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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0189
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-—— 2264

Gewitterschwül.

durch unsre Lage weht ein schwüler Hauch,
gährt und kocht und kriselt aller Enden;
Man füllt den neuen Wein in alten Schlauch
And glaubt damit daF Schicksal abzuwenden!
Gemunkel hier und dort Allarmgeschrei,

EF schwitzen Vlut bei alledem nach Koten

Wie Diplomaten und die Polizei

And nicht zuletzt die Hurrah-Patrioten.

Der Sedantag, den Warden wahnbethcirt
Ein Anlasz stets zu pulberduft'gen Weisen,

Nun liegt er da, wohin er langst gehört
Mit Lug und Aechr, beim rast'gen alten Eisen.
Das Volk, erdrückt von seiner Mühen Last,
Sah eisig kalt schon langst die Ehrenbogen, —
Begeistert waren nur die Herren im Palast
And haibberrückte Hunger-Pädagoge».

Hollmaun und Miguel schärfen den Verstand,
Damit mau schleunigst das Problem ergründe:
Wie viele Schiffe braucht das Vaterland
And für die Schiffe wie viel Feuerschlündc?

Es hapert ja bekanntlich dort und hier
And dann ist auch die Frage zu besprechen:

„Wer zahlt den Auimuel? Laüak oder Vier;"
Ach, schlieszlich musz das Volk ihn wieder blechen!

Den „faulen Westen", Wien, Werlin, Paris,
Wesucht der Lar mit seinen Leibkosacken.

Man braucht in Auszland stets und ständig tties
And der ist immerhin im Westen einzusacken.

Wohl würde gern der Lar Paris umgehn.

Die Stadt verursacht ihm gelindes Grauen,

Doch — die Franzosen wünschen den zu sehn.

Dem ihr Erspartes blind sie auvertraueu.

In der bekannten bösen Ecke fiel
In Hast herab auf Sturm das Warometer;

Ptreuz oder Halbmond stehen auf dem Spiel
Hier Lücken, dort Armenier, Griechen, Ureter!
Voll Einsicht war man deshalb in Wcrlin,

Herr Wronsart ging, wer kann das Opfer fühlen?
Mach Areta wird er mit der Spritze zieh».

Am dort die heiszen Aüpfe abzukühlen.

Der Vilduttgs-Philister.

Er steigt mit hohem Wagrmuth
Auf einen großen Zuckerhut,

Faltet die Hände hinterm Rücken
Und schaut nrit finster-strengen Blicken
Und einenr schiefgrrognen Munde
Dreiviertel Meter in die Runde.

Dann spricht er sinnend: „Ja, die Welt
Ist nicht, wofür man sie oft hält:
Bakterien giebt es, Wundernhren,
Kunst, Wilsenschaft und Literaturen.
Wie preise ich den großen Meyer
Als Bttrgrrschah!-nur etwas theuer-;
Wie preise ich in Folge dessen
Die eignen geistigen Int'relsen,
Gerichtet nicht allein aufs Heute,
Gerichtet, nein, ins Große, Weite!"

— Stol; steigt er von der hohen Warten
Und geht ;u Bier, Tabak und Karten.

Glagrlied aus Leivzig.

Herrjeh, nu warn sich unsre Rohden frein
Un feixen ward das neidsche 8ohr in Drüsen:
Das Ledanfest von Bleiß-Athen gehd ein.

Uff das wer fchdols von Herzensgrund gewäfen.
Mie meid mer'rum ooch gahm in deidfchen Reich.
Se mußten uff den Wettbewerb verzichden —
Rich eene Zchdadt dahd's unfern Leibzig gleich;
Ru gehd ooch dieses Volksfest in de Kichden!

So fcheene warfch bei unfern Zedanfeft.

Zo bahdriotfch Hamm mer uns da bewiesen!
Nit solcher Mollust gann ä gleenes Rest
Begehen nich fei großes Vogelschießen.

De Kaiserdreie hadden mer in Bachd,

Un nu — mer mechde glei zusammengnicken —
Au gehd de Keier jener großen Lchlachd
Un was dran 'rum gebammeld. in de Micken!

Mer is dran schuld? De hohe Bohlezei.

Die find't uff eemal in der Zubbe Haare
Und se behaubd, daß es gefährlich sei
von wegen den ehiekdrischen Gefahre.

