Mucite Vellage zum „Watzreu Jacab" Lr. 264.
^ Der internationale Kongreß ?u Lonöon.
feinem Kongreß sah der Schreiber die
Zeilen mit so banger Erwartung entgegen, >
dem Londoner. Denn London, dieses Ungehe
von einer Stadt, diese Welt für sich, Hab
feiner Arbeiterbevölkerung auch die eigenartig
Elemente, von denen manche höchst zweifelh
und unzuverlässig sind. Nicht in London, s
dern im Norden Englands mit seinen Fabri
und Kohlengruben, liegt die Kraft der engliscl
Arbeiterbewegung.
Die Anfänge des Kongresses waren denn a
bedenklich genug. Die Friedensdemonstration
Samstag in Hpde Par! freilich war aufs gb
zendste gelungen— soweit es von den Mensel
abhing. Es mußte ebenso die allgemeine S
geisterung wie etwas Neid bei den außerei
lischen Delegirten erwecken, wenn sie die >
gehcure Schaar von vielleicht hundcrttause
organisirten Arbeitern, ganz abgesehen von >
unermeßlichen Menge der unorganisirten, a
marschiren sahen. Mit ihren eigenartigen gros
Bannern, die mit Allegorien, ja mitunter soc
mit Darstellungen historischer und ande
Szenen geschmückt sind, mit klingendem Sr
zogen die Arbeiterbataillone einher, jede gröst
Sektion geführt von einer Kavalkade von R
lern mit rochen Schärpen. Es war ein eig>
artiges und buntbewegtes Bild.
Um jede der zwölf Rednertribünen sammel!
ßch der erhaltenen Weisung gemäß die einzeln
heranziehenden Gruppen, die Banner aus
aufstellend, die in einem Kreise die Zuhör
Ichaft umgaben; unb eine bet giänzenbsi
Demonstrationen, die London je gesehen, d
an solchen nicht arm ist, schien in einer Re
von Ansprachen ihr naturgemäßes Ende sin!
zu wollen. Aber Jupiter Pluvius statt
beschlossen.
. ^„»«.envruch los. Die Er.o—
Siegen gewöhnt. Bon ihnen kom
nicht wie von den Franzosen jenes l
erzählen, das in aufgeregter Zeit ein
seinem König gesagt haben soll: „S
gehen Sie ruhig schlafen. Heute regnet
giebt's keine Revolution." Ich habe E>
stundenlang im Regen unter freiem
einzelnen Reden zuhören gesehen. Eber
wie durch die Polizei läßt der Englä
durch den Regen sein Versammlungsr
kümmern. Aber der Wolkenbruch vom 26. Juli
war doch zu arg, die Zuhörer ergriffen schaaren-
weise die Flucht. Doch Jupiters Sieg war ein
unvollständiger. Die entschlossensten der Zu-
hörer — und die mit Regenschirmen versehenen —
hielten aus, ebenso die Redner, und in Bezug
auf diese bewirkte der Regenguß nur, daß
mancher Redefluß schneller versiegte als es sonst
der Fall gewesen wäre.
Als sich Abends die Delegirten wieder zu-!
sammen fanden, manche bis auf die Haut durch-
näßt, ohne trockene Kleider zum Wechseln, da
herrschte eine zuversichtliche Stimmung. Kein
Mißton hatte die Demonstration gestört, kein
Mißton störte Abends die gesellige Zusammen-
kunft.
Aber es sollte anders kommen.
Die meisten Delegirten, die am andern
Morgen Queens Hall betraten, werden er-
staunt gewesen sein über die großen Dimen-
sionen des Kongreßlokals, einer augenblicklich
leer stehenden Konzerthalle im Westend von
London, im elegantesten Viertel der Stadt.
Inmitten des Feindes, den wir bekämpfen,
hatten wir da unser Lager aufgeschlagen. Ein
so großes Lokal für sozialistische Kongresse
dürfte bis jetzt noch nicht dagewesen sein. Und
doch war es nicht zu groß. Der eigentliche
Versammlungsraum war bis auf das letzte
Plätzchen besetzt. So erfreulich diese Thatsache
war, denn sie legte Zeugniß ab von der zahl-
reichen Beschickung des Kongresses, von dem
Interesse, das man ihm in Arbeiterkreisen
allenthalben entgegenbrachte, so war sie den
Verhandlungen des Kongresses nichts weniger
als förderlich.
