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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0134
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Euicite Beilage zum „Wahren Jacoü" Er. 258.

Stumm und Stöcker. ^

Ähristlich-sozial ist Unsinn? Jederzeit
War uns das klar, ob man uns auch gescholten;
Es hat der Einsicht, der Verständigkeit
Das „Wenn schon, denn schon!" stets auch hier
gegolten.

Was nicht gerade ist, bleibt ewig krumm
Und sei die Bibel zehnmal sein Begleiter;

Es ist nicht weit vom Stöcker bis zum Stumm,
Vom Stumm zum Stöcker aber ist's nicht weiter.

Und Stumm wie Stöcker hemmen die Kultur
Und ihren Siegesgang im gleichen Maße,
Doch Stumm wie Stöcker sind Gerümpel nur,
Das sich herumtreibt auf der breiten Straße.

Gleich hoch, gleich niedrig stehen sie im Werth,
Schilt Einer auch als „Ast" des Andern
Höcker —

Unwiderstehlich aus dem Wege kehrt
Der Eisenbesen einst so Stumm wie Stöcker!

Lieber Jacob!

Nu sag mir bloß Eener, bin ick eeiün
Verein, oder bin ick keener? Also ick bin
Präsendent von'n Feisenklnb „Ofenklappe".
Jut! Ick habe't nu durchjesetzt, det unsre
Statuten anfangen: 8 1. Der Zweck des
Vereins besteht dadrin, keene Poletik zu drelben
UN dabei zu roochen. 8 2. Die Mitjlied-
schast irjend eenes politischen Vereins schließt
die Mitjliedschaft bei unfern Verein aus.
Denn nich wahr? Wenn ick alo Mitstied

^ -— - irje^ eenes politischen Vereins nur, als den

Präses des Feisenklubs, die Fcife ansteckcn dhu, so is det sch°»
bmdung-Treten. Ja, ick habe neilich, als se mit Jewald Bismarck-Knaster
ainchasten wollten, die Kabinetssragc jestellt. Sojar den Pastoren-Knaster
ließ ick bei jede neie Lieferung erst von de Probc-Rooch-Kommission vor-
roochen und bei den jeringsten politischen Jernch ausschließen. Denn
damals war Pastorenpolitik noch keen Unsinn. Un nu doch! Also wir
sitzen an eenen Disch unsers Stammlokals un verabreden, ick soll mit
uiiserli Importeur handeln, det wir beit Knaster etwas billijer kneien.
^ steh' uff, un se rufen mir nach: Aber diplomat'sch! — „Jnn'.tamcn
des Jesetzes?" sagt et da hinter mir (et war der Kellner), un ick mußte
>uit. Draußen sagt mir der Beamte, ick wäre als Knastcr-Koinmfffton
Ulit den Verein in Verbindung jetreten, un die politische Tendenz — Ten-
denz sagt' ex _ Mre aus der Meinungseißerung des Vereins offen-
kundig jewor'n. Ick sagte dadrusf: Ick kann kraft der Statuten alleene
Mitjlieder ernennen un ausschließcn, ick schließ se jetzt hierdamit alle aus.
^ „Eben drum!" sagt' er, „nu sind Se erst recht 'n Verein. Kommen
Se man mit." Paß Achtung. Jacob, un laß Dir nich ufslösen.

Dein Jotthilf Nauckc.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Erbliche Belastung.

Professor: Eine bekannte Säuferin hinterließ eine Nachkommen-
schaft, die schließlich auf über achthundert Personen anwuchs. Nach einer
genauen Verfolgung des Lebenslaufes dieser Leute waren sie alle Säufer,
Verbrecher oder Prostitnirte und kosteten dem Staat über fünf Millionen.
Hier sieht man, wie schwer die erbliche Belastung wirken kann.

Arbeiter: O, das ist noch gar nichts. Ich kannte einen Mann,
der war erst ein armer Teufel, aber er war sehr sparsam und trank gar
nichts; er hinterließ als er starb seinem Sohn ein kleines Vermögen.
Der Sohn ist jetzt Großindustrieller und Geheimer Kommerzienrath und
hat bereits fünfzig Millionen aus den Knochen seiner Mitbürger herans-
gezogen. Wenn seine Nachkommenschaft auf achthundert Köpfe angewachsen
sein wird und in der Ausbeutung so fortfährt, dann hat bald Niemand
mehr ein Hemd auf dem Leibe!

Vom bürgerlichen Gesetzbuch.

21.: Die unehelichen Kinder scheinen nach dem neuen bürger-
lichen Gesetz ziemlich schlecht wegznkommen, es ist ihnen jede Gleichstellung
mit den ehelichen versagt.

B.: O nein — das hauptsächlichste Recht ist wenigstens den Un-
ehelichen männlichen Geschlechts vollständig cingeränmt.

A. : Welches Recht?

B. : Sie dürfen Soldaten werden.

Ein wahres Wort.

„Das Geld ist heutzutage meist in den Unrechten Händen",
sagte Dr. Ratzinger im bayerischen Landtage, da stimmten ihm alle
Handwerksburschen begeistert zu.