Au liewe dem geschdeigerden Verkehr
Un da Nodore leichde Menschen deeden.
Lrloobd se'n großen Zedanzug nich mehr
Un daderbei gehd's fcheene Volksfest fleeden!

Der Gogenblick war groß, der Mann war gleen.
Den se zum Zcheff der Bohlezei ergoren.

Denn Harde blieb er wie ä Zlasterschdeen.

Mie sehr ihn ooch das Gommideh beschworen.
Ich mag mersch iewerlegen. wie ich will,

Ls bleibd äZchlag fer uns. ihr deidschenBrieder;
Ich weene Dröhnen wie ä Groggodill —

Das Zedanfest is fudsch un gommd nich wieder!

Aus Bädern und Sommerfrischen.

Die Badesaison hat ihren Höhepunkt erreicht.
Die „vornehme Welt" ist sich plötzlich ihrer
Schmutzereien bewußt geworden und eilt, sich
gründlich zu waschen. Die Seebäder, Bade- und
sonstigen Kurorte sind deshalb überfüllt. Da
stolziren die Sprossen der hohen Aristokratie,
welche sich rühmen dürfen, von den Raubrittern
ältesten Stils abzustammen, neben den fett-
glänzenden Aktionären einer lukrativen Spinn-
fabrik, deren Arbeiter langsam verhungern; da
sieht man stolze Diplomaten, die von der Pfusch-
arbeit ihrer Gesetzesvorlagen ausruhen, neben
hungrigen Agrariern, welche mit den Groß-
industriellen um die Wette sich am Marke des
Volkes sättigen. Sie besorgen diese Sättigung
meist allzu reichlich, verderben sich den Magen,
werden dickleibig, bekommen das Zipperlein und
suchen dann in den Bädern Heilung, wobei ihnen
das Baden gewöhnlich nichts hilft, denn sie bleiben
in ihrem Thun und Treiben so unsauber, wie
sie vorher waren.

Das ist immer dasselbe Bild, welches sich
jeden Sommer wiederholt darbictct. Eine er-

frischende Abwechslung wäre daher am Platze.
— Wir würden eine solche besonders erfreulich
finden in der Form, daß einmal die Ausbeuter
zu Hanse blieben und dafür die eigentlichen
Schöpfer des Nationalwohlstandcs, die Arbeiter,
in die Bäder reisten.

Es würde den dicken Aktionären gewiß nichts
schaden, wenn sie bei fünfundzwanzig Grad Reau-
mur in den Spinnsälen ständen und zwölf Stun-
den täglich arbeiten müßten, wobei ihnen ein
Krüglein Kaffee, ein Stück Brot und, wenn cs
hoch kommt, ein Häring als Labung diente. Sie
würden dabei viel von ihrem Fett ausschwitzen
und würden vielleicht auch von ihren Vorurtheilen
über die Begehrlichkeit der Arbeiter geheilt werden,
wenn sic deren Lebensweise aus eigener Erfahrung
kennen lernten.

Den Arbeiterinnen aber würde es gleichfalls
wohlthun, wenit sie die reine Luft am Meeres-
strande athmcn könnten, anstatt ihre Lungen mit
Staub und Dunst zu füllen. Sie ivürden geiviß
auch das Menu an der Tafel des Kurhauses
nicht verschniähen, und es ivürde ihnen Braten,
Fisch und Wein nicht weniger schmecken, wie den
verwöhnten Aktionären. So könnten sie den Ertrag
ihrer Arbeit einmal selbst verzehren und brauchten
diese angenehme Funktion nicht immer den Kapita-
listen zu überlassen.

Auch den Jlrbeitcrn des Königs Stumin würde
cs wohl thun, wenn sic im sonnigen Schwarz-
wald Sommerfrische halten könnten, während ihr
„Herr" und „Gebieter" einstweilen das dringende
Geschäft seiner Kapitalsvermehrung selbst besorgte.
Der gute Mann würde, wenn er einmal „bei
sich selbst" beschäftigt wäre, alle Mühe haben, die
Paragraphen seiner Fabrikordnung einzuhalten,
und es ivürde ihm kaum Zeit bleiben, mit christ-
lich-sozialen Pastoren zu krakehlen, Duelle aus-
zufechten oder Preßverbote zu erlassen. Die Sache
könnte also auf Stumm nur erzieherisch wirken.

Besonders nützlich wäre es, wenn die Herren
Grubenbesitzer und Bergwerksdirektorcn einmal
auf ihre Badesaison verzichteten und statt dessen
 
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