Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0109
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
. 2188

Aach uns öie SLinöfluth. <-4*—

Lindem ich sinnend die Havanna rauche
(Zwei Mark das Ztück und doch ein guter

Kauf!)

Falt' ich die Hände friedlich auf dem Bauche
And üöerdenke meinen Leöenslauf.

Wohl ist es wagr, daß alle Dinge frommen
Jgm, der dem Höchsten gläubig sich gewcigt.
Doch muß zu rechter Zeit zur Welt er kommen
And sich empfeglen auch zu rechter Acit.

Ich gäbe freilich guten Grund zum Lachen
(Den großen Feuerfesten an der Wand),
Doch war zu meiner Zeit auch was zu mache»,
Wenn man die Zache Halbwegs nur verstand.
In meiner Feit, da lag auf allen Gaffen
Die Arbeit noch, bereit für jeden Logn —
Jetzt sind erregt und anspruchsvoll die

Massen

And jedes dritte Wort ist Kaß und Kotz».

Ich denke oft vor meinem Mittagsschläfchen:
„Wie gat's der Her« doch gut mit dir gemacht!
Lr gat's gefügt, daß glücklich du dein

Zchäfchen

Nor dieser Zeit ins Trockne noch gebracht.
Du lieber Gott! Müßt' ich in diesen Tagen,
Wo ewig Ztreik und Boykott uns vcdrogt,
Mir ein Vermögen erst znsammenfchlagen —
Was wäre das für eine Klein und Kotg!

Ist das nicht jetzt ein ew'ges Kreuz und Leiden
And wächst nicht unablässig die Gefagr?
Die nach uns kommen, sind nicht zu beneiden,
Den» immer schlimmer wird cs jedes Jagr.
Zperrt immer weiter auf nicht seinen Rachen,
Den gierigen, der soziale Kai,

And fordert nicht, nebst andern schönen

Zachen,

Man den Achtstundentag am ersten Mai?

Zie drogen schon mitZensen und mitKnütteln,
Die Anevsättlichen! Wie ist es gut.

Daß man, bevor die Birne reif zum Schüt-

teln,

Bereits in seinem Erbvegräbniß rußt!

Zie mögen mich von Herzensgründe Hasse»,
Zie mögen laut in jeder Tonart schrei'»,
Dort müssen sie mich ungeschoren lassen
Iiir's Leben gölte ich mein Ken Herein.

Zur rechten Zeit bi» ich zur Welt gekommen,
Ms es gemiitglich noch in Deutschland war;
Was sich erraffen ließ, gab' ich genommen
Und immer reicher ward ich jedes Jatzr.

Da ungenießbar jetzt in allen Stücken
Das Leben wird und sauer jeder Wein,

Zo werd' ich auch zur rechten Zeit mich drücke»
And was dann kommt, das kann mir Schnuppe

sein!

Ein

gcHeimiiiswoller DiebsiaHl.

Phantasie

von

Hans wagemuth.

den Schranken des Gerichts
zu Paragraph«, der Haupt- und
Residenzstadt von Nebelheim,
standen der Redakteur einer Zeit-
schrift, deren Verleger, Setzer,
Korrektor, Drucker und sämmt-
liche Austräger des Blattes. Die
Anklage lautete auf schweres Ver-
gehen gegen Religion, Sitte und
Ordnung durch einen natur-
wissenschaftlichen Aufsatz, der den
Satz enthielt: „Alle Wetter-
hähne drehen sich nach dein
Winde, der in der oberen
Luftschicht herrscht." Zeugen
aus der besseren Gesellschaft be-
schworen, daß sie durch diese Be-
hauptung sich beleidigt fühlten.
Der Verfasser versicherte, daß ihm
die Absicht, irgend Jemand be-
leidigen zu wollen, durchaus fern
gelegen habe; daß er nur eine
Thatsache ausgesprochen habe, die
seit Hunderten von Jahren be-
obachtet und durch die Wissen-
schaft begründet worden sei. Er
erreichte damit nichts weiter, als
ein allgemeines Schütteln des
Kopfes des hohen Gerichtshofes.
Der Vorsitzende aber befahl dem
Gerichtsdiener: „Man schaffe den
Dohi8 eventualis zur Stelle!"

In dem Zuhörerraume begann
manchem das Herz ängstlich zu
klopfen. Denn er glaubte nicht
anders, als daß der vor die
Schranken Geforderte ein Henkers-
knecht sei, der den Verstockten das

Geständniß ihrer Schuld durch die Folter abpressen sollte. Es war aber
eine Salbe, welche den Richter, so er nüt ihr seine Augen bestrich, in den
Stand setzte, das Innere des Angeklagten bis auf das allergeringste Fält-
chen zu durchschauen und darin sogar solche Gedanken und Absichten zu
erkennen, von denen der Beschuldigte selbst keine Ahnung hatte. Zum
Befremden des hohen Gerichtshofes blieb der Diener ungewöhnlich lange
aus und als er endlich zurückkam, war er ganz blaß, zitterte am ganzen
Leibe und konnte nur stotternd die Worte hervorbringen: „Halten zu
Gnaden, Herr Präsident, der eiserne Schrank ist erbrochen, der Dolus

eventualis fort, gestohlen!" Ein Ruf des Schreckens rang sich aus den
Kehlen des Staatsanwaltes und der Richter, und sie stürzten fort, um
sich durch eigenen Augenschein von der Wahrheit der Meldung zu über-
 
Annotationen