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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0146
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2222

Die ijcltu’

3|n vollem Aufruhr war da^ ganze Geer
Der Flintenfritzen, der Aauoueuvolde
And der Fregatten- und Lorpedoankel,

Als Li-Hung-Lfchang mit seiner Gegenwart
Werlin beglückt. E^ witterten die Wieder»

Ein glänzendes Geschäft und tänzelnd, schwänzelnd
Mmdrängten sie den listigen Ehinesen
Auf Schritt und Gritt, befeuert von der Hoffnung,
Ihm einen groszen Auftrag abznluchsen
And ihn gehörig über^ Ghr zu hau'n.

EK ward sein Äuhm mit Danken und (Lromgeten
Dem Volk verkündet; man verstieg sogar
Sich zu der echten deutschen Schmeichelei,

Ihn alü den WtKmarck Ghinaö zu begrüszen.

Danach wär'WichnarckDeutschland^Li-Gung-Kschang?

Gb da^ die Meinung, sei dahingestellt.

Auch würde der Vergleich zur Hälfte nur.

Nicht völlig stimmen. Wollt ihr den WewetK?

Eh' Ti-Hung-Lschang, der grosze Vizekönig
Von den Japanern sich besiegen liesz.

War mit der gelben Jacke er geschmückt.

Die für die hohen Würdenträger EhinaK
Ein grosze^ Kleinod ist, weil sie ein Vorrecht

Keitsacke.

Ganz eigner Art dem Glücklichen verleiht.

Wer sie besitzt, der Kann bestraft, verbannt.

Er kann sogar beraubt deF Mammons werden.
Den er in stiller Arbeit angehäuft.

Jedoch das Aenszerste bleibt ihm erspart:

Vor dem Gehaucnwerden ist er sicher.

Als die Ehinesen ihre Drügelsuppe

Schwerfällig anögelüff'elt, flog die Kunde

Durch alle Welt, es habe Li-Hnug-(Eschang

Die gelbe Jacke zornig aberkannt

Der „Sohn deF Himmels". Gb man Li gehan'n.

In aller Stille, ab die Wastonnade

Man ihm verhängt, das wurde niemals klar.

War aber ist, dasz ihm der Gnade Sonne
Aufs Nene lächelt und die gelbe Jacke
Ihn wieder ziert, dasz er die alte Macht
Aufff Neue übt im Wlumenreich der Mitte.

WaK unfern Li-Hung-iLschang betrifft, so haben
Sie ihm die gelbe Jacke aufgezogen
Und seine Drücket hat er gründlich weg.

Doch wenn ihn auch ein matter, frost'ger Strahl
Der Gnade flüchtig wieder streift — die Jacke,
Die gelbe Jacke, das Snmüol der Macht,

Sie ist dahin und niemals Kehrt sie wieder!

Der alte Zlaatsmann an den Novhen.

„Cin Sozialist, das merke dir,

Darf niemals Recht behalten,

Bestreiten muff man was er sagt
Und schreibt in Zeitnngsspalten.

Doch läßt sich ganz nicht leugnen ab,

Was er gesagt, geschrieben,

Erkläre dreist, er habe da
Gewaltig übertrieben.

Wo's angeht, lass' vom Staatsanwalt
Ihn auch noch prozeffire».

Nicht schwer ist's, irgend ein Delikt
Mit Kunst zu konstruircn.

Wird auch, was er behauptet hat,

Durch Zeugen, die vereidigt,

Bestätigt ganz: man straft ihn doch,

Weil er „formell beleidigt".

Viel andere Reate noch
Hat man in Themis' Hallen,

Der Grobe-Unfug-Paragraph
Hilft aus der Noth vor allen.

Statt des Brandstifters muß sodann
Der Feuermelder brummen.

Du siehst, stets führt ein Weg nach Nom,
Doch sind es ureist die krummen.

Noch wimmelt's von Reptilien
In unfern tiefen Sümpfen,

Bereit, für Geld und gutes Wort
Zu loben und zu schimpfen.

Sie schreiben: Seht, der Sozialist
Muß für sein Wort nun büßen,

Und das beweist uns sonnenklar:

Es stand auf schwachen Füßen."

Brief aus dem Königreich Stumm.

Neunkirchen, in den Hundstagen 1896.

Mein lieber Jacob!

Schon lange wollte ich Dir schreiben, allein
ich muß sehr vorsichtig sein. Ich bin nämlich
cin Pastor und wir Gottesmänner stehen hier
alle unter irdischer Polizeiaufsicht, denn man
fürchtet, wir möchten vernaumäunern und lauter
Thomasse Münzer werden. Vorläufig bin ich noch
am Hofe von Sr. Majestät Stumm wohlgelitten
und gehöre zu den „Eingeweihten", die dabei sein
dürfen, wenn im engeren Kreis der Schleifstein
gedreht wird. Ich kann die Zukunftspläne unseres
Gewaltigen nicht länger bei mir behalten. Dir,
dem Freund so mancher bekümmerten Seelen,
muß ich sie anvertraucn; ich bin ja sicher, daß
Du sie nicht ausplauderst; denn wenn das der

Monarch von Neunkirchen erführe, so würde er
jeden Bäcker boykottiren, der mir ein Stück Brot
verkaufte.

Unser Herrscher ist außerordentlich erbost wegen
der Artikel, in denen die „Frankfurter Zeitung"
ihn angegriffen hat. Kürzlich fuhr er des Nachts
wüthend aus dem Schlaf und schrie: „Hü! Hü!"
Seine erschrockene Gemahlin brachte aus ihm her-
aus, daß er geträumt, der Verfasser jener Artikel
sei soeben geviertheilt worden, ivobei Stumm selbst
die Pferde augetrieben.

„Der Traum war schön," meinte er, sich die
Augen reibend, als seine Gemahlin einivarf, er
träume von häßlichen Dingen. „Oh, ich hörte
die Gelenke knacken" —

Königin Stumm wäre schier in Ohnmacht
gefallen.

Unlängst hat nun König Stumm zwei Schul-
meister aus seinem Gebiet hiuausgegrault. Die
Sache steht im engsten Zusammenhang mitStumms
großen Zukunftsplänen und verhält sich nämlich so:

Stumm will Reichskanzler werden und
daruni kann er es kaum erwarten, bis Hohenlohe
abgeht. Wenn dieser endlich mit dem bürgerlichen
Gesetzbuch unter dem Arm auf seine väterlichen
Güter zurückgckehrt sein wird, dann kann der
neue Reichskanzler Stumm die Pläne verwirk-
lichen, die er schon lange im Busen hegt. Bismarcks
Wege will er nicht betreten; die Politik dieses
Mannes hatte viel zu viel Humanität und un-
zeitgemäße Milde.

König Stumm hat eine Idee. Er will die
Sozialdemokratie durch die Justiz vernichten und
plant eine große Reform des Strafrechts. Da die
deutschen Juristen aber auch zu sehr au Humani-
tätsdusel leiden, so hat sich Stumm an eine andere
Autorität gewendet, nämlich an den chinesischen
Vizekönig Li-Hung-Tschang, als dieser jüngst
in Berlin war. Auf die Frage Stumms, wie
der große Chinese über die Bekämpfung der So-
zialdemokratie denke, antwortete dieser:
 
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