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Da ertönte ein spöttisches Gelächter. „Wo ist unser Hans?"
riesen mehrere Arbeiter durcheinander. „Was giebt's an unserem Herde
zu schützen, wenn das Feuer erloschen und keine Nahrung daraus bereitet
wird? Was konnte der Feind uns nehmen, da uns der eigene Staat
nichts übrig läßt?"
Hochverräther! schrie der Offizier. „Ich werde Euch dem Kalifen
anzeigen, damit er Euch köpfen läßt."
„Geht weiter!" lachte ein Bürger. „Dem Kalifen lügt Ihr ja
Jetzt übermannte den Kalifen der Zorn. „Nichtswürdiger", schrie
er den Bettler an, „wie kannst Du so despektirlich über den Kalifen
reden, der Tag und Nacht für seine Unterthanen besorgt ist?"
Hiermit war aber der angebliche Zauber von dem Kalifen ge-
wichen. Die Bettler sahen ihn jetzt und singen an, ihn ernstlich zu
bedrängen.
„Seht", schrieen sie, „da ist ein Bettler wie wir, der den großen
Herren beistehen will. Greift ihn, werft ihn ins Wasser!" Und viele
vor, daß eitel Wohlleben im Lande herrsche, wie würdest Du es I k™!,. r,
ihm zu melden, daß wir gänzlich ausgeraubt sind?" ' ' I Ü,\.C”../U{.JUK.. ^Uten..Jl”’*> ^fften den Herrscher aller
Der Offizier stampfte zornig davon. Der „unsichtbare" Kalif "" ..^ .. “ " '
schüttelte sein Haupt
und war sehr er-
staunt. Er erhob sich
und schritt tiefer in das
Gewirr der Straßen
hinein.
„Wir haben Hun-
ger", hörte er neben
sich sagen.
Es waren Bettler,
die vor dem Hause
eines Gewerbtreiben-
den standen.
„Geht zum Teu-
fel!" rief ihnen der
Hauseigenthümer zu.
„Was ich habe, was
ich mir mit Fleiß und
Umsicht verdiene, muß
ich an den wucheri-
schen Kapitalisten ab-
liefern, der mir Geld
zu meinem Geschäfts-
betrieb geliehen hat.
Wie könnte für die
Armen etwas bleiben,
>vo der Wucherer alles
frißt?"
Der Kalif schritt
weiter und stieß über-
all auf die unver-
kennbaren Spuren des
Elends.
Schließlich aber
tauchte wieder ein fest-
lich erleuchteter Mar-
morpalast vor seinem
Blick auf und lieb-
liche Musik schlug an
sein Ohr.
Der Kalif hatte
"™ ■»“>*' i»> «IMOIti d-, Reich,»
-«A äs#* ...
'"7^'L.rL -77
gäbe aus bet Ltaatstasse erhalten hat."
r Sßat3bllnber^re^ bcd) ci3cntlid) den Nothleidenden
zukommen. Hat dies der Kalif nicht also befohlen?"
. ''?^s2äbrend '"ar die Antivort. „Die Großen
sagen ihm si ) ' «6: er der edelste, iveiseste und ruhmreichste
Herrscher s , '"gt, und dabei treiben sie das Land zum
Ruin und er we:ß nrchts davon." 8
„Seht", schrieen sie, „das ist ein Bettler wie wir, der den großen Herren
beistehen will."
Gläubigen derart, daß er am nächsten Tage noch blau und braun
am ganzen Körper war. Nur mit Mühe entging er den derben
Fäusten der Bettel-
leute und athemlos
gelangte er wieder in
seinem Palast an.
Als er Tags da-
rauf dem Großwes-
sier Nickel-Pascha von
seinem ivunderbaren
Spaziergange und was
er dabei erlebt hatte,
erzählte, lachte dieser
und strich seinen lan-
gen Bart.
„Sohn der Sonne",
sagte er hierauf, „der
Jude hat Dir einen
schlechten Rath ge-
geben. Wir leben doch
in einem konstitutio-
nellen Staat, in dem
der Monarch blos das
auszuführen hat, >vas
ein hoher Divan be-
schließt. Wenn der
Herrscher eigenmäch-
tig handelt und dabei
Prügel bekommt, so
ist das Ministerium
dafür nicht verant-
wortlich. Was aber
die vielen Bettler, den
Nothstand und die
allgemeine Unzufrie-
denheit anbetrisft, so
ist Deinem unter:
thänigsten, treuesten
Diener davon amt-
lich noch nichts be-
kannt geworden, — waö aber amtlich nicht zu unserer Kenntniß gelangt,
ist gewiß nicht Ivahr."
Mit dieser tiefsinnigen, echt orientalischen Weisheit mußte sich der
Kalif bescheiden. Ja, er hatte den Konstitutionalismus ganz vergessen,
der nicht nur die Regierungsmaschine in Ordnung hielt, sondern auch
seine eigene geheiligte Person schützte! Er gelobte sich, von Stund' an
nur noch auf Rathschläge seiner Wessiere zu hören, und ganz besonders
den Juden sein Ohr zu verschließen.
Diese hatten es denn auch in seinem Reiche nicht am besten;
Bedrückungen und Verfolgungen der Juden waren an der Tages-
ordnung, und wenn die Geplagten zum Kadi gingen, so wurdeir
sie verhöhnt und ab und zu mit einer Tracht Prügel auf die Fuß-
sohlen bedacht.
