^ Blick in öie Zukunft.«
Aus „Königin Nab" von p. 8. Shelley.
5)u sahst Vergangenheit und Gegenwart;
Ls war ein trüber Anblick! Lerne, (Seift,
Jetzt die Geheimnisse der Zukunft. — Zeit!
Entfalte deines Dunkels nächt'ge Schwingen,
Die halbverschlungnen Rinder gieb zurück,
Und von dem Wiegenbett der Ewigkeit,
Mo Millionen, eingelullt in Schlummer
vom rauschenden Strom vergehnder Dinge,
liegen.
Beiß fort das düstre Tuch! — Betrachte, Geist,
Dein herrliches Geschick!
Alles ist neu erschaffen, und durchhaucht
von wechselseit'ger Lieb' ist alles Leben;
Der Erde reicher Schoß nährt Myriaden,
Die unter ihrer treuen Hut gedeihn
Und mitvollkommnerReinheitGlanz ihr lohnen.
Der Winde Balsamhauch verbreitet rings
Die Tugenden, die er einathmete;
Gesundheit fluthet durch die milde Luft,
Glüht in den Früchten, steigt vom Strome auf;
Rein Sturm entstellt des Himmels strahlend
Antlitz
Und streut der immergrünen Bäume Laub
Zn seiner Zugendfrische Pracht herab;
Stets reif sind Früchte, Blumen immer schön.
Der Herbst trägt würdig sein Matronenloos,
Und läßt des Frühlings Mange hold sich färben,
Deß jungfräuliche Blüthe widerstrahlt
Die Gluth der Frucht und sich in Liebe röthct.
V sel'ge Erde! Himmelswirklichkeit,
Aach der die ruhelosen Geister streben.
Die ewig durch die Menschenwelt sich drängen!
Du aller irdischen Hoffnung Znbegriff!
Du hehrer Lohn des blindvollziehnden Willens,
Deß Strahlen sich, durch Baum und Zeit ver-
breitet,
Zn Einem Punkt für immerdar vereinen!
Der reinsten Geister reine Heimath du,
Mo Schmerz und Sorge, Vhnmacht und ver-
brechen,
Unwissenheit und Rrankheit unbekannt!
G sel'ge Erde, Himmelswirklichkeil!
Dich sah der Genius in kühnstem Traum,
Ein dunkles Vorgefühl von deiner Schönheit
Durchzog das Menschenherz und wob hinein
Die feste Hoffnung auf ein Paradies,
Mo Liebende und Freunde sich begegnen.
Um von einander nie zu scheiden mehr.
Du bist das Ziel von jedem Munfch und Millen,
Der Lohn jedweder Handlung; und die Seelen,
Die auf den Pfaden der vollendungsbahn
Den Hafen deines stillen Friedens fanden,
Buhn dort von jener ew'gen Arbeit aus.
Die deines Bau's Vollkommenheit erschuf.
Selbst der Erobrer „Zeit" entfloh vor dir, —
Der alte Biese, der so lang die Melt
Zn stolzer Einsamkeit regiert, daß Völker
Hinsanken unter seinem stummen Tritt.
Die Pyramiden, die Zahrtausende
Getrotzt der Fluth der Menschendinge, trieb
Sein Lturmeshauch, zu Land zerbröckelt, durch
Die Müste hin, wo ihre Trümmer noch
Den Bamen Dessen überdauerten.
Der sie in eitlem Stolze aufgethürmt.
Der mächt'ge Fürst in seiner öden Pracht
War nur der Giftpilz eines Sommertags,
Den sein beschwingter Fuß zu Staub zertrat;
Der Erde Rönig war die Zeit; ihm beugte
Sich Alles, außer tugendhaftem Willen
Und des Gemüthes heil'gen Sympathien,
Die ihm getrotzt und seinen Fall bereitet.
Doch mählich dämmerte der Liebe Morgen;
Dunkles Gewölk umhüllte lang die Erde,
Bis von des Himmels Zelt es sich verzog.
Zuerst hielt das verbrechen seinen Lauf
Des Sieges über alle Hoffnung hin,
Frech, schamlos, unverhüllt, mit ehrner Macht;
Und im Gewand der Tugend heiligte
Die Lüge jede Unthat, jedes Weh,
Bis, von des eignen Stachels Gift getödtet.