Die Erfahrung hat gelehrt, daß eine parla-
mentarische Körperschaft nicht viel über vier-
hundert Mitglieder zählen soll, wenn ihre Ar-
beiten glatt und zweckentsprechend vor sich gehen
sollen. Ein Par-
lament von acht-
hundert Mitglie-
dern giebt es un-
seres Wissens in
der ganzen Welt
nicht — die größte
Mitgliederzahl
hat das englische
Unterhaus mitsei-
nen sechshundert-
achtundfünfzig
Mitgliedern, die
aber nur zu ent-
scheidenden Ab-
stimmungen sich
vollzählig zusam-
menfinden. Be-
schlußfähig ist das
Haus schon bei
einer Anwesenheit
von vierzig Mit-
gliedern.
Nun denke man
sich ein Parlament
mit achthundert
Mitgliedern, die
den verschieden-
sten Nationen an-
gehören, die ver-
schiedensten Spra-
chen sprechen und
die verschiedensten
varlamentari-
schen Regeln haben. Man denke sich, daß ein
derartiges Parlament in drei Sprachen ver-
handelt und man erhält ein Bild der ungeheuren
Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, um
selbst bei voller Einhelligkeit ein ruhiges Ar-
beiten des Kongresses zu ermöglichen. Diese
Einhelligkeit war aber nicht vorhanden und
konnte nicht vorhanden sein. Zeigt schon jeder
sozialistische Kongreß einer einzelnen Nation
zahlreiche Meinungsverschiedenheiten, so muß
das auf einem internationalen Kongreß erst
recht der Fall sein.
Schon aus rein äußerlichen Gründen der
parlamentarischen Technik wird ein befriedigen-
des Arbeiten der internationalen Kongresse erst
dann möglich werden, wenn jede Nation sich
darauf beschränkt, nur einige wenige aber aus-
Vom Kongreß.
^ Der internationale Kongreß ?u Lonöon.
feinem Kongreß sah der Schreiber die
Zeilen mit so banger Erwartung entgegen, >
dem Londoner. Denn London, dieses Ungehe
von einer Stadt, diese Welt für sich, Hab
feiner Arbeiterbevölkerung auch die eigenartig
Elemente, von denen manche höchst zweifelh
und unzuverlässig sind. Nicht in London, s
dern im Norden Englands mit seinen Fabri
und Kohlengruben, liegt die Kraft der engliscl
Arbeiterbewegung.
Die Anfänge des Kongresses waren denn a
bedenklich genug. Die Friedensdemonstration
Samstag in Hpde Par! freilich war aufs gb
zendste gelungen— soweit es von den Mensel
abhing. Es mußte ebenso die allgemeine S
geisterung wie etwas Neid bei den außerei
lischen Delegirten erwecken, wenn sie die >
gehcure Schaar von vielleicht hundcrttause
organisirten Arbeitern, ganz abgesehen von >
unermeßlichen Menge der unorganisirten, a
marschiren sahen. Mit ihren eigenartigen gros
Bannern, die mit Allegorien, ja mitunter soc
mit Darstellungen historischer und ande
Szenen geschmückt sind, mit klingendem Sr
zogen die Arbeiterbataillone einher, jede gröst
Sektion geführt von einer Kavalkade von R
lern mit rochen Schärpen. Es war ein eig>
artiges und buntbewegtes Bild.
Um jede der zwölf Rednertribünen sammel!
ßch der erhaltenen Weisung gemäß die einzeln
heranziehenden Gruppen, die Banner aus
aufstellend, die in einem Kreise die Zuhör
Ichaft umgaben; unb eine bet giänzenbsi
Demonstrationen, die London je gesehen, d
an solchen nicht arm ist, schien in einer Re
von Ansprachen ihr naturgemäßes Ende sin!
zu wollen. Aber Jupiter Pluvius statt
beschlossen.