Da ertönte ein spöttisches Gelächter. „Wo ist unser Hans?"
riesen mehrere Arbeiter durcheinander. „Was giebt's an unserem Herde
zu schützen, wenn das Feuer erloschen und keine Nahrung daraus bereitet
wird? Was konnte der Feind uns nehmen, da uns der eigene Staat
nichts übrig läßt?"
Hochverräther! schrie der Offizier. „Ich werde Euch dem Kalifen
anzeigen, damit er Euch köpfen läßt."
„Geht weiter!" lachte ein Bürger. „Dem Kalifen lügt Ihr ja
Jetzt übermannte den Kalifen der Zorn. „Nichtswürdiger", schrie
er den Bettler an, „wie kannst Du so despektirlich über den Kalifen
reden, der Tag und Nacht für seine Unterthanen besorgt ist?"
Hiermit war aber der angebliche Zauber von dem Kalifen ge-
wichen. Die Bettler sahen ihn jetzt und singen an, ihn ernstlich zu
bedrängen.
„Seht", schrieen sie, „da ist ein Bettler wie wir, der den großen
Herren beistehen will. Greift ihn, werft ihn ins Wasser!" Und viele
vor, daß eitel Wohlleben im Lande herrsche, wie würdest Du es I k™!,. r,
ihm zu melden, daß wir gänzlich ausgeraubt sind?" ' ' I Ü,\.C”../U{.JUK.. ^Uten..Jl”’*> ^fften den Herrscher aller
Der Offizier stampfte zornig davon. Der „unsichtbare" Kalif "" ..^ .. “ " '
schüttelte sein Haupt
und war sehr er-
staunt. Er erhob sich
und schritt tiefer in das
Gewirr der Straßen
hinein.
„Wir haben Hun-
ger", hörte er neben
sich sagen.
Es waren Bettler,
die vor dem Hause
eines Gewerbtreiben-
den standen.
„Geht zum Teu-
fel!" rief ihnen der
Hauseigenthümer zu.
„Was ich habe, was
ich mir mit Fleiß und
Umsicht verdiene, muß
ich an den wucheri-
schen Kapitalisten ab-
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zu meinem Geschäfts-
betrieb geliehen hat.
Wie könnte für die
Armen etwas bleiben,
>vo der Wucherer alles
frißt?"
Der Kalif schritt
weiter und stieß über-
all auf die unver-
kennbaren Spuren des
Elends.
Schließlich aber
tauchte wieder ein fest-
lich erleuchteter Mar-
morpalast vor seinem
Blick auf und lieb-
liche Musik schlug an
sein Ohr.
Der Kalif hatte
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r Sßat3bllnber^re^ bcd) ci3cntlid) den Nothleidenden
zukommen. Hat dies der Kalif nicht also befohlen?"
. ''?^s2äbrend '"ar die Antivort. „Die Großen
sagen ihm si ) ' «6: er der edelste, iveiseste und ruhmreichste
Herrscher s , '"gt, und dabei treiben sie das Land zum
Ruin und er we:ß nrchts davon." 8
„Seht", schrieen sie, „das ist ein Bettler wie wir, der den großen Herren
beistehen will."
Gläubigen derart, daß er am nächsten Tage noch blau und braun
am ganzen Körper war. Nur mit Mühe entging er den derben
Fäusten der Bettel-
leute und athemlos
gelangte er wieder in
seinem Palast an.
Als er Tags da-
rauf dem Großwes-
sier Nickel-Pascha von
seinem ivunderbaren
Spaziergange und was
er dabei erlebt hatte,
erzählte, lachte dieser
und strich seinen lan-
gen Bart.
„Sohn der Sonne",
sagte er hierauf, „der
Jude hat Dir einen
schlechten Rath ge-
geben. Wir leben doch
in einem konstitutio-
nellen Staat, in dem
der Monarch blos das
auszuführen hat, >vas
ein hoher Divan be-
schließt. Wenn der
Herrscher eigenmäch-
tig handelt und dabei
Prügel bekommt, so
ist das Ministerium
dafür nicht verant-
wortlich. Was aber
die vielen Bettler, den
Nothstand und die
allgemeine Unzufrie-
denheit anbetrisft, so
ist Deinem unter:
thänigsten, treuesten
Diener davon amt-
lich noch nichts be-
kannt geworden, — waö aber amtlich nicht zu unserer Kenntniß gelangt,
ist gewiß nicht Ivahr."
Mit dieser tiefsinnigen, echt orientalischen Weisheit mußte sich der
Kalif bescheiden. Ja, er hatte den Konstitutionalismus ganz vergessen,
der nicht nur die Regierungsmaschine in Ordnung hielt, sondern auch
seine eigene geheiligte Person schützte! Er gelobte sich, von Stund' an
nur noch auf Rathschläge seiner Wessiere zu hören, und ganz besonders
den Juden sein Ohr zu verschließen.
Diese hatten es denn auch in seinem Reiche nicht am besten;
Bedrückungen und Verfolgungen der Juden waren an der Tages-
ordnung, und wenn die Geplagten zum Kadi gingen, so wurdeir
sie verhöhnt und ab und zu mit einer Tracht Prügel auf die Fuß-
sohlen bedacht.