeren Händen
Sind zu dem kleinen Bauer wir gebammen.

Für den wir rastlos und energisch Kämpfen,

Weil Niemand sonst der. Aermsten sich erbarmt.
Wir brachten keine Doppelwährung mit,

Hein staatliches Getreide-Monopol,

Hein Lodechirtheil für die Margarine,

Die teuflische. Kein fertiges Gesetz,

Das, Lebenslicht der Börse anszublasen.

Nicht einmal einen hakennäs'gen Juden,

Den man in seinem eignen Fette briet.

DaS waren freudlos-bittre Osterferien,

Die grollend bei den „väterlichen Ochsen"

Wir zugebracht. Nun zieh« wir neu gestärkt.

Da wir berührt die mütterliche Erde,

Lum Strand der Spree und eS beginnt aufS Neue
Der Oanz mit Dir, Herr Hanzler Hohenlohe!

And strammer, forscher treten wir als je
In die Arena — Vtanzlerchen, pafz auf.

And rüste Dich zum Aampf auf Lod und Leben!

Bö ist Dir fürder Keine Wahl gelassen.

Das merke Dir! Wir können nicht mehr warten
And auch die Leit defl Bittens ist vorbei.

In jeder (Lonart haben wir gebeten.

Verschämt und unverschämt, bald durch die Blume,
Bald mit deS Wommern biedrer Deutlichkeit,
Beweglich, unterthänig, ernst und dringend.

Doch AlleS, AlleS hat unS nichts genützt.

Nun fordern wir! Von Araftbewusztscin schwillt
Ans jede Ader, und die Landwirthschaft
Will statt der Geden nunmehr (Ghaten sehn.

Füll unS den leeren Ganzen! ist die Losung,
Die wir für deutlich und verständlich halten.

And alles Schünthun der Ministerbank
Hann unfern eisernen Entschlusz nicht beugen.
Lhust Du es nicht, dann, Hanzler, hüte Dich!
Ganz sicher folgst Du dem Gaprivi nach.

Dem „Schw.... h.. d", der ohne Ar und Halm
AnS hinterrücks den schweren Orirc versetzte.

And sich vor aller Welt als Gusziands Freund erwieS.
Füll' unü den Ganzen, Hanzler! thust Du das.
Wirst Du lieb Hind bei unS Agrariern sein,

Ohust Du es nicht, dann, Alter, hüte Dich,

Dann ist Dir bald Dein letztes Brot gebacken.

Das Lied vom Salze.

Äer Kuselbrenner Geld- und Beutelschmerzen.
Sie gehn dem Reichstag jederzeit zu Herzen —
Mit Liebesgaben ist man rasch bereit;

Ruch legt ins Zeug man wacker sich und bieder
Bei jedem Schmerzensschrei der Iuckersieder —
Rur um der Gäbe Höhe wogt der Streit.

Doch wenn das Volk die Krage laut erneuert,
warum noch immer man das Salz besteuert.
So krümmt der Biedermann sich wie ein Aal;
Die Argumente sind an ihm verloren.

Der Kreund des Volkes predigt tauben T>hren,
Denn diese Krage ist ja höchst fatal.

8ar unbehaglich fühlt sich da das Völkchen;
Sie wissen sehr genau, das ist das Wölkchen,
Aus dem einst niederzuckt ein greller Blitz;

Sie nennen die Debatte unersprießlich.

Sie werden äußerst mürrisch und verdrießlich
Und rutschen hin und her auf ihrem Sitz.

Sie würden die Debatte nie entfesseln;

Ls ist, als würfe nackt sie in die Resseln
Lin handfest-rücksichtsloser Proletar;
wo blieben da die Herren auf der Rechten,

Die für den Schnaps- und Rübenjunker fechten? j
Hier find die Gründe freilich gar zu rar.

An dieses Thema sollte Reiner tippen,

Mit spitzer Keder nicht, noch mit den Lippen,
Da heilig es für die Parteien ist;
wer wagt es, diesen Krevel zu verüben
Und die verdauungssrohen zu betrüben?
Ratürlich immer nur der Sozialist!

was sie von je gewesen, sind sie heute —
Taktlose, plumpe, ungeschickte Leute
Und eine Quelle der Verlegenheit.

Man streitet sanft um eine Doktorfrage,

Da kommt urplötzlich die vergeffne Rlage
Im Ton der Dringlichkeit hereingeschneit!

