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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0158
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- . 2233

Blitzdraht-Meldungen.

Berlin. Ein leichtes Erdbeben hat hier stattgefunben. Der Stoß
war aber so gering, daß nur ganz wackelige Dinge, darunter z. B. ein
Ministersessel, umfielen.

Bauern. In einer Schenke in Niederbayern fand ein Duell
Zwischen zwei betrunkenen Bauern statt; einer der Duellanten wurde
durch einen Messerstich schwer verwundet. Ein anderes Duell, welches
zwischen zwei Gaishirten stattfand, verlief glücklicher; es kamen nur leichte
Verwundungen mittels einer Zaunlatte vor. Als die Bctheiligten arretirt
werden sollten, beriefen sie sich darauf, daß das Duell in den besten
Kreisen üblich sei und als Ehrensache betrachtet werde. Darauf hin ergriff
der Gendarm die Flucht.

Ronr. Die Jesuiten feierten ein großes Jubelfest aus Freude
darüber, daß sie nicht nach Preußen kommen müssen.

Afrika. Unsere Kolonien werden endlich Erträgnisse abwerfen. Es
soll nämlich die Erlaubniß zum Fischfang in den oftafrikanischen
Seen an den Meistbietenden verpachtet werden.

-«m? Hobrlspähnr. /sn®^

In heißer Sommerschwüle
Ging jüngst der Lukanus aus,
Da zitterten alle Minister,

Da packte sie Angst rind Graris.
Bis endlich ein Freudejauchzen
Dem Bötticher jäh entfuhr:
„Gottlob, wir sind gerettet!

Er holte den Berlepsch nur."

Bismarck wurde von dem chinesischen Staats-
mann Li-Hung-Tschang um Rath gefragt, wie
China zu reformiren sei. Es scheint also selbst
bis nach China die Kunde gedrungen zu sein, daß

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er deshalb der richtige Lehrer für chinesische Staatskunst sei.

Siel.

Statt Zivil-Eh' treibt Zuviel-Eh'

Der Sigl zu Haus!

Sagt der Gröber, — doch der Sigl
Der macht sich nix draus!

Holdrioh.

Selbstlrennknist.

^c’n. *ci^.icte Li-Hung-Tschaugs hat auch der Pfarrer
^ B.: War" A Röntgenstrahl!.: chotographiren lassem

Er wollte erfahren, ob nicht bei ihm eine Schraube locker sei.

Vor Junkern, wie vor Hasen,
Giebt das Gesetz nicht Schutz.
Mußt, Bauer, selbst dir helfen
Und ihnen bieten Trutz.

Und sagt der Junker: „Bauer
Bin ich so gut wie du,

Mich drückt wie dich als Landwirth
An gleichem Ort der Schuh".

So denk' an die Forelle,

Zu welcher sprach der Hecht:
„Komm, Väschen, mir sind beide
Von gleichem Fischgeschlecht."

Geschmeichelt die Forelle
Schwamm flugs zu ihm hinaus.
Der Hecht biß ihr den Kopf ab,
Fraß sie als leckern Schmaus.

Nach den. neuen bürgerlichen Gesetzbuch wird es uneheliche Kinder
geben, die gänzlich vaterlos sind. Um diesen Zustand zu mildern,
schlage ich vor, daß in solchen Fällen stets einer der Stadtväter zu
den Vaterpflichten herangezogen wird.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Den Antisemiten.

L« war den tzerrn beim Reichstagsschluß nie

wohl

Und heimwärts dampften sie mit dicken Röpfe
Wohl klingt naturgemäß es immer hohl,
Ulopft prüfend man herum an leeren Töpfe
Doch mit so argem, offenbarem Uohl
Die guten Wähler bis aufs Blut zu schröpfe
Das war wohl schwerlich der Fraktion gedeihlu
vom Ulugheitsstandpunkt aber — unverzeihln

Wenn man sich gründlich nicht blamiren wi
Und hat doch nichts vernünftiges zu sagen.
So schweig' inan doch in Teufels Rainen sii
Statt frevelnd Hals und Renommee zu wag
Und an die große Flocke laut und schrill
Die eigne Schädelimpotenz zu schlagen;

Und daß ihr dieses Wagniß unternommen
Das ist euch diesmal herzlichst schlecht bekomme

Reherzigt Lins: Will man sich mausig mache
So braucht es blanker wehr und scharfer Pfeil
Soll auf der Fegner tzaupt es niederkrachen
Bedarf man dazu echter Donnerkeile;

Man bringt die Spötter gar zu leicht zum Lach
Und der Radau — zieht auch nur eine weil
weil ihr's verpaßt, sind heut' euch alle Unoch
— Moralisch wenigstens — total zerbrochen.

Neue Grsehr

Der gute Reichstag hat im
Angesichts bis in den Juli Hinei:
scssen und eine solche Unsunnr
Paragraphen angenommen, wie s
ment in so kurzer Zeit sie konsu
Nun ist er in die Ferien g«
nicht langer Zeit wiederzukom.
Fleiß auf's Neue zu bethätigen.