Lehre für Schaffner.

Ans dem Fahrkarten-Unlerschleif-Prozeß.

Willst Du Dich bewahren ! Laß die Spitzel fahren,

Vor dem Strafgericht — ! Aber gratis nicht.

Zur Versöhnung.

Anläßlich der Feier des Friedens zwischen Deutschland und Frank-
reich lieferte letzteres an Deutschland den Friedmann aus.

_w,vv ÜVUHÖV‘VVV

uuo ragende Zinnen zu schauen st
In des Russenreichs heiliger Stavi
Da setzt der junge Zar aller Neust
Sich aufs Haupt die funkelnde Krc
Tausende demüthiger Sklaven
Werfen fich in den Staub und ber
Mit dem Antlitz die russische Erde
Sie rufen: Heil dem Zar aller Re
Und zum Himmel hinauf steigt der

Der Zar schaut im Weltherrscherbe
Hinab aus das wimmelnde Volk,
Das wie Gewürm kreucht zu seine:
Und der ererbte autokratische Hochr
Funkelt aus seinen verachtenden
. „Sie haben Freiheit von mir begeh
So murrt er, unhörbar dem Hösli
„Aber sie sollen die Ketten tragen,
So wahr ich bin Nikolai der Zwei
Und sie sollen sie tragen in Ewigk

Und wie das Wort seinem Munde
Schaut er auf die Wächter ohne Z
Die Spitzhunde im gestickten Kragt
Die jeden Blick des Volkes belauer
Er schaut aus zehntausend Bajonct
Die funkeln in unabsehbaren Reiht
Immer bereit, zu wahren die Ord
Und zur Ader zu lassen dem Volk
Wenn zu stark es gerüttelt an sein
Träume nur, Selbstherrscher!

Du siehst ihn nicht, den alten Ma

Den „trefflichen Minirer" der Weltgeschichte,
Der auch im härtesten Boden,

Im Boden des heiligen Rußland
So eifrig schon gewühlt.

Du sichst ihn nicht
Und du kennst ihn nicht!

Doch wenn als letzter der Zaren
Du schließest der Ahnen lange Reihe,

Wenn unter deinen Füßen
Bricht der Boden und weicht der Grund,
Dann wirst du erst sehen, wie er gegraben.
Der treffliche Minirer.

Zur Diätenfragr.

Jedermann erntet schließlich, was er gesät hat.
So geht es auch in der nationalliberalen Partei,
die am Vorabend einer ernsten Krisis steht. Es
rächt sich bitter, daß diese Partei die freiwillige
Gefolgschaft aller Regierungen gebildet und nie-
mals sich zu einem ernstlichen Widerstand zu er-
mannen vermocht hat. Sic hat nun die Rebellion
im eigenen Lager, und zwar ist sie von einer
Seite gekommen, wo sie Niemand vermnthete.

Nach einer durchaus verbürgten Miitheilung
hat im Hause des berühmten nationalliberalen
Abgeordneten und Parteiführers Duckedich fol-
gender Austritt stattgefunden:

Er: Wir müssen das bürgerliche Gesetzbuch
noch in dieser Session fertig machen.

Sie: So, warum müßt Ihr denn?

Er: Die Regierung wünscht es.

Sie: Aber ich wünsche es nicht.

Er: Aber, liebes Weib ...

Sie: Ach was, „liebes Weib", wenn Ihr
wenigstens Diäten hättet, daß Ihr Eure „lieben
Weiber" mit nach Berlin nehmen könntet!

Er: Wir haben schon oft Diäten beschlossen,
aber die Regierung geht nicht bavanf ein.

Sie: Das ist es ja gerade; Ihr seid keine
Männer, die einer Regierung etwas abtrotzen
können.

Er: Was sollen wir denn thun?

Sie: Das will ich Dir sagen. Wenn Ihr
Euch diese lange Session von der Regierung hin-
setzen laßt und keine Diäten heimbringt, so wird
etwas geschehen, was Ihr nicht erwartet habt.

Er: Was denn?

Sic: So höre! Sieben Frauen national-
liberaler Abgeordneten, Frau Schmiegsam, Frau
Krumm, Frau Ilngstmeyer, Frau Hinfall, Frau
Drehscheibe, Frau Aschengrau und ich haben uns
verschworen, uns von Tisch und Bett unserer
Ehemänner zu trennen, wenn Ihr keine Diäten
schafft.

Er (verzweifelnd): Aber wir können doch nicht.

Sic: Ganz einerlei. Wir haben genug; unsere
Geduld ist zu Ende. Wir werden Sozialistinnen.

Er: Aber die Sozialisten können doch auch
keine Diäten durchsetzen und die lange Session
nicht abkürzen.

Sie: Aber sie haben den Muth, sich zu wider-
setzen, während Ihr die Ohren hängen laßt. (Ab.)

Er: Seliger Lasker, hilf uns!

So endigte diese interessante Szene. Die
nationalliberale Partei hat bereits eine außer-
ordentliche Fraktionssitzung einberufen, um zu
berathen, ivie dieser Krisis zu begegnen ist.
 
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