Sie sind, wenn man nicht härter es und herber
Bezeichnen will, entschieden Spielverderber,

Sind gist'ge Hetzer, Unruhstifter blos.

Stets hängen sie die Schelle um der Ratze —
Im Reichstag sind sie darum nicht am platze;
wie aber wird das Reich die Rerle los?

Jm April.

Der April ist derjenige Monat, in welchem
die Leute am meisten zum Narren gehastet: werde,:,
doch liegt das nicht allein an: Wetter, sondern
auch an der Thätigkeit der Parlamente.

Da ist speziell der Reichstag im April be-
sonders eifrig, u,i: die Regierungsvorlagen, welche
er während des Winters in den Kommissionen
abänderte, wieder zu säuberi:, damit die Regie-
rung ihre Freude daran habe.

Wer sich über solche Vorlagen Illusionen macht,
wer z. B. glaubt, ii: der Konuuission könne eine
Justiznovelle verbessert werden, der ist eben in
de,: April geschickt. Die Justizuovelle gleicht an-
deren Novellen auf ein Haar. Der Reichstag und
die Vorlage sind von Anbeginn für einander be-
stimmt, sie bilden das Liebespaar der Novelle.
Die Regierungsvertrcter sind die gestrengen Herren
Eltern der Braut, welche das Büudniß nur un-
gern sehen; die Kommission ist die Jntriguautin,
welche Schwierigkeiten erhebt, aber schließlich fällt
sie um, der Liebhaber wirft sich den Estern zu
Füßen, und so kriegen sich die Liebenden endlich,
d. h. der gehorsame Reichstag nimmt die tugend-
hafte, von allen der Regierung mißliebigen Zu-
thaten gesäuberte Vorlage an, Justizminister Schön-
stedt als Schwiegermutter gicbt seinen Segen dazu.

Dieselbe Idylle wird sich beim bürgerlichen
Gesetzbuch wiederholen, und es werden alle Leute
in den April geschickt sein, welche davon einen
neuen Aufschwung und einen frischen Zug er-
warteten, der die alten Zöpfe und Perrücken der
Jurisprudenz schütteln sollte. Das Zivilgesetz ist!
eine Novelle, die in der Zopfzeit spielt, und ihre j

> Verfasser haben es prächtig verstanden, sich streng-
stens innerhalb des gegebenen Rahinens zu halten.

Wenn man von: Reichstag etwas Nenes ver-
langt, dann muß man schon auf die Flottenpläne
und auf die Novitäten zur Heercsvernichrung
warten. Hier wird sich der harmlose Zuschauer
niemals enttäuscht fühlen; er n:ag noch so viel
erwarten, seine Erwartungen werden dennoch über-
troffen. Wenn er sich schon wie ein Kind gefreut
hatte über neun halbe Bataillone, so inacht man
plötzlich ganze daraus, und wem: er für die
Marine ein paar Kreuzer anlegen wollte, kommt
man gleich so in Eifer, daß man vieleMillionen
ins Wasser wirft, nur um uns zu beweisen, was
für ein theures Vaterland wir haben.

Am meisten werden die frommen und
loyalen Staatsbürger in den April geschickt.
Die Junker und die Pfaffen predigen ihnen fort-
während vor, wie Moral, Sitte und Religion im
Staate geschützt würden, und die frommen Schäf-
lein glauben es und sind ganz gerührt und geben
freudig ihr Scherflein für innere und äußere
Mission. Inzwischen führen die Moralprediger
heiuilich ein Leben ä la Hammerstein, und zur
Bekehrung der „armen Heiden" senden sie Leute
nach Afrika, welche sich von den Menschenfressern
nur durch ihre größere Rohheit unterscheiden.

Noch andere Leute werden von der Politik
beständig zum Narren gehalten, und das sind
die Zünftler. Diese sind allerdings selbst schuld
an ihren Enttäuschungen, denn sie wenden sich
mit ihren Klagen und Hoffnungen stets an die
Unrechte Stelle. Die Regierung und der Reichs-
tag sollen das Handwerk retten, sie sollen durch
Gesetze und Verordnungen der Handarbeit des
kleinen Mannes die Leistungsfähigkeit von Dampf-
und Elektrizitätswerken verleihen; unter der Weste
des Schlossermcisters sollen sie Schwungräder und
Dampfkessel erstehen lassen und aus den Web-
stühlen der Handweber sollen auf obrigkeitlichen
Befehl Dampfschlöte en:porsteigen. Das geht mit
dem besten Willen nicht. Das sollten die Zünftler
 
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