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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0106
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2185

Blihdraht-Meld un gen.

Hamburg. Die „Hamburger Nachrichten" brachten schon seit meh-
reren Tagen keinen gehässigen Angriff auf die Sozialdemokratie. Man
schließt daraus auf eine ernstliche Erkrankung Bismarcks.

München. Die Agitationsrcde für Silbcrwährung, welche Herr
von Kardorff kürzlich hier hielt, war nicht ohne positiven Erfolg. Gleich
am darauffolgenden Tage versilberte ein Student seine goldene Uhr.

Afrika. Die leitenden Minister der europäischen Kolonialmächte
haben einen Wettbewerb eingeleitet, wer sich mit seiner Afrikapolitik am i
gründlichsten blamiren könne. Bis jetzt hat Italien den Vorrang, aber
England droht ihm mit seiner Dongola-Expedition nahe zu kommen und !
Deutschland verläßt sich auf seine Kolonialbeamten vom Peters'schen >
Kaliber.

Theorie und Praxis.

„Du sollst nicht tobten!" lautet
Ein christliches Gebot;

Da schoß der fromme Kotze
Den frommen Schräder tobt.

„Wer seine Arbeit leistet.

Ist seines Lohnes Werth";

Drum wird der Menschheit Drohnen
Der reichste Lohn beschert.

„So leget ab die Lügen!"
Ermahnt uns Gottes Wor
Da fuhr der „heit'ge Aböl
Gar fromm zu tügen fort.

„Du sollst nicht stehlen!" lautet
Das siebente Gebot;

Da raubt dem armen Volke
Man Lebensmark und Brot.

„Das Recht der freien Rede
Steht jedem Deutschen zu";
Doch wer dies Recht will brauch
Wird angcklagt im Ru.

en.

„Ihr Völker, schirmt den Frieden!"
Ein schönes Wort fürwahr!

Da opfert man dem Moloch
Des Krieges Jahr für Jahr.

Und schießt im wüsten Zweikamps
Ein Mensch den andern tobt,

So trösten sich die Frommen:
„Das that der liebe Gott!"

Hobrlfpähne. dv-D-

Es hatte in diesen Tagen
Viel Kummer die Spießbürgerei,
Es lag ihr sehr im Magen
Der böse erste Mai.

Das im Werden begriffene Börsengesetz ist
mir sehr sympathisch. Das ist doch wenigstens
einmal ein Gesetz, auf Grund dessen uralt feinen
Arbeiter und keinen sozialdemokratischen Redner
und Redakteur verurthcilen wird.

Die Polizeibehörden suchen den Arbeitern, wenn
sie ihre politischen Rechte ausüben wollen, häufig
Spähne zu machen. Das ist uns Schreinern gegenüber zum mindesten
unlauterer Wettbeiverb.

Der Achtstundentag findet in der Bourgeoisie noch rvenig Anklang,
denn man meint dort, eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden ist für
den Arbeiter zu wenig, für den Bourgeois zu viel.

Daß Frankreich Waffen liefert
An Abessiniens Heer,

Darob ist man entrüstet
Im ganzen Dreibund sehr.

Besonders die Waffenhändler
Sind schrecklich aufgebracht,

Sie hätten so gern ja selber
Das gute Geschäft geuiacht.

Wenn die Arbeiter einig sind, dann bilden sie die stärkste Macht
im Staate. Deshalb sind der Reaktion ancl) alle Arbeiter-Vereini-
gungen so verhaßt. „„ „ .

Sage, Schreiner.

Ihr getreuer

staunen, wenn mail sieht, was hierin schon ge-!
leistet wird; ferner würde die Breite, zu welcher!
sich die Begriffe der Aufreizung und des groben
Unfugs ausgewachsen haben, iinponiren — von
einem anderen, im letzten September-Kurs er-
probten Artikel gar nicht zu reden.

Die Leute, welche solche Gewerbe betreiben,
finden ilvch immer ihr gutes Brot und zu>veilen
auch einen Orden, aber sie sind auf der Aus-
stellung nicht vertreten, da sie alle Ursache haben,
das Licht der Oeffentlichkeit zu scheuen.

Nutzen des Duells.