Was wird man ihm dann vot
gesetzgeberischen Eifer zu besriedi
Es liegen ja noch einige alte
setzentwürse in der Garderobe,
und modernisiren könnte, damit s

wie neu erscheinen. Da ist z. B. die niemals
fertig werdende Justiznovelle und Anderes; auch
wird vermuthlich im Kriegsministerium an einer
neuen Militärvorlage gearbeitet, — aber was ist
das für ein dürftiges Material, bei cine.n Reichs-
tage, der tausend Paragraphen an einen. Tage
schluckt?

Da muß man schon rechtzeitig an die Be-
schaffung größeren Stoffes denken, wenn der
Reichstag nicht im nächsten Winter arbeitslos
dahin vegetiren soll, wie ein Schneeschaufler in
Kamerun.

Zur Abhilfe dieser Kalanütät wird der „Wahre
Jacob" einige neue Gesetzesvorlagcn in Vorschlag
bringen.

Vor allen Dingen ist wieder ein Schutzgesetz
für die nothleidende Landwirthschaft erforderlich,
denn man muß bedenken, daß während des ganzen
Sommers keine „knolligen Liebesgaben" vertheilt
wurden und die Millionen aus den früheren
Liebesgaben bei den jetzigen theuren Champagner-
preisen doch bald verbraucht sind.

Mit den bekannten „kleinen Mitteln" ist hier
nichts gethan, auch die Annahme des Antrags
Kanitz würde die Ueberschuldung des Grund-
besitzes nicht wesentlich aufhalten. Dagegen ist
nur eine ganz einfache Finanzoperation nöthig,
um diesen Zweck zu erreichen. Man gebe durch
ein besonderes Gesetz den Staatskassen Vollmacht,
jeden Schuldschein, jeden Wechsel, jede Schneider-
rechnung, jede Spielforderuug, jeden verlorenen
Wettbetrag u. s. w., kurz jede Zahlungsverpflich-
tung, die auf einen Agrarier, einen Junker oder
sonst einen der „Edelsten" lautet, aus öffentlichen
Mitteln zu begleichen, und bewillige die dazu
voraussichtlich nöthigen Summen, vorläufig etwa
den mäßigen Betrag von tausend Millionen Mark.
Ein solches Gesetz würde zum ersten Male einen
wirklich lindernden Einfluß auf die Noth der
Landwirthschaft üben, denn es könnte dann das
Brot noch so billig und das Rennpferd noch
von seinen Gläubigern in üble Laune versetzt so
theuer sein, der Agrarier wird niemals mehr werden.

Aber auch für die Industrie muß etwas ge-
schehen. Der König Stumm zürnt schon lange,
weil er kein Sozialistengesetz mehr hat. Er selbst
schlug bereits vor, man solle die Sozialdemokratie
einfach verbieten. Das ist genial gedacht, aber
nicht wirksam genug. Es sei daher ein Gesetz
empfohlen, welches nicht die Sozialdemokratie,
sondern ihre Entstehungsursache, die Unzu-
friedenheit verbietet. Man dekretire den Acht-
stundentag und einen Minimalwochenlohn von
fünfzig Mark für jeden Arbeiter und n.ache den
König Stumm zum Kaiser von Marokko, dann
werden nur noch zufriedene Leute selbst in Neun-
kirchen an die Arbeitsstätten kommen.

Auch für das ewig nach neuen Gesetzen
schreiende Zünftlerthum muß etwas geschehen.
Alle Welt zerbricht sich den Kopf, wie dem Hand-
werk zu helfen ist. Niemand bringt es fertig
und die Sache ist doch sehr einfach. Die Hilfe
liegt, wie die Zünftler ganz richtig vermuthen,
im Befähigungsnachweis, nur ist eine kleine
Modifikation dieses Begriffes nöthig. Der Nach-
weis darf sich nicht auf die Arbeit beziehen,
sondern es muß die Befähigung zum Zahlen,
kurz, die Zahlungsfähigkeit nachgewiesen
werden. Wenn man nur zahlungsfähige Leute
zuläßt, so ist dem Handwerk gründlich geholfen.

Endlich ist den Bimetallisten unter die Arme
zu greifen, mit Einführung der Blechwährung.
Wenn das Silber nicht mehr mit den. edleren
Golde, sondern mit dem geringeren Blech zu
kämpfen hat, wird es zu Ehre und Ansehen
kommen und Herr von Kardorff wird der Held
des Tages sein. ,,

Dankbarkeit.

A>: Es ist doch schmeichelhaft für uns, daß
der chinesische Vizekönig zusicherte, die Armee
China's solle nach preußischem Muster
gestaltet werden.

B.: Freilich, aber wir revanchiren uns auch
dafür, indem wir unsere Gewerbegesetzgebung
nach chinesischem Muster gestalten.
 
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