. ^„»«.envruch los. Die Er.o—
Siegen gewöhnt. Bon ihnen kom
nicht wie von den Franzosen jenes l
erzählen, das in aufgeregter Zeit ein
seinem König gesagt haben soll: „S
gehen Sie ruhig schlafen. Heute regnet
giebt's keine Revolution." Ich habe E>
stundenlang im Regen unter freiem
einzelnen Reden zuhören gesehen. Eber
wie durch die Polizei läßt der Englä
durch den Regen sein Versammlungsr
kümmern. Aber der Wolkenbruch vom 26. Juli
war doch zu arg, die Zuhörer ergriffen schaaren-
weise die Flucht. Doch Jupiters Sieg war ein
unvollständiger. Die entschlossensten der Zu-
hörer — und die mit Regenschirmen versehenen —
hielten aus, ebenso die Redner, und in Bezug
auf diese bewirkte der Regenguß nur, daß
mancher Redefluß schneller versiegte als es sonst
der Fall gewesen wäre.
Als sich Abends die Delegirten wieder zu-!
sammen fanden, manche bis auf die Haut durch-
näßt, ohne trockene Kleider zum Wechseln, da
herrschte eine zuversichtliche Stimmung. Kein
Mißton hatte die Demonstration gestört, kein
Mißton störte Abends die gesellige Zusammen-
kunft.
Aber es sollte anders kommen.
Die meisten Delegirten, die am andern
Morgen Queens Hall betraten, werden er-
staunt gewesen sein über die großen Dimen-
sionen des Kongreßlokals, einer augenblicklich
leer stehenden Konzerthalle im Westend von
London, im elegantesten Viertel der Stadt.
Inmitten des Feindes, den wir bekämpfen,
hatten wir da unser Lager aufgeschlagen. Ein
so großes Lokal für sozialistische Kongresse
dürfte bis jetzt noch nicht dagewesen sein. Und
doch war es nicht zu groß. Der eigentliche
Versammlungsraum war bis auf das letzte
Plätzchen besetzt. So erfreulich diese Thatsache
war, denn sie legte Zeugniß ab von der zahl-
reichen Beschickung des Kongresses, von dem
Interesse, das man ihm in Arbeiterkreisen
allenthalben entgegenbrachte, so war sie den
Verhandlungen des Kongresses nichts weniger
als förderlich.
Die Erfahrung hat gelehrt, daß eine parla-
mentarische Körperschaft nicht viel über vier-
hundert Mitglieder zählen soll, wenn ihre Ar-
beiten glatt und zweckentsprechend vor sich gehen
sollen. Ein Par-
lament von acht-
hundert Mitglie-
dern giebt es un-
seres Wissens in
der ganzen Welt
nicht — die größte
Mitgliederzahl
hat das englische
Unterhaus mitsei-
nen sechshundert-
achtundfünfzig
Mitgliedern, die
aber nur zu ent-
scheidenden Ab-
stimmungen sich
vollzählig zusam-
menfinden. Be-
schlußfähig ist das
Haus schon bei
einer Anwesenheit
von vierzig Mit-
gliedern.
Nun denke man
sich ein Parlament
mit achthundert
Mitgliedern, die
den verschieden-
sten Nationen an-
gehören, die ver-
schiedensten Spra-
chen sprechen und
die verschiedensten
varlamentari-
schen Regeln haben. Man denke sich, daß ein
derartiges Parlament in drei Sprachen ver-
handelt und man erhält ein Bild der ungeheuren
Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, um
selbst bei voller Einhelligkeit ein ruhiges Ar-
beiten des Kongresses zu ermöglichen. Diese
Einhelligkeit war aber nicht vorhanden und
konnte nicht vorhanden sein. Zeigt schon jeder
sozialistische Kongreß einer einzelnen Nation
zahlreiche Meinungsverschiedenheiten, so muß
das auf einem internationalen Kongreß erst
recht der Fall sein.
Schon aus rein äußerlichen Gründen der
parlamentarischen Technik wird ein befriedigen-
des Arbeiten der internationalen Kongresse erst
dann möglich werden, wenn jede Nation sich
darauf beschränkt, nur einige wenige aber aus-
Vom Kongreß.