Sie jedes Zwangs die geistige Welt enthob.
Den kühnsten Flug der Leidenschaft entfesselnd.
Und Gottes Bamen nicht mißbrauchend mehr
Als Brandmal, um zu ächten die Vernunft.
Dann wirkte fort der edle Gährungsstoff;
Befreit war die Vernunft, und ob auch wild
DieLeidenschaft durch dichtbewachs'ne Schluchten
Und waldesnachtumhegte Miefen schweifte.
Und einen Rranz von seltnen Blumen wand:
Doch schlang die schönsten sie, der Biene gleich.
Die zu der Rön'gin stets zurück sich wendet.
Um ihrer Schwester Stirn, die sanft und ernst
Das heitre Rind umarmte, das nicht mehr
vor der zerbrochnen Ruthe Schlag erbebt.
Mild war des Todes langsam nahnder Zwang:
Der Geist schwand friedlich unter seiner Hand,
Ghn' einen Seufzer, ohne Fürchten fast.
So ruhig wie ein Pilger, der da geht
Bach einem fernen Land, und, Zenem gleich,
von Hoffnung und von Wißbegier erfüllt.
Des Liechthums und der Schlaffheit Todeskeime
Erstarken in der menschlichen Gestalt,
Und ihre Segensgaben spendete
Die Reinheit ihren irdischen Verehrern.
Wie kraftvoll ungeschwächt des Alters Glieder!
Wie klar die offne, runzellose Stirn,
Wo weder Geiz, noch Trug, noch Stolz und Sorge
! Auf jener vielverschlungnen Züge Bild
Das Siegel grauer Häßlichkeit geprägt!
Wie lieblich war der Zugend kühne Stirn,
Die sanftgeaugter Nuth mit Anmuth zierte.
Der Nuth der Seele, den kein Name schreckte,
llnd hoher Wille, welcher furchtlos kühn
Hin durch des Lebens Traumgefilde schritt.
Mit Tugend, Lieb' und Freude Hand in Hand.
Der Freiheit Wese», jener süße Zwang,
Der mit den sanftesten Banden des Gefühls
verwandte Sympathien der Nenschenherzen
Zusammenkettet, brauchte nun nicht mehr
Tyrannischer Gesetze Fesselband;
Die schüchternen und zarten Triebe wagten
Zn Paradiesesunschuld sich ans Licht,
Und sprachen offen und vertrauensvoll
Das Sehnen der erwachten Liebe aus.
Gezügelt nicht von selbstsuchttrüber Reuschheit,
Der Tugend jener wohlfeil Tugendhaften,
Die ihrer Rälte sich und Stumpfheit rühmen.
Der mercenären Liebe Gift besteckte
Nicht mehr des Glückes und des Lebens Guell;
Und Mann und Weib, sie wandelten in Liebe
Und in vertrauen, frei, und gleich, und rein.
Der Tugend steile Pfade, die nicht mehr
Befleckt vom Blut so manches Pilgerfußes.
Dort, wo durch lange Zahre der Palast
Des Herrschersklaven sich erhob, verhöhnend
Des Hungers Schrei, des Elends stille Thräne,
Stand jetzt ein morscher Trümmerhauf, und ließ
Die Steine Zahr auf Zahr ins Blachfeld rollen.
Ein einsam Echo weckend; und die Blätter
Des alten Dornstrauchs, der auf höchstem Thurm
Des Rönigsbanners Platz sich angematzt.
Erbebte vor der wilden Stürme Wulh,
Die jenen Thurm umschnob, und flüsterte
Seltsame Närlein in des Sturmwinds Ghr.
Ls sangen durch des Doms verfallne Gänge
Schwermüthige Winde leis ein Todtenlied.
Lin furchtbar trüber Anblick war's, die Werke
Des Glaubens und der Sklaverei zu sehn,
Lo groß, so prächtig, und doch so verweslich.
Dem Leichnam gleich, der unter ihnen ruht.
Heut folgen Tausende dem Crauerzug,
Zhm zum Gedächtniß prangt ein Marmormal,
And tausend Zungen preisen ihn; — doch morgen
Zst er in finstrer Gruft der Würmer Baub.
