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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0101
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- 2180

Rosse die Sporen, ohne ans den Zuruf seines Knappen zu hören. Jn-
zwischen mochte die Knh ihre Neugierde befriedigt haben, denn sie drehte
sich um und just wie der Junker heran stürmte, hob sie den Schwanz
kerzengerade in die Höhe und entleerte sich. Junker Scharf parirke
sein Pferd und vor Bestürzung und Wuth über den unerhörten Schimpf,
den ihm der Feind anthat, wären ihm beinahe Schild und Lanze ent-
fallen. Hans Dickwanst, der mit offenem Munde dem seltsamen Ge-
bahren seines Herrn zugeschaut hatte, gewann die Sprache wieder.
„Aber, gnädiger Herr, das ist ja ein Stück Rindvieh", sagte er. „Du
irrst, Hans", erwiderte der sinnenreiche Junker, indem er sich mühsam
beherrschte. „Die Sozialisten verstehen die Kunst, sich in alles mögliche
zu verwandeln. In den Zeitungen und Schriften, worin von ihnen die
Rede ist, werden sie daher auch meistens als allerlei Thiere geschildert
und angeredet. Einem Edelmanne geziemt es aber nicht, selbst einen
solchen Gegner von hinten anzugreifen. Laß' uns weiter reiten!"

Hans folgte ihm mit ganz wirrem Kopfe. Es war vielleicht
doch etwas Wahres an dem, was sein Herr behauptete. „Hol's der
Teufel", schloß er sein Grübeln ab. „Es kommt immer blos darauf

an, von welcher Seite Einer eine
Sache ansieht." Einen neuen Beweis
dafür sollte er bald darauf erhalten.
Ihre Straße zog sich eine Anhöhe
hinan und droben stand eine Wind-
mühle. Bei ihrem Anblick straffte
sich die hagere Gestalt des Junkers
Scharf und er rief: „Der soll mir
den Schimpf entgelten."

„Aber Ew. Gnaden wird doch nicht
gegen Windmühlen fechten wollen?"
fragte Hans erschrocken. Jener aber
versetzte: „Ja, Wind ist all ihr Reden,
doch jetzt kommt's zu Schlägen. Reibe
Dir die Augen, guter Freund! Es
ist von den Häuptlingen der Rothen

der oberste und stärkste. Auf denn, du Vaterlandsverräther, für Ord-
nung, Sitte und Religion!" Damit fällte er den Speer und galoppirte
auf die Mühle zu. Diese, tvelche bisher stille gestanden hatte, begann
eben knarrend ihre Flügel zu bewege», und weithin auf das Feld flog
der sinnreiche Junker.

Hans lief mit allen Beinen seines Esels zu ihm. „Ach, jetzt
schaut's mit meiner Ministerei windig aus", jammerte er. Denn sein
Herr, dem der Helm vom Kopf gefallen war, lag bleich und mit ge-
schlossenen Augen da und regte sich nicht, wie Hans ihn auch rief und
schüttelte. Erst als sein treuer Schildknappe ihm die Schläfen mit
Branntwein wusch und ihm davon auch in den Mund schüttete, öffnete
er die Augen und blickte verwundert um sich. Hans half ihm, sich
aufrecht setzen und löste ihm den Brustpanzer ab, der ihm das Athmen
erschwerte; denn derselbe hatte eine mächtige Beule davon getragen.
Darauf that er einen guten Zug aus der Flasche, die Hans ihm unter-
dessen zum Halten gegeben. „Das war ein heißes Streiten", seufzte er.

„Meiner Treu, das glaub' ich", pflichtete Hans ihm bei und setzte
sich mit seinem Schnappsack zu ihm auf die Erde. „Wenn Ew. Gnaden
>vas weggekricgt haben, so kommt eS aber blos daher, daß Sie dem
ungeschlachten Lümmel mit leerem Magen zu Leib gegangen sind."

„Darin kannst Du recht haben", antwortete der sinnreiche Junker
Scharf von der Saara und verwandte kein Auge von der Wurst und
bem Brote, die Hans hervorgezogen hatte und sich schmecken ließ.
Hans verstand den Blick und eine gute Weile waren die Kinnbacken
Beider derartig thätig, daß kein Wort dazwischen hindurchschlüpfen konnte.

„Eigentlich war eS nicht nöthig, daß Du Dich mit Lebensmitteln
versahst", sprach der edle Junker, als er satt war. „Denn Du mußt
wissen, daß wir fahrenden Gottesstreiter auf allen Schlössern an unserm
Wege den Tisch gedeckt finden." .

„Dann lassen Sie uns gleich nach dem nächsten aufbrechen,
gnädiger Herr", rief Hans eifrig. Jener aber erwiderte strenge: „Be-
gnüge Dich damit, daß Du diese Nacht in einem seidenen Bette schlafen
wirst. Wichtiger ist zur Zeit, daß wir nach einem Waffenschmied aus-
schauen, der meine silberne Rüstung wieder in Stand setzt."

„Silberne —?" das Uebrige blieb Hans i» der Kehle stecken.
Dann räusperte er sich und bemerkte, er brächte das auch wohl mit
Hilfe eines Feldsteins fertig. Er machte sich auch sogleich an die
Arbeit, die bald gethan war. Der Junker ließ sich den Panzer wieder
anlegen und beide schwangen sich abermals auf ihre Thiere, die unter-
dessen in brüderlicher Eintracht nahebei ge>veidet hatten. Das Roß
war aus dem heißen Mühlenstrauß mit einem lahmen Vorderfuß davon
gekommen.

Die auf Mittag deutende Sonne brannte heiß voin unbewölkten
Himmel, obgleich es erst der letzte Tag des April >var, und der Junker
schwitzte iveidlich in seinem funkelnden Blech. Ueberall auf den Feldern
standen die jungen Saaten in üppigem Grün und darüber tvirbelten
die Lerchen. Plötzlich verhielt der sinnreiche Junker von der Saara
seinen Gaul und fragte den getreuen Schildknappen, ob er in dein
jungen Erbsenfelde zu ihrer Linken nicht etwas bemerke, das sich zu
verstecken scheine? „Freilich, gnädiger Herr", antwortete Hans nach
einem flüchtigen Blick in der angedeuteten Richtung. „Eine Vogel-
scheuche ist's." Es war auch unzweifelhaft eine solche. Sie bestand
aus einem alten breitkrämpigen Filz und einem zerschlissenen rothen
Unterrock über der Querstange, an der links ein Stock und rechts ein
Strohwisch befestigt war.

„Bravo, daS >var ein köstlicher Witz", ries der sinnreiche Junker
und lachte, daß ihm die Thränen über die hageren Backen liefen. „In
der That, eine Scheuche für das heutige, feige Geschlecht. Mich aber
gelüstct's, ein ernstes Wort mit dieser Vogelscheuche in Spitzhut und

v 'j

rothem Mantel zu reden", fuhr er, in Hitze geralhend, fort. „Dumm-
kopf, ein Anarchist ist es mit Dolch und Dynamitbombe." Er schlug
das Visir seines Helms herunter, riß den Degen aus der Scheide und
stürmte auf die Vogelscheuche los, der er mit Hieb und Stich von allen
 
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