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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0210
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2284

-+** wie lange noch? -

(Es thront der pcrdischa anr goldnen itzorire,
Sein Darein steht in -er Eunuchen Hut
Und wenn er winkt, so opfert seinem Zorne
In Strömen man -er Unterthanen Blut.

Der Pascha praßt vom Marke der Provinzen,
Schwer aus -es Volkes Nacken ruht das Joch,
Und melancholisch sehen Runz und Hinzen
Dem -üstern Drama zu. wie lauge noch?

Jm alten Rom, dem großen Sündenpfuhle,

Mit -er Tiara prunkend angethan,

Erhält ein Greis sich auf St. Peters Stuhle
Durch einen dumpfen, ungeheuren Wahn.

Wohl raffelt er mit den Theaterblitzen,

Vor denen einst der halbe Erdball kroch,

Die Schwarzen mühen ängstlich sich, zu stützen
Die alte Herrlichkeit — wie lange noch?

Jm weiten Rußland herrscht -es Friedhofs Stille,
weil jedes laute Wort den Zaren kränkt.
„Laprsms lex“ ist hier -es Raifers Wille,

Nur ab und zu durch Meuchelmord beschränkt.

Durch seiner Steppen ungeheure Leere,

In denen Aas so oft der Geier roch,

Führt westwärts das gewaltigste -er Heere
Lin bloßer Wink von ihm. wie lange noch?

Durch ganz Europa geht ein hastig Rüsten,

Des Lebens Blüthenjahre heischt das Heer,

Von Feuerfchlünden starren alle Rüsten
And schwarze Panzer pflügen jedes Meer.

Und ob -er Last -er Rüstung sie erliegen,

Die ihre Rraft verzehrt, sie rüsten doch,

Und lassen rastlos ihre Fahnen fliegen,

Die blutbesndelten. wie lange noch?

Ls nährt, ein Vampyr, von dem Blut der Massen
Und ihrem Schweiße sich das Rapital;

Ls rollt auf Gummirädern durch die Gaffen
Und prunkt und tollt im tageshellen Saal.

Ihm ist ein Spott das Drohe,: unsrer Brauen
Und unsrer Herzen zorniges Gepoch;

Selbst aus dem Fleisch der Rinder und der Frauen
prägt es sich blankes Gold, wie lange noch?

Schlechtes Nuartier.

Achwerschattend senkte die Leptembernacht
Lick) auf Paris und feine Hellen Kaffen,

Auf das Gedränge aufgeregter Nassen
Und auf des Kaiserlagers üpp'ge Pracht.

Doch mied der Lchlummer seinen Daunenpfühl;
Ihm dünkten schwül und bänglich diese Räume,
Denn sie verhießen sonderbare Träume
Und finstrer Bilder lähmendes Kefühl.

Durch seine Adern rieselte ein Kraun;
wenn ihm vom Zapfenstreich bis zur Reveille
Jm Vhre summt die Weise von Marseille,
Was soll ein Kaiser dann im Traume schaun?
Monarchen, die im Zorn das Volk gestürzt.
Die es verjagt nach Englands Kreideküste,

Die es auf offnem Markt vom Blutgerüste
Ganz sans fa<jon um einen Kopf verkürzt?

Ls ist ein fremder Luftzug, der hier weht.

Wo es so recht zu Tort und Hohn dem Zaren
Leit wohlgezählten sechsundzwanzig Jahren
Ganz glatt und gut auch ohne König geht.
Lin Rest des Geists von neunundachtzig gährt
Wohl immer noch in diesen finstern Kerlen
Und vor die Laue wirst man seine Perlen,
Wenn mit Herrn Kaure man durch die Ltraßen

fährt.

Kursus im Rechnen für zukünftige
Regierungsbeamke.

Bei der preußisch-deutschen Regierung besteht,
wie wir von zuverlässiger Seite erfahren, die sehr
erfreuliche Absicht, für ihre zukünftigen Beamten
einen Kursus im Rechnen, oder besser gesagt: in
der höheren Mathematik einzurichten. Zunächst
wird hier das —, das infame Gleichheitszeichen,
ein für alle Mal beseitigt werden. Es hat nach-
gerade Unheil genug angerichtet, schon sein immer
wiederkehrender Anblick hat lange genug umstürz-
lerische Gleichheitsgelüste wachgerufen. Für die
höhere Mathematik-Karriöre lautet der erste Lehr-
satz: Wenn zwei Größen einander gleich sind, so
sind sie darum noch lange nicht gleich groß. Der

