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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0090
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^ Zum ersten Mai.

„!?osenmonat" heißt der Mai,

„Mond der Schönheit", „Mond der Wonne"!
Ueber Blust und Linkenschrei
Schüttelt hell ihr Haar die Sonne.

In den Quellen tanzt ihr Bild,

Und die Birke bebt in Düften,

Und ein Glück geheim und mild
Kommt herab aus reinen Lüften.

Ziemt's, daß wir in solcher Zeit
Webstuhl, Axt und Amboß lassen
Und trotz allem Zorn und Leid
Singend ziehn durch Markt und Gassen?
Stimmt zu unsrem Hasse nicht
Trefflicher des winters Strenge,

Da aus rothen Wolken bricht

Blitz und Sturm und Schneegedränge?

Nein! Die Leinde sollen sehn,

Daß wir lachen können, lachen,

Daß wir fest und fröhlich stehn,

Mb sie's noch so böse machen.

Daß wir schon den Frühling schaun,
Lachen- als gewisse Erben:

Unsre Zuversicht ihr Graun,

Unser Lrohstnn ihr verderben.

Die da schwatzten, daß am „Stoff",
Daß wir „am Gemeinen klebten",
Deren Mund von „Schönheit" troff,
während sie dem Bauche lebten,

Sollen sehn an diesem Tag,
wie wir heiß die Schönheit lieben,
wie in Mual und Ungemach
Heil'ge Sehnsucht uns geblieben.

Sehnsucht nach dem großen Mai,

Da des Leibes Noth wir brechen
Und der Geist, verjüngt und frei,
Schönheit trinkt aus klaren Bächen,
Morgenluft und Blumenhauch
Freundlich jede Stirn umkosen
Und verhärmte Wangen auch
Neu erblühn wie Maienrosen.

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