Aus „Königin Nab" von p. 8. Shelley.
5)u sahst Vergangenheit und Gegenwart;
Ls war ein trüber Anblick! Lerne, (Seift,
Jetzt die Geheimnisse der Zukunft. — Zeit!
Entfalte deines Dunkels nächt'ge Schwingen,
Die halbverschlungnen Rinder gieb zurück,
Und von dem Wiegenbett der Ewigkeit,
Mo Millionen, eingelullt in Schlummer
vom rauschenden Strom vergehnder Dinge,
liegen.
Beiß fort das düstre Tuch! — Betrachte, Geist,
Dein herrliches Geschick!
Alles ist neu erschaffen, und durchhaucht
von wechselseit'ger Lieb' ist alles Leben;
Der Erde reicher Schoß nährt Myriaden,
Die unter ihrer treuen Hut gedeihn
Und mitvollkommnerReinheitGlanz ihr lohnen.
Der Winde Balsamhauch verbreitet rings
Die Tugenden, die er einathmete;
Gesundheit fluthet durch die milde Luft,
Glüht in den Früchten, steigt vom Strome auf;
Rein Sturm entstellt des Himmels strahlend
Antlitz
Und streut der immergrünen Bäume Laub
Zn seiner Zugendfrische Pracht herab;
Stets reif sind Früchte, Blumen immer schön.
Der Herbst trägt würdig sein Matronenloos,
Und läßt des Frühlings Mange hold sich färben,
Deß jungfräuliche Blüthe widerstrahlt
Die Gluth der Frucht und sich in Liebe röthct.
V sel'ge Erde! Himmelswirklichkeit,
Aach der die ruhelosen Geister streben.
Die ewig durch die Menschenwelt sich drängen!
Du aller irdischen Hoffnung Znbegriff!
Du hehrer Lohn des blindvollziehnden Willens,
Deß Strahlen sich, durch Baum und Zeit ver-
breitet,
Zn Einem Punkt für immerdar vereinen!
Der reinsten Geister reine Heimath du,
Mo Schmerz und Sorge, Vhnmacht und ver-
brechen,
Unwissenheit und Rrankheit unbekannt!
G sel'ge Erde, Himmelswirklichkeil!
Dich sah der Genius in kühnstem Traum,
Ein dunkles Vorgefühl von deiner Schönheit
Durchzog das Menschenherz und wob hinein
Die feste Hoffnung auf ein Paradies,
Mo Liebende und Freunde sich begegnen.
Um von einander nie zu scheiden mehr.
Du bist das Ziel von jedem Munfch und Millen,
Der Lohn jedweder Handlung; und die Seelen,
Die auf den Pfaden der vollendungsbahn
Den Hafen deines stillen Friedens fanden,
Buhn dort von jener ew'gen Arbeit aus.
Die deines Bau's Vollkommenheit erschuf.
Selbst der Erobrer „Zeit" entfloh vor dir, —
Der alte Biese, der so lang die Melt
Zn stolzer Einsamkeit regiert, daß Völker
Hinsanken unter seinem stummen Tritt.
Die Pyramiden, die Zahrtausende
Getrotzt der Fluth der Menschendinge, trieb
Sein Lturmeshauch, zu Land zerbröckelt, durch
Die Müste hin, wo ihre Trümmer noch
Den Bamen Dessen überdauerten.
Der sie in eitlem Stolze aufgethürmt.
Der mächt'ge Fürst in seiner öden Pracht
War nur der Giftpilz eines Sommertags,
Den sein beschwingter Fuß zu Staub zertrat;
Der Erde Rönig war die Zeit; ihm beugte
Sich Alles, außer tugendhaftem Willen
Und des Gemüthes heil'gen Sympathien,
Die ihm getrotzt und seinen Fall bereitet.
Doch mählich dämmerte der Liebe Morgen;
Dunkles Gewölk umhüllte lang die Erde,
Bis von des Himmels Zelt es sich verzog.
Zuerst hielt das verbrechen seinen Lauf
Des Sieges über alle Hoffnung hin,
Frech, schamlos, unverhüllt, mit ehrner Macht;
Und im Gewand der Tugend heiligte
Die Lüge jede Unthat, jedes Weh,
Bis, von des eignen Stachels Gift getödtet.