edle Grundsatz des Justizministers, der das Fun-
dament der ganzen vaterländischen Rechtspflege
bildet, erhält hiermit sozusagen erst seinen mathe-
matischen Nachweis, mit welchem versehen er sich
bald auch auf allen anderen Gebieten des öffent-
lichen Lebens unumschränkte Geltung verschaffen
wird, wie er denn thatsächlich sich schon einer
ziemlich allgemeinen Anerkennung erfreut. Wer
wollte z. B. die Richtigkeit des Satzes noch be-
streiten: Wenn ein adeliger und ein bürgerlicher
Beamter gleich tüchtig sind, so ist der adelige
noch ein ganz Theil tüchtiger —? Ferner: Wenn
Zwei gegen den Fürsten und die Regierung agi-
tiren, so ist der Konservative, der das thut, doch
immer gut monarchisch und königstreu —? Oder:
Wenn Zwei nichts von Religion wissen wollen,
so ist der Hochgeborene unter ihnen doch immer
ein guter Christ —?

Von jener unerschütterlichen Grundwahrheit
der höheren Mathematik ausgehend, stellt die
Rechenkunst, in welcher die Rekruten der Regie-
rung zu unterweisen sind, das richtige Verhältniß
her zwischen noch so ungleichen Posten irgend
einer Berechmmg. So handelt es sich in diesem
Augenblick darum, für die Erhöhung der Beamten-
gehälter in Preuße» den richtigen Maßstab zu
finden. Schon der alte Hesiod sagte:

Welch ein Thor, der nicht weiß, daß die Hälfte
mehr als das Ganze!

Nehmen wir das Gehalt eines Oberpräsidenten,
21000 Mark. Darin stecken ungefähr dreißig
Gehälter der niedrigsten Altgestellten. Wer heut-
zutage mit 700 Mark eine Familie ernähren soll,
klagt über schwere Zeiten, und mit Recht. Sind
aber 700 Mark ungenügend, so ist das Gehalt
eines Oberpräsidenten dreißig Mal so un-
genügend. Das übersehen gewöhnlich die Men-
schen, die keine höhere Mathematik kennen, lind
dann wundern sie sich, wenn eine Regierungs-
vorlage ein solches mehr als jämmerliches Gehalt
um 3000 Mark, das schon fast erträgliche Gehalt
eines Regierungsrathes und eines Landrathes da-
gegen um 1200 bis 1800 Mark erhöhen will.
Hat nämlich ein Oberpräsident alle llrsache, für

dreißig Mann unzufrieden zu sein mit seiner
miserablen Entlohnung, so die beiden Räthe nur
für sieben resp. achteitihalb Mann. Da aber
nach einer alten Erfahrung die größte Noth zuerst
abgewandt iverdcn muß, so rvcrden die untersten
Beamten rmd Angestellten, bei denen die Nothlage
erst einen so geringen Bruchtheil von der eben
beschriebenen ausinacht, auf eine etwaige Gehalts-
aufbesserung einstweilen gehorsamst zu warten
haben.

Das ist nur ein bescheidenes Beispiel dafür,
welche großartig klärenden Resultate von der
höheren Mathematik und einer durch sie erleuch-
teten Negierung und Beaintenschaft zu erivarten
sind. _^

Morgengrauen.

„Schon so weit?" — im weichen Flaum
Stöhnt es. halb erivachcnd kaittii.

Der Philister. Mit Gebrumm
Dreht er dann sich nochmals um,

Zieht die Decke traumverloren
Wieder über seine Ohren. —

„Schon so weit?" — Der Arbeit Sohn
Ruft es, doch in anderm Ton,

Ruft es stolz in volleur Wachen
Und mit herzbcfrei'ndem Lachen.

Wohl ist noch das Licht gedämpft;

Aber seht nur, wie es kämpft
Mit den grauenvollen Schatten,

Die es ganz vertrieben hatten. —

Kommt, ihr Brüder, all' heran,

Daß wir stehen Mann an Mann!

Seht ihr nicht die Nacht entflichcn,
Zukunftsfroh den Himmel glühen?

Ans drr Schule.

Lehrer: Warum hat Moses, als er vom
Berg Sinai kam, das goldene Kalb zerstört?

Moritzchcn: Weil das Gold nicht achtzehn-
karätig war.
 
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