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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0081
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—ü&s Vellage zum

-*° Witterungswechsel. Z-

XPcntt stürmend kam der März ins Land,
Den Frühling zu erwecken,

Hielt oft ihm noch der Winter Stand
Und schlug den jungen Recken.

Er schloß des Lises frühen Bruch,

Schlug junge Blüthen nieder
Und in -es Schneees Leichentuch
Hüllt' er die Lr-e wieder.

Doch wenn mit Licht und Glanz der Mai
Erscheint aus Berg und Fluren,

Da weicht des winters Tyrannei,
vertilgt sind seine Spuren.

Lin Freiheitshauch die Welt durchweht,
Und alle Unosxen springen,

Der Mai, der holde Mai versteht
Die Erde zu verjüngen.

So einst die Bürger-Rebellion
Im Märze ward geschlagen,

Ls konnte hoch die Reaktion
Ihr Haupt von Neuem tragen.

Doch wenn der Maientag erscheint,
wenn friedlich sich die Hände
Die Völker reichen, all' vereint,

Geht ihre Macht zu Ende.

Dann weicht des alten Unrechts Bann
Dem großen Völkerwillen,

Und eine beff're Zeit bricht an,

Der Armen Leid zu stillen.

Dann athmen wieder froh und frei,

Die lang geknechtet waren
Darum begrüßen den ersten Mai
So warm der Völker Schaaren.

Der wahre Jacob,

Deutsche Gerechtigkeit.

I.

IJenn im fernen Schutzgebiete
Deutschlands Kolouialbeamter
Leine armen, schwarzen Brüder
Kleinlicher vergehen halber
Grausam foltern läßt und quälen,

Daß das rothe Blut in Strömen
Rinnt und bange Klagetöne
Schauervoll die Luft durchzittern;

Wenn der unbarmherz'ge Weiße
Kalt und fühllos den Befehl giebt.

Die verzweiflungsvollen Schwarzen,

Die, dem harten Joch entflohen.

Wieder eingefangen wurden,

§>hne Gnade todtzufchlagen;

Wenn er andre, weil verdächtig
Lines Unrechts sie ihm schienen.

Aller Menschlichkeit zum Hohne
peitschen ließ bis zum verblute«;
wenn ein Mensch, ein Ghrist, ein Deutscher
Also handelt gegen arme,

Vhn' Kultur herangewachs'ne.

Durch Gesetze nie beschränkte,

Frei gebor'ne schwarze Brüder:

Dann verhängt im deutschen Reiche
Ueber solchen Menschenschinder
Man der Strafe allerschärfste:

„Menschenblut hast du vergossen!

Li, so mögest du zur Sühne
Lin paar hundert Mark bezahlen!"

ii.

Uber wenn im deutschen Reiche
Lrnste und gereifte Männer,

Die die Sache der Lnterbten
Kühn und unentwegt vertreten.

Abzuwehren der Verleumdung
Giftgetränkte, spitze Pfeile,

Rur ein einzig Wort gesprochen.

Das als Majestätsbeleid'gung
Irgend Jemand „deuten könnte".

Dann — o Heil dir, guter dolus!

Dann — mit deiner güt'gen Hilfe —
Ueberführt jurist'sche Weisheit
Sie des nur in Kerkermauern
Ubzubüßenden Verbrechens
Liner Majestätsbeleid'gung!

And des Volkes treu'ste Freunde,
0b auch makellos ihr Leben,
Müssen hinter Kerkermauern
Ihre offnen Worte büßen.

Die Frauen und die Maifeier.

In verschiedenen Polizeidistrikten wird stets
die Thcilnahme von Frauen an den Versainin-
! lungen der Arbeiter am ersten Mai verboten, weil
hauptsächlich über denAchtstundentag gesprochen
! wird, wovon die Frauen nichts hören dürfen.

Mit dem Ausschluß der Frauen aus den Ver-
sammlungen ist aber gar nichts erreicht, man
muß die Tendenz solcher Polizeiverbotc noch ganz
anders zur Geltung bringen.

Zunächst — wenn die Frau von dein indu-
striellen Arbeitstag nicht einmal reden hören
darf, dann darf sie noch viel weniger dabei sein.
Die Beschäftigung der Frau in Werkstätten
und Fabriken muß daher unbedingt polizeilich
verboten werden.

Wenn die Kinder heranwachsen und manchmal
recht unartig werden, dann wünscht eine gute
Hausfrau, daß der Vater sich mehr mit den Er-
ziehungsaufgaben befassen könnte, anstatt den
ganzen Tag in der Fabrik zu schaffen und Abends
todtmüde heimzukoimnen. Zu einem solchen Wunsche
ist aber eine polizeifromme Frau gar nicht be-
rechtigt, denn sic würde sonst dazu kommen, die
Erstrcbung des Achtstundentages zu fördern, und
das ist eine den Frauen verbotene politische Sache.

2öenn der Ernährer arbeitslos wird, weil die
lange Arbeitszeit viele Arbeitskräfte überzählig
macht, so darf die polizeifromme Frau gar nicht
merken, daß der Mann Tags über zu Hause ist, und
wenn sie die Bedürfnisse der Familie nicht bestreiten
kann, so muß ihr das sehr gleichgiltig sei». Denn
würde sie nach den Ursachen fragen, so müßte
sie Dinge hören, die als politisch erklärt und den
Frauen zu hören verboten sind.

Sollten sich indeß Schulden angehäuft haben
in Folge des geringen Lohnes und der Gerichts-
vollzieher kommen, um Möbeln und Kleider zu
pfänden, dann muß die polizeifromme Frau nicht
Beihilfe Ictftcn zu dem politischen Akt der Pfän-
dung, sondern muß den Exekutor einfach die Treppe
hin unterwerfen.

Ein Traum.

Mir träumte neulich Nacht, ich wär'

Durch ein unseliges Verhängniß
Im Deutschen Reich Staatssekretär
lind lebte ewig in Bedrängniß.

Unheimlich wacklig war mein Stuhl,

Es war wahrhaftig nicht zum Spaßen,

Und unten >var ein tiefer Pfuhl,

Drin andre a. D. Männer saßen.

So warm und wohlig mar der Ort,

Ich konnte nur mit Wehmuth denken:

Wann geht der Zug? Wann rutschst du fort,
Wann wird's auch dich, auch dich versenken?

Da fand von Pech ich einen Rest,

Den schmierte ich an meine Hosen;

Nun saß ich auf den: Sessel fest
Wer wollte mich hinunterstoßen?

Gefährlich.

Erster Spießbürger: Am ersten Mai will
ich meine Wohnung wechseln.

Zweiter Spießbürger: Um Himmcls-
willcn, thun Sie das nicht, sonst werden Sie
eingesperrt.

Erster Spießbürger: Warum?

Zweiter Spießbürger: Weil am ersten Mai
alle Umzüge polizeilich verboten sind.

Die Zuckrrsteuer.

Müller: Welchen Ziveck hat denn eigentlich
die neue Zuckersteuer?

Meyer: Sehr einfach; sic solide» nothleidendcn
Zuckerfabrikanten ihr schweres Dasein ein wenig
versüßen. — «—

Arbeitseinstellung.

Rentier Schwammig: Aber das wäre doch
wirklich eine unerhörte Frechheit, wenn die Ar-
beiter den Einflüsterungen der Agitatoren Gehör
geben und am ersten Mai sämmtlich die Arbeit
einstellen würden.

Arbeiter Spitzig: Aber, Herr Schwammig,
sie stellen doch seit dreißig Jahren alle
Tage die Arbeit ein und die Welt geht auch nicht
 
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