Sie jedes Zwangs die geistige Welt enthob.
Den kühnsten Flug der Leidenschaft entfesselnd.
Und Gottes Bamen nicht mißbrauchend mehr
Als Brandmal, um zu ächten die Vernunft.
Dann wirkte fort der edle Gährungsstoff;
Befreit war die Vernunft, und ob auch wild
DieLeidenschaft durch dichtbewachs'ne Schluchten
Und waldesnachtumhegte Miefen schweifte.
Und einen Rranz von seltnen Blumen wand:
Doch schlang die schönsten sie, der Biene gleich.
Die zu der Rön'gin stets zurück sich wendet.
Um ihrer Schwester Stirn, die sanft und ernst
Das heitre Rind umarmte, das nicht mehr
vor der zerbrochnen Ruthe Schlag erbebt.
Mild war des Todes langsam nahnder Zwang:
Der Geist schwand friedlich unter seiner Hand,
Ghn' einen Seufzer, ohne Fürchten fast.
So ruhig wie ein Pilger, der da geht
Bach einem fernen Land, und, Zenem gleich,
von Hoffnung und von Wißbegier erfüllt.
Des Liechthums und der Schlaffheit Todeskeime
Erstarken in der menschlichen Gestalt,
Und ihre Segensgaben spendete
Die Reinheit ihren irdischen Verehrern.
Wie kraftvoll ungeschwächt des Alters Glieder!
Wie klar die offne, runzellose Stirn,
Wo weder Geiz, noch Trug, noch Stolz und Sorge
! Auf jener vielverschlungnen Züge Bild
Das Siegel grauer Häßlichkeit geprägt!
Wie lieblich war der Zugend kühne Stirn,
Die sanftgeaugter Nuth mit Anmuth zierte.
Der Nuth der Seele, den kein Name schreckte,
llnd hoher Wille, welcher furchtlos kühn
Hin durch des Lebens Traumgefilde schritt.
Mit Tugend, Lieb' und Freude Hand in Hand.
Der Freiheit Wese», jener süße Zwang,
Der mit den sanftesten Banden des Gefühls
verwandte Sympathien der Nenschenherzen
Zusammenkettet, brauchte nun nicht mehr
Tyrannischer Gesetze Fesselband;
Die schüchternen und zarten Triebe wagten
Zn Paradiesesunschuld sich ans Licht,
Und sprachen offen und vertrauensvoll
Das Sehnen der erwachten Liebe aus.
Gezügelt nicht von selbstsuchttrüber Reuschheit,
Der Tugend jener wohlfeil Tugendhaften,
Die ihrer Rälte sich und Stumpfheit rühmen.
Der mercenären Liebe Gift besteckte
Nicht mehr des Glückes und des Lebens Guell;
Und Mann und Weib, sie wandelten in Liebe
Und in vertrauen, frei, und gleich, und rein.
Der Tugend steile Pfade, die nicht mehr
Befleckt vom Blut so manches Pilgerfußes.
Dort, wo durch lange Zahre der Palast
Des Herrschersklaven sich erhob, verhöhnend
Des Hungers Schrei, des Elends stille Thräne,
Stand jetzt ein morscher Trümmerhauf, und ließ
Die Steine Zahr auf Zahr ins Blachfeld rollen.
Ein einsam Echo weckend; und die Blätter
Des alten Dornstrauchs, der auf höchstem Thurm
Des Rönigsbanners Platz sich angematzt.
Erbebte vor der wilden Stürme Wulh,
Die jenen Thurm umschnob, und flüsterte
Seltsame Närlein in des Sturmwinds Ghr.
Ls sangen durch des Doms verfallne Gänge
Schwermüthige Winde leis ein Todtenlied.
Lin furchtbar trüber Anblick war's, die Werke
Des Glaubens und der Sklaverei zu sehn,
Lo groß, so prächtig, und doch so verweslich.
Dem Leichnam gleich, der unter ihnen ruht.
Heut folgen Tausende dem Crauerzug,
Zhm zum Gedächtniß prangt ein Marmormal,
And tausend Zungen preisen ihn; — doch morgen
Zst er in finstrer Gruft der Würmer Baub.