A.: Das Duell ist doch eine höchst überflüssige
barbarische Einrichtung.

O ,teilt, cs hat and) seine Vorzüge.

A.: Wie so?

. J®*: Es wurde durch das Duell schoit mancher
nichtsnutziger Tagedieb aus der Welt ge-
schafft.

Nus Frankreich.

A.: Warum schicken die Franzosen ihren Senat
nicht zum Teufel?

Sie fürchten, daß derselbe bei einer so
werthlosen Sendung dieAnnahme verweigert.

^ Beitrag zur Kochkunst.

PM<cf?<'<rai,elU f,nt s'ch gelegentlich eines ^rc1
gesell. 1 ?eGen die „Münchener Post" heraus
immer' den °a§ Essen bei der militärischen Mena,

immer desto magerer wird,
ranten schmieren.

je fetter die Lief

_instruktiv

Lieutenant: Ein guter D
Soldaten geboren sein. M
von Natur besitzen?

Soldat Müller: Säbel

Der blutige Mai.

(1871)

Ein Vierteljahrhundert ist vorbei,

Wir denken mit Schalider lmd Bangen,

Wie zn Paris die Sonne des Mai
So blutig untergegangen.

Wohl kämpfte das Volk mit Heldenmuth,
Doch zwangen es Chassepot und Bombe;
Deui Mammon wurde mit Tigerwuth
Geschlachtet die Hekatombe.

Geschlachtet ward wie in Dahoiney,

Es waren wohl dreißigtausend,

Von solchem Kannibalen-Mai
Erzählt die Geschichte nur grausend.

Doch denkt man an das blutige Spiel,

So spürt man in allen Landen:

Es sind für Jeden, der damals fiel,

Zehn neue Streiter erstanden.

Zur Färbung der Margarine.

Den Agrariern thut die Wahl iveh, da jede!
Farbe etwas für sich hat. Für Blau spricht,
daß damit angedeutet wird, daß das Margarine-
gesetz den blaublütigen Junkern zn Gute kommen
wird. Grün, die Farbe der Hoffnung, veran-
schaulicht die Politik des Zentrums, das Volk mit
Hoffnungen abzuspeisen, die sich niemals erfüllen.
Gelb, die' Farbe des Goldes, drückt aus, daß
der agrarischen Geldgier jede Rücksicht auf die
Volksernährung nachstehen muß. Grau tvürde
den Massen sinnfällig zum Bewußtsein bringen,
daß sie für die oberen Zehntausend die Lastesel
sind. Die passendste Farbe iväre selbstverständ-
lich Schwarz, die sich auch am meisten des Bei-
falls der klerikalen Kämpen für Btittervertheuernug
erfreuen würde. ,,

Die Flottenpläne sind uferlos,

Sie werden gegebenen Falles
Beivirken in den Finanzen des Reichs
Den uferlosen Dalles.

Bibelivorte.

Seht die Lilien auf dem Feld!

Keine Arbeit thtln sie,

Aber gegen Sorgen sind
Immerdar immun sie.

Auch der Herr Kommerzienrath
Gleichet ganz der Lilie,

Schaffet nichts, doch sorgenlos
Lebt er init Familie.

Und so hat die Obrigkeit
Lilien nie verboten,

Und der Herr Kommerzienrath
Zählt nicht zu den Rothen.

„Liebet eure Feinde!" spricht
Eine Bibelstelle.

Eigentlich auch soll inan nicht
Morden im Duelle.

Doch nicht für die Großen ist
Dieses Wort geschrieben;

Nur der Anne soll als Christ
Seine Feinde lieben.

„Wuchre stets mit deinen: Pfund",
Nöth'genfalls verletze.

Was zum Arbeitsschutz thun kund
Die Sozialgesetze.

Wuchre stets mit deineni Pftind,

Du Betriebsdirektor,

Denn es hält zumeist den Mund
Der Fabrikinspcktor.

„Stell' untern Scheffel nicht dein Licht",
Redakteur der Zeitung.

Aber, aber — tadle nicht
Unsres Staates Leitung.

Laß auf keinen llcbclstand
Deine Leuchte blitzen.

Hinter einer Kerkerwand
Wirst du bald sonst sitzen.
 
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