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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0115
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2192

-E- Ministerielles Abenölieö.

A)ohl uns, -aß in -er Welt -er Mängel
Ge-ul- -er Hiininel uns beschied,

Denn das agrarische Gedrängel
Geht langsam übers Bohnenlied.

Man fordert ja bis in die Puppen
Mit Ungestüm und wildem Schrein —
Rein aus dem Häuschen sind die Gruppen
Der,,staatserhaltenöen" Partei'«!

Den allerreiflichsten Bedenken,

Den Gründen staatlicher Natur
Den ernstesten -er Zweifel schenken
Sie jetzt ein höhnisch Lächeln nur.

Sie sin- im Banne wilder Träume
Zum warten längst nicht mehr geneigt,
Ob offenkundig auch aus Bäume
Der Unsinn ihres Forderns steigt.

wir sind ja gern bereit zu geben,
wir wissen auch, es kann der Groll
Der Herrn uns aus dem Sattel heben,
Doch was zu toll ist, ist zu toll.

Uns kracht der Frack in allen Nähten,
wenn plötz mit Stentorstimme spricht;
Ls rieselt den geheimen Räthen
Der kalte Angstschweiß vom Gesicht.

was wir bisher bereits bewilligt
Aus — Rlugheit den erregten Herrn,
Das kritische Gewissen billigt
Die Hälfte kaum und die nicht gern;
Und dennoch soll es nicht genügen
Und nur die halbe Rettung fein!

Die östlichen Barone schlügen

Den Staat am Liebsten kurz und klein.

Man wühlt sich rathlos in den Haaren
Und häuft verlegen Schuld auf Schuld;

Ls ist, um aus der Haut zu fahren,

Und dennoch üben wir Geduld.

Man muß sich in die Zeiten schicken,

Sei noch so böse auch das Spiel,

Und unverwandt nach oben blicken,

Sonst fällt man — wie Laxrivi fiel.

Soll man sich in die Suppe spucken
Um ein Prinzip mit eignem Mund?

Ls findet, klüglich sich zu ducken,

Der Staatsmann immer einen Grund.

Ls wird uns freilich äußerst sauer,

Doch hilft nur das uns auf den Strumpf:
Man sieht ja, der Manschettenbauer,

Und sei er noch so toll, ist Trumpf.

Margarine.

Wollt heben ihr die Landwirthschaft,

Und fragen, was ihr diene.

So wendet euch mit aller Araft
Nur gegen Margarine.

Lis ist ein Ltoff, der ganz direkt
Die Landwirthschaft vernichtet —

Gb schlecht sie oder köstlich schmeckt,

Lie ist und bleibt gerichtet.

Ls ist ganz revolutionär
Der Margarine Wese»,

Sie stammt ja nicht vom Rindvieh her
Aus Posen oder Knesen.

Ls sind an ihr nicht int'ressirt
Die Großen in dem Lande,

Denn niemals wird sie produzirt
vom hohen Adelsstände.

Die Margarine sich erweist
Als Butter-Aonkurrentin,

Und wer die Margarine speist.

Die böse Delinquentin,

Der schasst dem Grundherrn Roth und Pein,
Den Mann muß man verachten.

Er läßt die armen Junkerlein
verhungern und verschmachten.

Wie schrecklick), wenn der Reichstag jetzt
Als Retter nicht erschiene!

Doch dieser hat ein Ziel gesetzt
Der Macht der Margarine.

Mit Paragraphen ging er heiß
Zu Leib dem bösen Kette,

Damit er unfern Butterpreis
vor jedem Rückgang rette.

Die Margarine darf man nie
Der Lutter ähnlich färben.

Auch darf man nicht verbessern sie.

Man darf sie nur verderben.

Und wer sie gar zu Markte bringt,

Rann nicht mehr ruhig schlafen.

Denn diesen Handel eng umschlingt
Lin Netz von vielen Strafen.

Wer keine Butter kaufen kann,

Soll trocknes Brot verzehren.

Mit Kreuden darben soll er dann
Der Landwirthschaft zu Lhren.

Denn wißt, die Margarine frommt
Dem deutschen Volke nimmer;

Nur was direkt vom Rindvieh kommt
Zoll es genießen immer.

Ein aller Agikationsberichl.

Das war eine stürmische Maifeier, die an-
fangs unserer Zeitrechnung im Stadt- und Land-
bezirk der sonst so ruhigen Stadt Jerusalem
stattfand.

Man hatte die Feier uni mehrere Wochen
verschieben müssen, theils des schlechten Wetters,
theils sonstiger Mißhelligkeiten wegen, die jenes
denkwürdige Frühjahr brachte.

Wie man weiß, hatte die römische Polizei, von
semitischen Pfaffen aufgestachelt, einen brutalen
Gewaltstrcich gegen das kleine Häuflein friedlicher
Kommunisten unternommen, dessen edler Führer,
Jesus von Nazareth, unerschrocken die Rechte der
Armen vertrat gegenüber der Willkür der Reichen
und der Heuchelei der Pfaffen. Nächtlicherweile
hatte man die Braven auf Denunziation eines
Spitzels, Judas Jscharioth, mit Waffengewalt
überfallen, auseinander gesprengt und ihre,:
Führer verhaftet. Es folgte darauf der berüch-
tigte Hochverrathsprozeß, welcher mit grausamer
Hinrichtung des kühnen Führers endete.

Diese Ereignisse hatten das Volk zunächst ein-
geschüchtcrt, und es kamen die Pfingstfeiertage

heran, ehe an die Abhaltung der Maifeier gedacht
werden konnte.

Aber da entfaltete sich die proletarische Be-
wegung urplötzlich mit einer solchen Macht, daß
die römischen Kriegsknechte und Polizeischergen
starr waren vor Staunen und die jüdischen
Philister sich in ihre Winkel verkrochen vor der
imposanten Macht des Volkes.

In allen größeren Sälen der Stadt und auf
vielen freien Plätzen im Landbezirk fanden Ver-
sammlungen statt, in welchen über die allgemeine
Völkerverbrüderung referirt wurde. Die Redner
setzten ihren begeisterten Zuhörern auseinander,
wie der römische Militärstaat auch mitten im
Frieden durch seine ungeheuren Rüstungen und
durch die Ernährung eines großen Söldnerheeres
den Wohlstand der Völker aufsauge und die Be-
sitzlosen zu Sklaven erniedrige, während die
Großen, geschützt durch die Schilde und Speere
des „glorreichen" römischen Heeres, sich jede Will-
kür erlauben durften und in maßloser Schwelgerei
die Güter verpraßten, die bei gerechter Vertheilnng
Allen ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht
Hütten.

Aber auch mit den herrschenden Klassen des
„engeren Vaterlandes", des jüdischen Königreichs,
das unter der römischen Militärherrschaft ein
Scheindasein fristete und ganz überflüssiger Weise
noch einen Hof unterhielt, gingen die Redner scharf
ins Gericht. Sie wiesen nach, daß Priester und
Beamte, Pharisäer und Schriftgelehrte nur die
Sonderinteressen ihrer Kaste wahrnahmen, die
Rechte der Besitzlosen mit Füßen traten und mit
den rönüschen Gewalthabern freudig Hand in
Hand gingen zur Unterdrückung jeder freiheit-
lichen Regung im Volke.

Zur Beseitigung dieser Mißwirthschaft schlugen
die Redner vor, daß eine allgemeine Menschen-
verbrüdernng stattfinde, die an Stelle des National-
 
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